Ein unbescholtener Familienvater druckt Falschgeld und hat bald statt Druckerschwärze Blut an seinen Fingern kleben. Er und seine Frau sind ein Traumpaar, was eine kriminelle Karriere angeht: er ein Künstler an der Druckerpresse, sie eine leidenschaftliche Lügnerin. Doch sie wollen nicht kriminell sein, werden allenfalls von äußeren Umständen immer wieder dazu gezwungen. Das Autoren-Trio hat dieser für deutsche Serien-Verhältnisse ungewöhnlichen Geschichte eine unwiderstehliche Dramaturgie mit einer vorbildlichen Erzähldichte verpasst. Mag „Morgen hör ich auf“ thematisch vermeintlich weniger relevant sein als „Deutschland 83“ oder „Weißensee“, so hat das Familien-Krimi-Drama, was Filmästhetik, Atmosphäre und Kult-Potenzial angeht, die Nase vorn. Und Pastewka & Wolff sind zum Niederknien!
Ralf Husmann hat nach „Vorsicht vor Leuten“ mit dem Fernsehfilm „Der König von Köln“ (WDR / Zeitsprung Pictures, Dreamtool Entertainment) mal wieder eine Gesellschaftssatire allererster Güte geschrieben. „Politik heißt, alles so lange im Ungefähren zu halten, bis es nicht mehr zu ändern ist.“ Wie das System aus Gefälligkeiten und gezieltem Wegschauen funktioniert, das führt der Autor an der Geschichte eines an sich moralischen Mannes vor, der etwas blauäugig in den Strudel der Korruption gerissen wird. Auch sein ehemaliger Chef hatte einst Bedenken – „aber gegen den Zweifel hat der liebe Gott das Kölsch erfunden.“ Die Einzeiler sitzen, alle Charaktere dieses durchweg wunderbar besetzten Ensemblefilms haben eine eigene Note und eine spezielle Humor-Tonlage. Husmanns induktive Dramaturgie und seine satirische Handschrift ohne jede Didaktik gehören zum Qualitätskonzept dieses Films, genauso wie der stimmige, mit der Handlung korrespondierende kölsche Soundtrack, Richard Hubers flüssige Inszenierung und seine Schauspielerführung, die trotz der unterschiedlichen Figurenfarben (es gibt schließlich auch zwei ehrenwerte Figuren) diese ARD-Komödie zu einem stimmigen Ganzen macht. Ein seltener Lichtblick in Zeiten des Krimi-Wahnsinns.
Zum Glück haben sich die Verantwortlichen von „Faking Hitler“ (RTL / UFA) gar nicht erst an einem Remake von Helmut Dietls Klassiker „Schtonk!“ (1992) versucht. Das hätte nur schief gehen können: Die überdrehte Mediensatire war viel zu sehr ein Produkt ihrer Zeit. Tommy Wosch (Chefautor und Produzent) hat sogar konsequent darauf verzichtet, aus der Fälschung der Hitler-Tagebücher eine Komödie zu machen; die wahre Geschichte ist ohnehin absurd genug. Auf diese Weise kommen auch die aktuellen Bezüge („Fake News“, Wettlauf der Medien um Aufmerksamkeit, Verharmlosung des Nationalsozialismus) viel stärker zum Tragen. Herausragend und unbedingt sehenswert neben Kostüm und Ausstattung ist das Ensemble, allen voran Moritz Bleibtreu als Schlawiner, der Sammler von NS-Devotionalien übers Ohr haut, und Lars Eidinger als Getriebener in eigener Sache. Außerdem hat Wosch das Duo um eine wichtige Frauenfigur ergänzt: Eine junge Journalistin, gespielt von Sinje Irslinger, ist die einzige Figur mit moralischem Kompass. TV-Premiere auf RTL+.
Ein nicht gerade schlanker älterer Herr als junger David Bowie: Das klingt nach Klamotte. Zum Glück kriegt Peter Meister (Buch und Regie) immer wieder rechtzeitig die Kurve. Das hat er nicht zuletzt seinem Hauptdarsteller zu verdanken: Selbst in den entwürdigendsten Momenten gelingt es Bernhard Schütz, seiner Rolle einen Rest an Haltung zu bewahren. Die Geschichte ist ohnehin ein großes Vergnügen: Zwei Ganoven (Jacob Matschenz spielt den Komplizen) haben das titelgebende Gemälde „Das schwarze Quadrat“ (ZDF, Arte/Frisbee) geklaut, fliehen per Kreuzfahrtschiff und werden unversehens Teil des Unterhaltungs-Programms. Witzige Dialoge, absurde Ideen, eine ausgezeichnete Ensemble-Leistung, dazu eine große Musik und eine vorzügliche Kameraarbeit: was für ein Langfilmdebüt!
