Ein Schüler tot, einer vermisst. Alles nur die Folge eines miesen Trips?
Die Party einer Abi-Klasse wird zum Desaster. Gefeiert wird zu Hause bei Maya Wolff (Katharina Hirschberg). Die Eltern sind verreist. Pillen werden geschmissen. Und dann will der nerdige Marlin (Max Wolter) gesehen haben, dass Janusz (Louis Wagenbrenner) – er ist der, der in der Gruppe den Ton angibt – tot im Pool-Haus liegt. Sein Anruf beim Polizeinotdienst versetzt Kevin (Filip Schnack) und Khaleb (Leander Lesotho) in Aufregung. Nur nicht die Bullen! Wegen der Drogen oder gibt es einen anderen Grund? Marlin rennt weg, wird von den beiden noch kurz verfolgt, bevor er von einem Lkw erfasst wird. Alles nur die Folge eines miesen Trips? Feststeht, dass der schwerverletzte Marlin am nächsten Tag im Krankenhaus stirbt. Aber war Janusz tatsächlich tot? Seine Freunde sagen, er habe die Party frühzeitig verlassen. Doch es fehlt jede Spur von ihm. Die Jugendlichen schweigen sich weiterhin aus. Nur eine, Jule (Ginggan Maya Hörbe), will ein bisschen was gesehen haben. Der Fall nimmt Karin Gorniak (Karin Hanczewski) besonders mit, weil auch Romy (Charlotte Krause), die Tochter ihres neuen Freundes Paul Brahms (Hannes Wegener), auf dieser unseligen Party war – und Gorniak weiß, dass die junge Frau lügt.
Foto: MDR / Steffen Junghans
Dieser Mann könnte der richtige sein. Doch die Tochter hat was gegen Bullen
Beruf oder Liebe? Es sieht so aus, als ob sich die Kommissarin entscheiden muss. Und dummerweise ist es was Ernstes mit dem Mann, der sich seinerseits entscheiden muss – zwischen zwei Lieben. Dass „Herz der Dunkelheit“ der letzte Dresdener „Tatort“ für Karin Hanczewski ist, dürfte die Fantasie des Zuschauers darüber hinaus noch besonders beflügeln. Die mögliche Befangenheit ist das eine, dass die Kommissarin jedoch im Zimmer der Verdächtigen auf Beweissuche geht, ist nicht nur illegal, sondern auch ein Vertrauensbruch gegenüber ihrem Freund. Dass der deutlich mehr ist als eine lockere Bekanntschaft, verschärft das Dilemma, das Drama hinter dem Krimi. „Willst du bei mir einziehen?“, ist der erste Satz, der im Film von Claudia Garde (Ko-Autor: Ben von Rönne) zwischen dem Paar fällt. Noch sind die beiden entspannt und locker: „Machst du mir jetzt gleich einen Heiratsantrag?“, flachst Gorniak. Als Brahms Tochter ins Spiel kommt, wird der Ton rauer. Und nachdem sie bei einer Befragung in der Schule einen Nervenzusammenbruch erleidet, ist auch Kripo-Chef Schnabel (Martin Brambach) hellhörig geworden und ätzt gegenüber Leonie Winkler (Cornelia Gröschel): „Ist die Kollegin noch im Dienst oder hat sie sich schon für die große Liebe entschieden?“
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Sind Eifersüchteleien unter Teenagern der Nährboden für eine Tragödie?
Mit ihrem Alleingang mag Gorniak rechtswidrig gehandelt haben, den Fall bringt die Aktion dennoch entscheidend weiter. So ist das Verhältnis zwischen Romy und dem Vermissten sehr viel enger als die junge Frau behauptet, und möglicherweise könnte sie sogar von ihm schwanger gewesen sein. Doch sie ist nicht die Einzige, die ein sehr spezielles Verhältnis zu dem charismatischen Jungen, der zugleich ein solches Ekelpaket sein kann, gehabt haben muss. Nach dem Auftauchen eines intimen Kuss-Videos wird es für die Kommissarinnen noch schwerer zu durchschauen, wer hier auf wen steht. Klar ist nur: Egal, ob Mann oder Frau, ob Luka (Casper von Bülow), Kevin oder Romy, alle „lieben“ Janusz, und der ließ bis zu jener Nacht offenbar nichts anbrennen. Dass Eifersüchteleien unter Teenagern der Nährboden für eine Tragödie gewesen sein könnten, wird jedenfalls immer wahrscheinlicher. Die Drogen, der Rausch, Wut und verdrängte Aggressionen – dieser Stimmungscocktail könnte die Regie übernommen haben. Doch wer welche Rolle in diesem Beziehungsspiel spielt, lässt sich nur schwer ermitteln, solange alle das Wesentliche verschweigen. Das ist eine gute Voraussetzung für einen beziehungsreichen Whodunit, der von der Labilität der verdächtigen Jugendlichen lebt. Alle, auch die scheidende Kommissarin, sind ein bisschen durch den Wind. Der Kater nach der Party mit zumindest einem toten Schüler. Oder das Grummeln in Gorniaks Bauch, nachdem die Schmetterlinge ausgeflogen sind.
Des Krimirätsels Lösung versinnbildlicht den Sieg bewegter Medienbilder über die Realität
Dieser leicht benebelte Zustand der meisten Beteiligten hinterlässt auch filmisch seine Spuren: in den Party-Rückblenden auf der Zielgeraden und am deutlichsten in der intensiven Eingangssequenz, in der die Sinneseindrücke bei den Feiernden, aber auch beim Zuschauer verschwimmen. Wie im Delirium wankt der, der es gut meint mit dem „Freund“, der ihn für gewöhnlich verhöhnt, durch die Bilder. Entsprechend verfremdet ist auch der Ton. Aus dem Soundtrack ist Bronski Beats „Smalltown Boy“ herauszuhören, später in Rückblenden „Sweet Dreams“ der Eurythmics. Zwei ikonische Songs, auch was die Texte angeht. Gibt es da möglicherweise Bezüge zur Geschichte? Sexuelle Orientierung? Sehnsüchte, Träume? Benutzen und benutzt werden? Wäre dem nicht so, würde es irritieren, dass die Jugend von heute nicht mit Billie Eilish, Charli xcx & Co charakterisiert wird, sondern mit „Oldies“. In der Folge passt sich die Erzählweise der Gefühlstonlage der mehr oder weniger sprunghaften Protagonisten an. Die Narration ist filmästhetisch wie dramaturgisch souverän entwickelt: getragen, molltongefärbt, trotzdem flüssig geschnitten. Der Zuschauer kennt einige Ereignisbruchstücke mehr als Gorniak und Winkler. Ein Reim lässt sich daraus nur schwer machen. Man erkennt mal wieder, dass die Liebe mehr als nur ein seltsames Spiel ist – mit vielen Verlierern. Und hinter des Krimirätsels Lösung steht eine Metapher für den Kommunikationsstil der heutigen Jugend: Sie versinnbildlicht den Sieg bewegter Medienbilder über die Realität.
Foto: MDR / Steffen Junghans