Ein Multimillionär möchte im Herbst des Lebens endlich mal was Gutes tun. Bei ihm ist es zu spät fürs große Glück, Anderen aber kann geholfen werden. Und so setzt er ein Preisgeld von drei Mal einer Million Euro für drei Mittvierziger aus, dafür, dass sie aktiv an ihrem Glück arbeiten. Belohnt wird bereits der Versuch… Auf so eine Drehbuchidee muss man erst mal kommen. Michael Hofmann packt in der ARD-Serie „Die Glücksspieler“ (die film gmbh) den Mythos Glück beim Schopfe und schüttelt ihn kräftig durch. Dabei wird auch das Genre munter durcheinandergewirbelt. Dieser ungewöhnliche Sechsteiler erzählt von den kleinen Dingen des Lebens, vom Familienalltag mit Kindern, den Sinnfragen, die sich mit Mitte 40 stellen, von Träumen, Wünschen, Selbstverwirklichung, aber nicht präsentiert als der Wirklichkeit eins zu eins abgelauschte Handlung mit vorhersehbarer Lösungsgarantie, sondern als quirlige, lebenskluge Komödie, die originell mit Möglichkeiten spielt und mit Rollen-Umkehrungen, Interaktionswendungen & persönlichen Wandlungen überrascht. Dramaturgie (Spiel mit dem Mehrwissen), Dialoge (zum Mehrfachgenuss bestens geeignet), Inszenierung, die Schauspieler: Es passt hier einfach alles! „Die Glücksspieler“ ist eine äußerst beglückende Serie, von der sich keine Glücksformel ableiten lässt und die viel zu eigenwillig ist, als dass sie TV-Machern eine Serienglücksformel an die Hand geben würde. Glücklicherweise!
Christian Zübert und Hermine Huntgeburth ist eine wunderbare Roman-Adaption gelungen. Der Autor konzentriert sich auf den Konflikt des konfliktscheuen „Pionier Lehmann“ und auf die gesellschaftlichen Widersprüche der frühen 80er Jahre. Vortrefflich gelingen ihm der lakonische Grundton und die episodische Erzählweise der Vorlage – über alle Regeln der Dramaturgie hinweg. Die Regisseurin leistet „historisch“ ganze Arbeit und Frederick Lau packt sich den von einer vielschichtigen Absurdität durchdrungenen Film auf seine Schultern. Überragender Soundtrack. „Neue Vahr Süd“ hat (auf DVD) das Zeug zum Kult-Film!
13 einsame Herzen wollen es mehr oder weniger noch einmal wissen. Von einem Kennlern-Marathon erzählt der ARD-Fernsehfilm „Altersglühen – Speed Dating für Senioren“. WDR und NDR versprechen: „13 namhafte Schauspieler, 19 Kameras, kein Drehbuch und keine Wiederholung.“ Ein echtes TV-Experiment also – und ein gelungenes dazu, gedreht in zwei Tagen. Das Top-Esemble macht den 85-Minüter sogar Primetime-tauglich. Es überrascht, dass die Situationskomik immer wieder von Momenten großer Wahrhaftigkeit gebrochen wird. Im Kern haben viele Geschichten etwas Schmerzliches. Interessant ist auch die veränderte Rezeption einer solchen (anschlussfähigen) Impro-Dramedy.
Am Grab von Wolff-Dieter stehen drei Generationen, zwei Familien und eine Handvoll Verschollener aus Ost und West. Sie alle teilten ein Stück ihres Weges mit dem Lebemann. Viele wollen jetzt auch sein Erbe teilen. Nach „Altersglühen – Speed Dating für Senioren“ (2014), dem Psycho-Wochenende „Wellness für Paare“ (2016) und einem „Klassentreffen“ (2019) in Köln-Hürth greift Impro-Regisseur Jan Georg Schütte nun in die Vollen. „Das Begräbnis“ (Degeto / Florida Film) sprengt die Altersgrenzen bisheriger Zusammenkünfte und will nicht nur Geschichte(n), sondern auch ein Stück Historie erzählen. Das alles wie immer ohne Drehbuch. Stattdessen vertraut Schütte auf die Erzählungen, die sich aus dem improvisierten Miteinander aller Beteiligten ergeben. Das einzufangen bedeutet in der technischen Umsetzung: 56 Kameras am zentralen Drehort, 15 Sets drumherum, viele Vorgespräche mit 16 Schauspielern, diverse Vor-Drehs, Probedurchläufe mit Komparsen und Technikbesprechungen mit 50 Kameraleuten sowie Ton-Assistenten. Zwei Monate, um das Gedrehte zu sichten und zu ordnen. Im Anschluss drei Cutter, die jeweils ein halbes Jahr an der sechsteiligen Serie und an einer Spielfilmfassung arbeiten. Die Serie erzählt jeweils aus der Sicht einer der Hauptfiguren und dringt dabei in die psychischen Untiefen der Figuren vor. Mal berührend, mal komisch, mal absurd. Immer von einem Spitzen-Ensemble getragen.