Miese Konjunkturlage bei den Heiratsschwindlern. Kurz vorm Burnout will’s Familienvater Herbert wissen: größere Investitionen – größerer Ertrag. Also ab zu den schweizer Witwen! Wunderbar: Armin Rohde, Gisela Schneeberger und Detlev Buck, die so spielen, als wären krimineller Alltag und geschäftsmännisches Doppelliebesleben mit Ehefrau und Opfer das Normalste von der Welt. Da stimmt jeder Zwischenton & jede Tagesrolle ist top besetzt – nur dramaturgisch ist wie immer in deutschen Movie-Komödien nicht alles zwingend.
Wohnt jedem Aufstieg unweigerlich der Abstieg inne? Drei der vier Heldinnen der RTL-Serie „Herzogpark“ (Letterbox, Amalia) wollen es nicht wahrhaben, dass ihre Zeit im Münchener Nobelviertel bald vorbei sein könnte. Ein Bau-Mogul und halbseidener Emporkömmling hat sie in der Hand. Er würde alles tun für seinen Herzog-Tower. Aber die drei High-Society-Grazien würden noch einiges mehr tun, um in ihrer Komfortzone zu verweilen. „Herzogpark“ mag weder die Brillanz und den satirischen Biss von „Kir Royal“ noch die gesellschaftliche und narrative Komplexität der „Vorstadtweiber“ besitzen, in Zeiten überdehnter und dramaturgisch nicht immer ausgereifter Serien-Ideen, gehen die viereinhalb Champagner-beseelten Stunden dieses eleganten, formschönen Gesellschafts- & Gaunerstücks allerdings sehr flüssig und ohne saure „Aufstößchen“ runter. Beste Unterhaltung ohne finale Reue
KDDler Mads Schwartz wird befördert und kriegt „seinen ersten Mord“: eine Arztgattin erliegt einem allergischen Schock. Bruder Andi, seit Neuestem Privatdetektiv, klinkt sich heimlich & mit illegalen Mitteln in den Fall ein und bringt damit nicht nur sich in eine gefährliche Lage. „Schwartz & Schwartz“ (Bavaria Fiction), der neue ZDF-Samstagskrimi, langweilt einen nicht mit dem 9999. Whodunit, sondern lässt frühzeitig erkennen, dass der ach so ehrenwerte Ehemann der Toten Dreck am Stecken hat. Der Krimi funktioniert vor allem über Identifikation & Mitgefühl: Selbst das schwarze Schaf der Familie hat unsere Sympathie. Das liegt auch am grandios guten Striesow, den Autor Alexander Adolph schon einmal zum Trickbetrüger gemacht hat. Auch die weitere Besetzung mit Euler, Gröschel, Hobmeier und Martinek ist vielversprechend. Das Schlussdrittel ist hochspannend, die Auflösung des Falls unkonventionell – und die Neugier, wie es 2019 weitergehen wird, entsprechend groß.
Frank ist ein Hochstapler aus Leidenschaft. Wie ein Süchtiger erfindet er Geschichten, schlüpft in fremde Biografien – und er muss ständig zum Flieger in irgendeine Weltstadt, obwohl er in seinem ganzen Leben nach kein Flugzeug von innen gesehen hat. Er ist ein Illusionist, der seine Erfindungen selbst am dringendsten braucht. Eine tief tragische Biographie, ein nicht unwitziger Film. Einmal mehr grandios gut: Devid Striesow!
Es geht doch nichts über eine schöne Gaunerkomödie. „Alles Schwindel“ flutscht von Anfang bis Ende. Wiener Schmäh meets Screwball-Touch. Deutsche Top-Schauspieler vereinen sich mit den Ösi-Aushängeschildern für urkomische Weiblichkeit: Ursula Strauss (sexy & freches Mundwerk) & Bibiana Zeller (entwaffnender Mutterwitz). Diese vorzüglich gebaute Komödie kennt keine losen Fäden, keine faden Dialoge, keine Rohrkrepierer-Witze. Herzstück ist die Lust am Spiel. In Nestroy-Manier wird mit allem & jedem Schabernack getrieben!
