Ein Multimillionär möchte im Herbst des Lebens endlich mal was Gutes tun. Bei ihm ist es zu spät fürs große Glück, Anderen aber kann geholfen werden. Und so setzt er ein Preisgeld von drei Mal einer Million Euro für drei Mittvierziger aus, dafür, dass sie aktiv an ihrem Glück arbeiten. Belohnt wird bereits der Versuch… Auf so eine Drehbuchidee muss man erst mal kommen. Michael Hofmann packt in der ARD-Serie „Die Glücksspieler“ (die film gmbh) den Mythos Glück beim Schopfe und schüttelt ihn kräftig durch. Dabei wird auch das Genre munter durcheinandergewirbelt. Dieser ungewöhnliche Sechsteiler erzählt von den kleinen Dingen des Lebens, vom Familienalltag mit Kindern, den Sinnfragen, die sich mit Mitte 40 stellen, von Träumen, Wünschen, Selbstverwirklichung, aber nicht präsentiert als der Wirklichkeit eins zu eins abgelauschte Handlung mit vorhersehbarer Lösungsgarantie, sondern als quirlige, lebenskluge Komödie, die originell mit Möglichkeiten spielt und mit Rollen-Umkehrungen, Interaktionswendungen & persönlichen Wandlungen überrascht. Dramaturgie (Spiel mit dem Mehrwissen), Dialoge (zum Mehrfachgenuss bestens geeignet), Inszenierung, die Schauspieler: Es passt hier einfach alles! „Die Glücksspieler“ ist eine äußerst beglückende Serie, von der sich keine Glücksformel ableiten lässt und die viel zu eigenwillig ist, als dass sie TV-Machern eine Serienglücksformel an die Hand geben würde. Glücklicherweise!
Viele Male im Leben kann man sich „Einmal im Leben – Geschichte eines Eigenheims“ anschauen. Der Film ist einer der wenigen Kultfime, die das deutsche Fernsehen hervorgebracht hat. Trotz des Modethemas Eigenheim – die Sorgen und Nöte des kleinen Mannes sind universal und zeitlos. Der Kult bildende Faktor aber ist die einfallsreiche und auch dramaturgisch kluge Erzählweise des Films. Die Alltagsabenteuer der Semmelings werden als Komödie präsentiert. Da heißt es lustvoll fremdschämen. Nicht nur darin erinnert dieser frühe Wedel-Dreiteiler an „Stromberg“. Auch die Doku-Kamera ist immer dabei!
Wie man mit frei erfundenen Neukunden an der Börse Kasse machen kann, wie die Sache mit den Leerverkäufen oder dem „Shorten“, dem Reihbachmachen mit den Börsenverlusten anderer, funktioniert, das bekommt man in der deutschen Serien-Satire „King of Stonks“ (Netflix / btf) opulent selbstreferentiell & popkulturell unterhaltsam präsentiert – in sechs dramaturgisch gut strukturierten, tempo- und informationsreichen, aber nie verwirrenden oder gar belehrenden Folgen. Die Geschichte lehnt sich an den Aufstieg und Fall des Digitalbezahl-Startups Wirecard an, das schnell zur großen Hoffnung für den Digitalstandort Deutschland avancierte. Aus der Börsenrakete wurde ein Betrugsskandal, ein Milliardengrab. Da Headautor Philipp Käßbohrer sich nicht am realen Fall entlanghangelt, gelingt dieser herausragenden Serie eine universale bitterböse Abrechnung mit einer perversen Branche – und sie ist dadurch noch verspielter und komischer, noch origineller und überraschender als die dieses Jahr Grimme-Preis-gekrönte Sky-Serie „Die Ibiza-Affäre“. Und Matthias Brandt brilliert – als größenwahnsinniger Narzisst mit Kunstgebiss und Bräunungscreme.
Aus der vermeintlichen sozialsatirischen Zeitgeist-Komödie ist über die Jahre ein Lehrstück über menschliche Dekadenz & zynische Medienmacht geworden. „Kir Royal“ schafft Minaturen der Comédie humaine und die Serie ist nicht deshalb ein Klassiker, weil sie 1986 den Grimme-Preis bekam, sondern weil sie jedem Jahrzehnt eine etwas andere Lesart ermöglicht: eine gesellschaftskritische, eine beziehungsorientierte, eine emanzipatorische, eine fernsehästhetische. tittelbach.tv zeigt, was man über „Kir Royal“ wissen & lesen sollte.
Zwischen Ehekrise und zweitem Frühling, zwischen Spiritualität und Schönheitschirurgie versuchen vier Lehrerinnen zwischen 44 und 52 Jahren ihrem Leben einen Sinn zu geben. Die Handlung von „Klimawechsel“ ist hormongesteuert, die Haltung lebensklug, die Tonlage frisch und respektlos, der Humor angenehm unprüde und gelegentlich köstlich derb, und die Wirkung befreiend. Selten konnte man so viel Spaß haben mit deutscher Komödie!