Auch wenn der Titel „Der Sommer nach dem Abitur“ (ZDF / Ziegler Film) mit dem Blick auf die Fortysomethings-Besetzungsliste Wehmutskonnotationen nahelegt, so spielt der Film von Eoin Moore und Marc Terjung („Mutter muss weg“) nicht die Nostalgie-Karte. Keine „Forever young“-Augenwischerei, keine Früher-war-alles-besser-Plattitüden. Das Drama des Älterwerdens schwingt zwar schon mit in der Geschichte um drei Mittvierziger, aber darum geht es nicht allein. Der Film ist ebenso nur bedingt ein Porträt der Generation Golf, jener konsumgeilen Ego-Generation, die Hedonismus & das Private feierte. Und die Tragikomödie, unterfüttert mit einer feinen Spur von Gags, erzählt auch nicht nur von ewigen Lebenslügen, verpassten Träumen und unvermeidlichen Schicksalsschlägen des Erwachsenenalters. Denn Terjung zieht gegen Ende einen doppelten Boden in die Narration ein. Die jugendkulturellen Zwischentöne stimmen genauso wie die Besetung, und auch der popkulturelle Unterboden inklusive Band- & Figuren-Vitas ist glaubwürdig und das Setzen auf die Gruppe Madness ist in einem Land, in dem Helene Fischer musikalisch regiert, schon eine kleine Sensation!
Über 30 Jahre hat es ein Ehepaar miteinander ausgehalten. Jetzt will sie die Scheidung, er stimmt zu, doch dann sitzt die werte Gattin plötzlich tot im Sessel. Was heißt das nun: Jubeln oder Trauern? Der Mann steckt in einem Dilemma – und hängt bald in der Endlosschleife seines Alltags fest… „Endlich Witwer“ (ZDF / Bavaria Fiction) ist eine Character-driven-Komödie, wie sie das deutsche Fernsehen nur selten hervorbringt. Die einfallsreich inszenierte Tragikomödie von Pia Strietmann nach dem lebensklugen Buch von Martin Rauhaus ist sehr viel komplexer als die üblichen Stinkstiefel-Komödien. Die Ausgangssituation ist bizarr. Die Stimmungslage ambivalent. Die Hauptfigur, auf den ersten Blick ein Spießer & Langweiler, ist skurril, widersprüchlich, hat Ecken & Kanten und durchaus Potenzial; das allerdings ist auf dem Weg durchs Leben verschütt gegangen. Und dann kriegt der Mann plötzlich doch wieder Lust auf Kommunikation. Król ist immer gut, hatte aber lange nicht mehr die Möglichkeit, so viele Nuancen, Ton- & Gefühlslagen zu spielen: Wie er‘s macht ist ganz große Klasse!
Franz, ein 17jähriger Einzelgänger, hat sich schockverliebt. Ausgerechnet in die hübsche, so tough wirkende Zoe. Alle in Franzens Familie sind begeistert von ihr. Doch dann kommt der sensible junge Mann dem Geheimnis seiner Liebsten rausch- und schmerzhaft auf die Spur…. „Flunkyball“ (ARD / Hager Moss Film) ist ein Coming-of-age-Drama, ein Film über Liebesleid, Süchte, Sehnsüchte und die verschiedenen Arten damit umzugehen. Von Autor-Regisseur Alexander Adolph wird dabei der soziale Blick mitgedacht, beiläufig, aber entscheidend für die Qualität dieses Fernsehfilms. Auch dem Publikum hält der zweifache Grimme-Preisträger den Spiegel vor. Was begrüßt die am Tropf des Kommerzes hängende Gesellschaft mit einem Lächeln und was passt nicht in ihr aufgeräumtes Weltbild? Flunkyball, das titelgebende, als cool geltende Gesellschaftstrinkspiel der Generationen Y und Z steht bei Adolph Pate für diese Gedanken. Ein wilder, feinfühliger, energetischer Film.