Johann Friedrich von Allmen hat seine Bestimmung gefunden. Der privatisierende Lebemann mit Sinn fürs Ästhethische und daher von akuten Geldsorgen geplagt, hat eine Agentur „für die Wiederbeschaffung schöner Dinge“ gegründet. Gleich der erste Auftrag könnte ihn und seinen Diener Carlos aller Geldsorgen entledigen. „Allmen und das Geheimnis des rosa Diamanten“ besitzt mehr Finalspannung als sein allzu vor sich hin mäandernder Vorgänger. Auch die reizvollen, aber gleichzeitig die Handlung ausbremsende Konversationen nehmen nicht mehr so viel Raum ein. Dennoch gilt das Prinzip: Der Weg ist das Ziel. Der Snob zeigt Moral & soziales Gewissen und sammelt dadurch Sympathiepunkte. Ferch und Finzi passen die Rollen wie Maßanzüge. Die Balance zwischen den Genres und Tonlagen stimmt.
Jahrelang narrte er die Polizei. Einen Tag nachdem das Drehbuch zu „Das Phantom – Die Jagd nach Dagobert“ fertig war, wurde Arno Funke alias „Dagobert“ geschnappt – und der skurril-schräge Film über sich selbst behindernde Kommissare, die sich am Ende gegenseitig verdächtigen, bekam ein neues Ende. Autor Niciphor suchte vor allem die absurden Momente in der realen Vorlage. Frühes Sat-1-Highlight und ein Wiedersehen mit Dieter Pfaff.
Wie kann ein Mann ohne Schulabschluss, ein Analphabet und Gelegenheitsarbeiter, die Schweizer Hochfinanz wochenlang an der Nase herumführen? Davon erzählt Dani Levy in seiner ersten Fernsehserie „Der Scheich“ (Paramount+ / X-Filme Creative Pool). Es ist eine haarsträubende Geschichte, die frei nach einer wahren Begebenheit entstanden ist. Im Mittelpunkt dieser warmherzigen, absurd komischen, anfangs wenig subtilen Groteske steht ein Hochstapler wider Willen, der die Erfahrung macht, dass die Menschen – ganz besonders die auf das große Geld scharfen Eidgenossen – betrogen werden wollen. In der zweiten Hälfte des Achtteilers legt sich über die helle Komödienfarbe ein dunkler, mitunter cool ironischer Ton. (Kritiker, die nur 2 Folgen gesichtet haben, haben davon nichts mitgekriegt)
Für das eigene Modegeschäft, fehlt ihr noch das nötige Kleingeld. Also tut sie das, was sie immer schon gut konnte: die Männerwelt abzocken. Doch die feinen Berliner Herren sind auch nicht mehr das, was sie vorgeben zu sein. Originelle Komödie mit Lubitsch-Touch
Die Boulevardmedien priesen ihn als gewieftesten Gangster Deutschlands: Vor dreißig Jahren hielt der als „Dagobert“ berühmt gewordene Kaufhauserpresser Arno Funke die Republik in Atem. In der Serie „Ich bin Dagobert“ schildert Autor Ronny Schalk, wie der brillante Tüftler der Polizei immer wieder ein Schnippchen schlug. Weil er stets darauf achtete, dass seine Bomben niemanden verletzten, avancierte er zum Volkshelden. Die im Auftrag von RTL entstandene sechsteilige Zeitsprung-Produktion ist eine gelungene Mischung aus Komödie und Drama und imponiert vor allem auch durch ihre Umsetzung: Hannu Salonen und sein kongenialer Kameramann Felix Cramer erfreuen durch eine Vielzahl sehr besonderer optischer Einfälle.
Für Augen-Blicke gibt es so etwas wie Nähe. Doch sonst herrscht in Oliver Hirschbiegels schmutzigem kleinen Hinterhof-Thriller „Trickser“ nur Verfall, Misstrauen und die Gier nach Geld. Zwei Ganoven und ein Girlie schlagen sich auf Liebe und Tod um die Beute eines Bankraubs. Vom Genre her ist „Trickser“ ein auf den Kopf gestellter Krimi. Die Story ist einfach, die Dramaturgie klar, die Bildsprache für öffentlich-rechtliche Verhältnisse anno 1998 gewagt. Es ist aber auch ein Schaupielerfilm, in dem Dominique Horwitz glänzt.