Franz Münchinger alias Monaco Franze ist ein Hallodri, ein Stenz, ein unverbesserlicher Weiberheld, glücklich (und wohlhabend!) verheiratet mit Annette von Soettingen, einer Dame der besseren Münchner Gesellschaft. „Monaco Franze – Der ewige Stenz“ beginnt als Männerphantasie vom omnipotenten Casanova und endet mit zwei Alkoholikern. Ein Serien-Kleinod, angelegt wie ein Stück Literatur – entstanden aus dem Wesen seiner Charaktere, ein Anti-Entwicklungsroman, das Kontrastprogramm zu „Dallas“ & Co, Fortsetzung unmöglich. Es geht um Sex – latent & permanent. Die Serie wurde für den Vorabend produziert!
Wie schön könnte das Leben sein für den 40-jährigen Tristan ohne die Frau Mama! Seine Tötungsphantasien werden immer realer: „Mutter muss weg“ – ein Auftragskiller soll helfen. Doch das von Bastian Pastewka gespielte Muttersöhnchen knickt immer wieder ein. Mutter kommandiert & schikaniert ihn. Der Film von Edward Berger nach dem Buch von Marc Terjung ist die Komödie des Jahres. Top-Buch, böse & atemberaubend seine Wendungen, geschliffene Dialoge, wunderbare Inszenierung, perfekt getimt, göttliche Schauspieler.
Christian Zübert und Hermine Huntgeburth ist eine wunderbare Roman-Adaption gelungen. Der Autor konzentriert sich auf den Konflikt des konfliktscheuen „Pionier Lehmann“ und auf die gesellschaftlichen Widersprüche der frühen 80er Jahre. Vortrefflich gelingen ihm der lakonische Grundton und die episodische Erzählweise der Vorlage – über alle Regeln der Dramaturgie hinweg. Die Regisseurin leistet „historisch“ ganze Arbeit und Frederick Lau packt sich den von einer vielschichtigen Absurdität durchdrungenen Film auf seine Schultern. Überragender Soundtrack. „Neue Vahr Süd“ hat (auf DVD) das Zeug zum Kult-Film!
Hamburg hat ihn erdrückt, jetzt im friesischen Katenbüll hofft Sörensen auf Linderung seiner Qualen. Der Hauptkommissar leidet unter Angststörungen. Allerdings mit der Ruhe, die er sich in der friesischen Pampa erhofft, ist es schnell vorbei – denn der Bürgermeister sitzt tot in seinem Stall… „Sörensen hat Angst“ führt den Zuschauer gehörig aufs Glatteis. Kann man zunächst noch annehmen, hier einem trocken humorigen Schmunzelkrimi beizuwohen, so zieht die Geschichte bald deutlich schrecklichere Kreise. Auch die Angstzustände sind hier weder ein Wesenszug, der die Handlung nur aufheiternd vertieft, noch öffentlich-rechtliches Diversitätsalibi. Diese Störung steht gleichwertig neben dem Krimiplot, so wie jedes der Genres Krimi, Drama und Komödie seine Qualitäten gleichermaßen für sich (und nicht gebremst durch den Genre-Mix) ausspielen darf. Die durchdachte Konzeption zeigt sich überall in der Erzählweise. Autor Stricker und Bjarne Mädel, der hier erstmals Regie führte, haben sich entschieden, das Grauen, das Unsägliche, das, wofür es keine Worte gibt, auch nicht (im Bild) zu zeigen. Dass sie den dörflichen Horror offenbar nicht so leicht goutierbar machen wollten, dafür spricht auch die unkonventionelle Inszenierung. Selbst hinter der Lakonie steckt (ästhetische) Methode. Jede Szene unvergesslich, kleine Miniaturen, veredelt von Brandt, Ratte-Polle, Kurth – und Mädel und Wichmann glänzen als ein Traumpaar der (un)ironischen Art. Keine Reihe – aber nach einer Fortsetzung schreit dieser Sörensen!
„Achtsam Morden“ (Netflix / Constantin) ist eine überaus kurzweilige, wendungsreiche, toll gespielte und stellenweise bös’ schwarzhumorige Serie mit Tom Schilling als Gangster-Anwalt, der beruflich und privat an seine Grenzen gerät. Als seine Frau ihn überredet, einen Achtsamkeits-Coach aufzusuchen, findet er zwar tatsächlich seine innere Mitte, aber seine neue Fähigkeit zur Fokussierung führt auch zu diversen Todesfällen. Das Ensemble ist ausnahmslos vortrefflich, die Bildgestaltung ist besonders, die Dialoge sind ein Genuss, und die vielen Drehbuchideen sorgen dafür, dass jede der acht Folgen wie im Flug vergeht.
