Beste Bescherung

Rainer Kaufmann, von Kessel, von Thun, eine Steuer-CD & der Stern von Bethlehem

Foto: ZDF / Christian Hartmann
Foto Rainer Tittelbach

Das Fest der Feste ist in „Beste Bescherung“ mehr als nur ein Katalysator für den fehlenden Frieden in einer Fabrikantenfamilie. Der Film von Rainer Kaufmann, der dritte Streich um die Mallingers, ist Weihnachtsfilm, Familiengeschichte und Beziehungskomödie. Ein geistreicher, realistischer Feelgood-Film, bissig & ironisch statt von romantischer Glückssuche getragen. Herzstück: die Charaktere. Star: das Ensemble. Augenfälligste Besonderheit: die offene Dramaturgie. Etwas Französisches liegt in den Bildern, federleicht die Gangart. Lebenslust am Rande der Improvisation ist spürbar. Gibt es einen besseren Weihnachtsfernsehfilm?!

Weihnachten steht vor der Tür – und bei den Maillingers geht es mal wieder drunter & drüber. Schraubenfabrikant Karl (Friedrich von Thun) sucht mit einem millionenschweren Koffer Zuflucht bei seiner Jüngsten, der hochschwangeren Miriam (Anneke Schwabe), auf deren heruntergekommenen Biohof. Dort hat sich die ganze Sippschaft eingefunden, um gemeinsam die Weihnachtstage zu verbringen: die Älteste, Vorzeigetochter Anna (Sophie von Kessel), der Problemsohn & ewige Gutmensch Tom (Fabian Hinrichs), seine Freundin, der blonde Engel Susan (Petra Schmidt-Schaller), und Halbbruder Vince (Marc Hosemann). Den ungeliebten Familienpatriarchen wähnten sie in Moldawien, in der Heimat seiner neuen Frau Dina (Franziska Schlattner). Doch die Rettung von Karls „Notgroschen“ vor den Steuerbehörden geht vor. Seinen Kindern verschweigt der Alte tunlichst seine Schwarzgeld-Aktivitäten. Die wollen ihn auch so gar nicht erst dabei haben bei ihrem Fest der Liebe.

Ein Paar tollt durch die verschneite Landschaft, kullert eng umschlungen durch den Schnee – so beginnt und so endet „Beste Bescherung“, der dritte Streich um die Familie Maillinger, eine ebenso schräge wie erwachsene TV-Komödie, die 90 Minuten lang alles andere als ein finales Familienglück in Aussicht stellt. Die Angst vor den Steuerfahndern geht um. Aber muss man sie auch in Bayern haben? „Die müssten ja den halben Starnberger See verhaften“, beruhigt sich der schlitzohrige Fabrikant selbst. Der bekommt in der Kammer, in der man ihn auf dem Hof einquartiert, schon mal einen Vorgeschmack auf den Knast. Aber auch sonst ist so einiges los. „Die Maillingers als heilige Familie“ – da müssen die Mitglieder des Clans, die angehalten sind, das Krippenspiel der Region aufzuführen, selber herzlich schmunzeln. Emotional gärt es gehörig unter der Oberfläche – Familie kann was Wunderbares sein. Kann! Und der Beziehungsreigen ist ohnehin ein Spiel mit Möglichkeiten. Selten hat man die postmoderne Partnerwahl-Philosophie in einem Film so wunderbar beiläufig thematisiert gesehen.

Beste BescherungFoto: ZDF / Christian Hartmann
Bleibt die preußische Anna doch wieder allein? Top-Besetung: Sophie von Kessel, Marc Hosemann, Misel Maticevic