Wie unwichtig kann doch Handlung sein, wenn zwei liebenswerte Charaktere die Sache in die Hand nehmen und wenn es den Machern gelingt, mit Alltagsbeobachtungen, der Landschaft und den Stimmungen, die sich aus all dem ergeben, eine einfache, kleine, aber wahrhaftige Geschichte zu erzählen. Der Plot von „Vadder, Kutter, Sohn“ braucht keine künstliche Fallhöhe, keine aufgebauschten Konflikte. Hier wirkt alles wie ohne großen Vorsatz hingetuscht. Alle Gewerke leisten vorzügliche Arbeit, selbst das Wetter und die Musik, ob als Handlungsmotiv oder Score, geben dem Ganzen ein stimmungsvolles Passepartout. Und Axel Prahl und Jonas Nay zeigen, wie vielschichtig man doch das Leichte spielen kann.
Ein wertvolles Gemälde wird gestohlen, was dem notorisch klammen Kunstdetektiv Johann Friedrich von Allmen einen neuen Auftrag und die Bekanntschaft mit einer attraktiven Psychologin einbringt. Auch „Allmen und das Geheimnis der Dahlien“ (Degeto / Ufa Fiction), der dritte Film in der Reihe nach den Romanen von Martin Suter, verbindet elegante Kulissen, Hedonismus und den Charme alter Detektivgeschichten. Geerdet wird der äußerliche Schick nach wie vor durch das symbiotische Männer-Bündnis zwischen Allmen (Heino Ferch) und seinem Butler Carlos (Samuel Finzi). Die Handlung ist verwickelt, das Episoden-Ensemble erlesen (Katharina Schüttler, Erni Mangold, Udo Samel, Mehdi Nebbou, Florian Stetter), das Ambiente erstklassig – süffiges Unterhaltungsfernsehen mit einem aus der Zeit gefallenen Titelhelden, das noch etwas schwungvoller & weniger voll gequatscht hätte sein dürfen.
Johann Friedrich von Allmen hat schon bessere Tage gesehen. Mit seinem großspurigen Lebensstil dürfte es bald für ihn und seinen loyalen Diener und Freund vorbei sein. Immerhin hat er schon mal die Fühler zu einer sehr guten Partie ausgestreckt und ein Kunstraubobjekt könnte ihn fürs erste und eine verwegene Geschäftsidee längerfristig retten… „Allmen und das Geheimnis der Libelle“ spielt heute, doch die Anmutung der dargestellten Welt und der Umgangston, den die Hauptfiguren pflegen, verweisen auf einen Lebensstil vergangener Tage. Dieser Auftakt zu einer neuen Reihe ist vielversprechend, aber nicht völlig gelungen. Der Film ist (gewollt) elegant, launig, ironisch, geistreich und schön anzuschauen, ist aber auch etwas langatmig und etwas zu „literarisch“. Mehr Blake Edwards, weniger Suter wäre schön!
Mit „Gier“ will Wedel der in die Jahre gekommenen Spaßgesellschaft, die sich ohne Arbeit reich und reicher spekuliert, den Spiegel vorhalten. Für den Zweiteiler, der das kritische Hollywood-Drama der 1980er mit dem Degeto-Touch kurzschließt, ließ sich der 70-Jährige vom Fall des Finanzbetrügers Jürgen Harksen inspirieren. Viele „Magic Moments“ laufen ins Leere, weil die Geschichte dramaturgisch für zwei Teile nicht trägt. Für einen Wedel zu wenig. Und für den Zuschauer auch! (Arte sendet beide Teile hintereinander )
Ein westfälisches Vorstadt-Idyll bekommt dicke Kratzer. Das Geld reicht hinten und vorne nicht – da gibt’s nur eins: einen Raubüberfall. „Jetzt sind wir dran“ ist eine typenstarke, handlungsintensive Ruhrpott-Komödie um ein liebenswertes Sextett. Der Überfall bleibt Mittel zum Zweck, im Zentrum steht das klein karierte Kleinstadtleben von drei Paaren in der Midlife-Crisis. Getragen wird wird Heiko Schiers temporeicher Film vom westfälischen Humor, gespickt mit kernigen Sprüchen, und von einer nahezu perfekten Besetzung.