Versicherungsvertreter Adrian Zumbusch alle erdenklichen plagen Ängste. Er meidet Fahrstühle, Tunnel, größere Menschenansammlungen, neue Herauforderungen. Er hat Angst vorm Fliegen, vor seinem Chef, vor Frauen. Erst als der penible Hypochonder von seiner Ärztin erfährt, dass er nicht mehr lange zu leben hat, fallen alle Phobien von ihm ab. Plötzlich kann er das Leben genießen – und verliebt sich. Leichtfüßig, tragikomisch, valentinesk.
Das Fest der Feste ist in „Beste Bescherung“ mehr als nur ein Katalysator für den fehlenden Frieden in einer Fabrikantenfamilie. Der Film von Rainer Kaufmann, der dritte Streich um die Mallingers, ist Weihnachtsfilm, Familiengeschichte und Beziehungskomödie. Ein geistreicher, realistischer Feelgood-Film, bissig & ironisch statt von romantischer Glückssuche getragen. Herzstück: die Charaktere. Star: das Ensemble. Augenfälligste Besonderheit: die offene Dramaturgie. Etwas Französisches liegt in den Bildern, federleicht die Gangart. Lebenslust am Rande der Improvisation ist spürbar. Gibt es einen besseren Weihnachtsfernsehfilm?!
Der Fall der Mauer als historische Groteske: „Bornholmer Straße“ erzählt von dem Oberstleutnant, der am 9. November 1989 letztlich auf eigene Faust die Grenze öffnete. Ein Helden-Stück zum Jahrestag aus ungewöhnlicher Perspektive, komisch und leicht statt pathetisch und schwer. DDR-Grenzer einmal anders, als tragische Figuren in einer Polit-Farce. Herrlich absurde Dialoge, eine packende Inszenierung und ein großartiges Ensemble neben dem wunderbar lakonischen Charly Hübner in der Hauptrolle. Christian Schwochow („Der Turm“) hat das Drehbuch seiner Eltern Heide und Rainer Schwochow inszeniert.
„Braunschlag“ ist eine schwarzhumorige Ösi-Serie, die in ihrer Heimat für Furore sorgte – und jetzt endlich auch hierzulande zu sehen ist. Eine gefakte Marienerscheinung soll die niederösterreichische Gemeinde Braunschlag finanziell retten. Der Betrug wird eine Folge munter entwickelt, ist eine Folge lang von Erfolg gekrönt, doch dann geht es umso rasanter bergab. Es wird gesoffen, gehurt, gelogen, betrogen und gelacht. Von Letzterem lässt man sich gern anstecken. „Hochmut, Gier, Feigheit, Neid, Rachsucht, Maßlosigkeit, ‚Braunschlag’ liegt gerade in seinen politischen Reflexionen am Puls der Zeit“, so sein Erfinder David Schalko, Idee, Buch, Regie, Produktion. Dialoge & eine Besetzung vom Feinsten!
Ralf Husmann hat nach „Vorsicht vor Leuten“ mit dem Fernsehfilm „Der König von Köln“ (WDR / Zeitsprung Pictures, Dreamtool Entertainment) mal wieder eine Gesellschaftssatire allererster Güte geschrieben. „Politik heißt, alles so lange im Ungefähren zu halten, bis es nicht mehr zu ändern ist.“ Wie das System aus Gefälligkeiten und gezieltem Wegschauen funktioniert, das führt der Autor an der Geschichte eines an sich moralischen Mannes vor, der etwas blauäugig in den Strudel der Korruption gerissen wird. Auch sein ehemaliger Chef hatte einst Bedenken – „aber gegen den Zweifel hat der liebe Gott das Kölsch erfunden.“ Die Einzeiler sitzen, alle Charaktere dieses durchweg wunderbar besetzten Ensemblefilms haben eine eigene Note und eine spezielle Humor-Tonlage. Husmanns induktive Dramaturgie und seine satirische Handschrift ohne jede Didaktik gehören zum Qualitätskonzept dieses Films, genauso wie der stimmige, mit der Handlung korrespondierende kölsche Soundtrack, Richard Hubers flüssige Inszenierung und seine Schauspielerführung, die trotz der unterschiedlichen Figurenfarben (es gibt schließlich auch zwei ehrenwerte Figuren) diese ARD-Komödie zu einem stimmigen Ganzen macht. Ein seltener Lichtblick in Zeiten des Krimi-Wahnsinns.