„Beste Bescherung“ ist Weihnachtsfilm, Familiengeschichte und Beziehungskomödie in einem. Regisseur Rainer Kaufmann ist nach dem lebensklugen Drehbuch von Kathrin Richter und Jürgen Schlagenhof ein intelligenter, realistischer Feelgood-Film gelungen, der von der Glückssuche erzählt ohne jenen süßlichen Selbstfindungsimpetus, mit dem Filme über Familien viel zu häufig im Fernsehen überzuckert sind. „Das Schöne am Leben ist doch, dass man lebt“, diesen Satz ihres Naturburschenschwagers quittiert der neurotische Kontrollfreak Anna mit einem verständnislosen Blick. Papis Liebling hat es nicht so mit den Gefühlen. Authentisch ist sie vor allem dann, wenn es um ihre krankhafte Eifersucht geht. „Du hast nichts zwischen den Beinen meiner Schwester zu suchen“, fährt sie ihren Ben an, der – was soll er machen – nun mal Frauenarzt ist. Dieser Verzicht auf falsche Romantik tut gut. So beschert dieser Film dem Zuschauer durchgängig Ironie, leisen Witz und tiefere Bedeutung.

Ein Geheimnis dieser Komödie ist ihre offene Dramaturgie. Man trifft sich, verbringt einige Zeit miteinander, geht wieder auseinander. Vieles wird nur angedeutet, Entscheidungen bleiben offen – als Optionen für die Zukunft. Wie im wahren Leben. Und die Liebe (auch die in der Familie) ist ein seltsames Spiel – eine immer währende Versuchung. Das Herzstück der Geschichte sind ihre Charaktere: alle bleiben ihren Eigenarten aus „Das Beste kommt erst“ (2009) und „In den besten Familien“ (2012) treu, sind gefangen in der eigenen Welt. Das weihnachtliche Krippenspiel konfrontiert sie nun gnadenlos mit ihren Rollen im Leben.

Der Star des Films, keine Frage, ist das Ensemble: von Kessel & von Thun verkörpern die Kopfnote des Clans, Hosemann & Maticevic sorgen für die Herznote, und Hinrichs ist der Laut-Sprecher. Schwankt das Personal zwischen der Last und der Leichtigkeit des Seins und versetzt das Drehbuch Ernsthaftes in komische Schräglagen, bevorzugen Rainer Kaufmann und Kameramann Klaus Eichhammer durchweg eine federleicht verspielte Gangart. Etwas Französisches liegt in den Bildern, geschnitten wird nicht auf Konflikt oder Pointe, die Montage wird maßgeblich von der (vorfilmischen) Realität bestimmt. Die Handkamera gibt dem Ganzen gelegentlich fast etwas Dokumentarisches. Einige (Spiel-im-Spiel-)Szenen stecken voller Lebenslust und wirken geradezu improvisiert. „Beste Bescherung“ ist mehr als ein Weihnachts-Familienfilm, weil er Familien- und Weihnachtsmythos zum einen zeitgemäß ausleuchtet und zugleich augenzwinkernd kommentiert. Das Fest der Feste ist hier mehr als nur ein vordergründiger Katalysator für den fehlenden Frieden in dieser Fabrikantenfamilie. Die mögliche Selbstanzeige des Vaters schwebt wie der Stern von Bethlehem über der Szenerie. Im Fernsehen wurde man seit Xaver Schwarzenbergers „Single Bells“ (1998) nicht mehr so bissig und geistreich unterhalten zur Weihnachtszeit. (Text-Stand: 25.11.2013)

Beste BescherungFoto: ZDF / Christian Hartmann
Die Bildsprache dieses Films ist fürs Fernsehen einzigartig: Kamera und Montage mal dokumentarisch, mal poetisch – aber stets federleicht und verspielt mit einem Hauch vom Improvisation. Weihnachts- & Familienmythos intelligent kurz geschlossen.

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Sophie von Kessel, Friedrich von Thun, Fabian Hinrichs, Misel Maticevic, Mark Hosemann, Franziska Schlattner, Anneke Schwabe, Petra Schmidt-Schaller, Gundi Ellert, Frederic Linkemann

Kamera: Klaus Eichhammer

Szenenbild: Petra Heim

Schnitt: Nicola Undritz

Musik: Martin Probst

Produktionsfirma: Roxy Film

Produktion: Andreas Richter, Annie Brunner, Ursula Woerner

Drehbuch: Kathrin Richter, Jürgen Schlagenhof

Regie: Rainer Kaufmann

Quote: 4,73 Mio. Zuschauer (14,5% MA)

EA: 16.12.2013 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
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Kontoinhaber: Rainer Tittelbach