Wie kann ein Mann ohne Schulabschluss, ein Analphabet und Gelegenheitsarbeiter, die Schweizer Hochfinanz wochenlang an der Nase herumführen? Davon erzählt Dani Levy („Die Känguruh-Chroniken“) in seiner ersten Fernsehserie „Der Scheich“. Es ist eine haarsträubende Geschichte, allerdings „Based on true lies“, wie im Vorspann augenzwinkernd angedeutet wird. Vorbild für diesen absurd komischen, anfangs wenig subtilen Achtteiler, produziert als erstes deutschsprachiges Original für den neuen, ansonsten enttäuschenden Streamingdienst Paramount+, ist der Hochstapler Volker Eckel aus dem schwäbischen Tamm, der 2012 zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Er hatte sich als morgenländischer Prinz ausgegeben und ebenso vermögende wie naive Eidgenossen um sehr viel Geld betrogen.
Foto: Paramount+ / Stephanie Kulbach
Mit erzählerisch gekonnten Übertreibungen und gesellschaftskritischen Spitzen inszeniert Regisseur und Showrunner Dani Levy eine vergnügliche Räuberpistole. Spannung und Elan der Serie nehmen dabei von Folge zu Folge mehr Fahrt auf. Die Fallhöhe der Krimikomödie liegt hoch. Denn Levy scheut auch riskante Regiemanöver nicht – selbst Musical-Momente finden in diesem wilden Mix Platz. Die Dialoge überzeugen durch Witz und passendes Timing. (filmdienst)
Ausgangspunkt des Possenspiels sind eine Sporttasche, in der mal 100.000 Euro gesteckt haben sollen, sowie zwei blaublütige Junkies, die die Tasche samt Inhalt jetzt zurückfordern. Dass der naive Träumer Ringo (Björn Meyer) sich des Geldes bemächtigt haben soll, ist eher unwahrscheinlich, fristen er und seine Lebenspartnerin Carla (Petra Schmidt-Schaller) mit ihren zwei Kids doch ein bescheidenes, aber umso glücklicheres Patchwork-Familiendasein. Eher könnte der Ex und Noch-Ehemann von Carla, Pathos (Pasquale Aleardi), etwas mit dem Verschwinden des Geldes zu tun haben. Auch nicht ganz koscher ist Carlas millionenschwere Familie, von dessen Familienoberhaupt (Hans-Uwe Bauer) sie sich losgesagt hat. Da dieser herrische Patriarch alter Schule seiner Tochter die 100.000 Euro nicht geben will, steckt diese bald in einer höchst prekären Situation. Derweil kocht Ringo ohne Wissen seiner Lebenspartnerin sein eigenes Süppchen. Weil er nicht nein sagen kann, ist der Mann aus dem Schwarzwald für die Schweizer bald ein katarischer Scheich, mit dem ein glückloser Immobilienmakler (Philippe Graber) das Geschäft seines Lebens wittert. Und fortan ermittelt eine Kommissarin (Carol Schuler), allerdings nicht wegen Betrugs, sondern wegen Mordes. Schließlich nimmt ein Killer und Verkleidungskünstler (Sylvester Groth) die Fährte auf. Und so werden am Ende nicht nur Millionen, sondern auch Menschen vernichtet.
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Subtilität ist … nicht seine Sache. Levy … überzeichnet und trägt dick auf, auch was die mitschwingende Kapitalismuskritik angeht. Mitunter treibt die Albernheit mit schrägen Musik-Einlagen und anderen Phantasie-Sequenzen arg überdrehte Blüten, worüber einige der Darsteller*innen ins Trudeln geraten. Doch der unter anderem aus den Münster-Tatorten bekannte Meyer und vor allem Schmidt-Schaller retten mit ihrem Spiel souverän vor manchem Abgrund, auch Carol Schuler als Ermittlerin ist einmal mehr eine Bank. Und als letztlich ziemlich warmherzige Groteske hebt sich „Der Scheich“ wohltuend ab von einigen vergleichbaren Serien der letzten Monate, die eher bierernst und cool oder anstrengend selbstverliebt daherkamen. (tageszeitung)
Während also einige Charaktere auf der Strecke bleiben, entwickelt sich aus dem reichhaltigen Rest-Personal ein dicht gesponnenes Beziehungsnetz, in dem sich noch der eine oder andere schicksalhaft verfangen wird. Es ist ein bunter Reigen aus Genre-Tonlagen, nicht mit feiner ironischer Klinge geschrieben, aber sehr vergnüglich (und nur ein wenig zu lang). Wer – wie alle aktuellen Kritiken – „Der Scheich“ reduziert auf das seriell so beliebte Hochstaplersujet, liegt also falsch. Der bizarr düstere Nebenplot um den Schwarzwälder Familienclan der weiblichen Hauptfigur, für den der Fortbestand der Firma mehr wiegt als das Leben eines Familienmitglieds, ist in der zweiten Hälfte der Serie ebenso präsent wie Ringos Geschichte, die sich in ihrer Irrwitzigkeit irgendwann nicht mehr steigern lässt. Die aufregendste Figur, die bis zur Zielgeraden den Unterschied macht, ist weder die Titelfigur noch Schmidt-Schallers schöne Schuhverkäuferin, sondern Sylvester Groths Coen-liker Verkleidungskiller. Wer also glaubt, nach zwei Folgen eine seriöse Serien-Kritik schreiben zu können, liegt krachend daneben. Die Serie hätte auf tittelbach.tv durchaus mehr Zeilen verdient. Doch das hat ein Streamer nicht verdient, der Kritikern nur die ersten beiden Folgen einer Serie anbietet.