Ein Biedermann gerät in die ereignisreichste Nacht seines Vetreterlebens. Christoph Waltz spielt ihn glänzend auf seine leicht konfuse Art als einen, der nicht nein sagen kann. Tragikomisch verheddert sich der Held in einer fremden, seltsamen Welt. Außerdem poltert Armin Rohde im Einsatz für Spaß und Provision urkomisch durch die Szenerie. Running Gags machen den Film von Stephan Wagner zu einem ebenso dichten wie rasanten Ausflug in die Nacht & die Filmgeschichte. Grimme-gekrönt. Komödien-Highlight der 00er Jahre.
Einem Landarzt gelingt es, sich ein bayerisches Dorf untertan zu machen. Von der Medizin als Segnung der modernen Zivilisation bis hin zur Gesundheitswelle leistet der Doktor Überzeugungsarbeit bei den gutgläubigen Dörflern. Autor Günter Schütter lieferte 1997 mit „Doktor Knock“ seinen satirischen Beitrag zum Thema Gesundheitswesen. Inszenatorisch lassen sich Dominik Graf und Benedict Neuenfels allerhand Skurrilitäten einfallen.
Über 30 Jahre hat es ein Ehepaar miteinander ausgehalten. Jetzt will sie die Scheidung, er stimmt zu, doch dann sitzt die werte Gattin plötzlich tot im Sessel. Was heißt das nun: Jubeln oder Trauern? Der Mann steckt in einem Dilemma – und hängt bald in der Endlosschleife seines Alltags fest… „Endlich Witwer“ (ZDF / Bavaria Fiction) ist eine Character-driven-Komödie, wie sie das deutsche Fernsehen nur selten hervorbringt. Die einfallsreich inszenierte Tragikomödie von Pia Strietmann nach dem lebensklugen Buch von Martin Rauhaus ist sehr viel komplexer als die üblichen Stinkstiefel-Komödien. Die Ausgangssituation ist bizarr. Die Stimmungslage ambivalent. Die Hauptfigur, auf den ersten Blick ein Spießer & Langweiler, ist skurril, widersprüchlich, hat Ecken & Kanten und durchaus Potenzial; das allerdings ist auf dem Weg durchs Leben verschütt gegangen. Und dann kriegt der Mann plötzlich doch wieder Lust auf Kommunikation. Król ist immer gut, hatte aber lange nicht mehr die Möglichkeit, so viele Nuancen, Ton- & Gefühlslagen zu spielen: Wie er‘s macht ist ganz große Klasse!
Zum Glück haben sich die Verantwortlichen von „Faking Hitler“ (RTL / UFA) gar nicht erst an einem Remake von Helmut Dietls Klassiker „Schtonk!“ (1992) versucht. Das hätte nur schief gehen können: Die überdrehte Mediensatire war viel zu sehr ein Produkt ihrer Zeit. Tommy Wosch (Chefautor und Produzent) hat sogar konsequent darauf verzichtet, aus der Fälschung der Hitler-Tagebücher eine Komödie zu machen; die wahre Geschichte ist ohnehin absurd genug. Auf diese Weise kommen auch die aktuellen Bezüge („Fake News“, Wettlauf der Medien um Aufmerksamkeit, Verharmlosung des Nationalsozialismus) viel stärker zum Tragen. Herausragend und unbedingt sehenswert neben Kostüm und Ausstattung ist das Ensemble, allen voran Moritz Bleibtreu als Schlawiner, der Sammler von NS-Devotionalien übers Ohr haut, und Lars Eidinger als Getriebener in eigener Sache. Außerdem hat Wosch das Duo um eine wichtige Frauenfigur ergänzt: Eine junge Journalistin, gespielt von Sinje Irslinger, ist die einzige Figur mit moralischem Kompass. TV-Premiere auf RTL+.
„Film im Film“ geht immer in die Hose, sagt Wim Wenders in der absurd prominent besetzten und herrlich selbstironischen Serie „German Genius“ (Warner TV / W&B Television). Kida Khodr Ramadan wagt es trotzdem und spielt sich in „German Genius“ kurzerhand selbst: Weil er auf der Straße dauernd mit seiner Rolle Toni Hamadiy aus „4 Blocks“ verwechselt wird, will er sein Image ändern und eine Serie über berühmte Deutsche produzieren, in der er eine Hauptrolle als Komparse übernimmt. Das Projekt kommt tatsächlich in Gang, entwickelt dann jedoch eine fatale Eigendynamik. Die Ironie in eigener Sache ist zwar die Würze der Erzählung, aber im Grunde bloß eine fröhliche Dreingabe. Dank der Don-Quichotte-Haftigkeit der ständig scheiternden Hauptfigur ist „German Genius“ weit mehr als bloß Comedy, selbst wenn die vielen witzigen Einfälle für ein dauerhaftes Vergnügen sorgen.