Katharina Thalbach und Corinna Harfouch sind Hanna und Bibi in Hermine Huntgeburths Fernsehfilm „Gefährliche Freundin“. Zwei ungewöhnliche Frauentypen, zupackend und bodenständig, zwei Heldinnen, wie man sie selten sieht im Fernsehen der 90er Jahre. Sie scheinen eher dem englischen Working-Class-Kino eines Ken Loach oder Mike Leigh entsprungen zu sein. Die beiden Schauspielerinnen verlassen sich nicht auf dramaturgische Wirkung, sie erspielen sich ihre Charaktere, spüren deren psychologische Entwicklung nach – physisch, sinnlich, 90 Minuten in Bewegung. Dafür bekamen beide den Grimme-Preis!
“Darf man über die Nazis lachen?” Wenn es so satirisch und klug gemacht ist wie in der TV-Satire “Goebbels und Geduldig” auf jeden Fall. Die ARD sah das 2001 nicht ganz so – und strahlte den Film mit zwei Jahren Verspätung und nur ein einziges Mal aus. In Kai Wessels Film geht es um den Propagandaminister des Dritten Reichs & seinen Doppelgänger. Der heißt Harry Geduldig und ist ausgerechnet Jude, der in einem Lager seit zehn Jahren verborgen gehalten wird: Geduldig als Himmlers Wunderwaffe gegen Goebbels?! Ein Doppelgänger könnte Himmlers Marionette spielen. Aber auch ein Doppelgänger in der Hand der Kriegsgegner könnte allerhand anrichten. Ab 22.5.2015 gibt es den Film auf DVD!
Die Seele ist kein Organ, Psychologen sind keine Halbgötter hinter der Couch. „Kein Wunder, dass das Fernsehen sie noch nicht entdeckt hat“, erkennt Autorin Gabriela Sperl. „Das Fernsehen lebt von Sicherheit, von der Versicherung, dass alles gut wird, dass das Kaputte wieder heil zu machen ist.“ Der Zweiteiler löst diesen Widerspruch vielschichtig auf.
Mit seiner dritten Impro-Komödie „Klassentreffen“ hat sich Jan Georg Schütte an jenes gleichnamige Phänomen gemacht, das anschlussfähiger und noch alltägsnäher ist als die Themen von „Altersglühen – Speed Dating für Senioren“ und „Wellness für Paare“. Die Voraussetzungen: 18 Schauspieler, kein Drehbuch, nur Rollenprofile, ein realer Gasthof mit mehreren Sub-Locations, der über vier Stunden ohne Unterbrechung bespielt wurde, dazu 32 Kameras und 24 Kameraleute. Und es ist wie im wahren Leben: Alle rutschen wieder in die Rollen(spiele) von damals. Da sind die, die mit ihrem Schicksal hadern, die, die mit sich selbst absolut im Reinen sind, und die, deren glückliche Fassade ein wenig zu bröckeln beginnt. Die Figuren und die Schauspieler sind das Herzstück des Films. Sie erzählen von früher, von Gefühlen, von Unverdautem, von Verdrängtem. Schütte verdichtet den Redefluss zu kleinen, zum Teil sehr wahrhaftigen Geschichten mit realistischem Konfliktpotenzial. Aus 130 Stunden wurden 90 unkonventionelle, launige, erkenntnisreiche & melancholische Filmminuten.
Zwei dauergemobbte Außenseiter-Teenager können den Spieß endlich mal umdrehen. Das Schicksal und die Segnungen eines „intelligenten“ Hauses bringen sie auf die wahnwitzige Idee, ihren verhassten Schulleiter in seinen eigenen vier Wänden einzuschließen. Die ARD/Arte-Serie „Nackt über Berlin“ (Studio.TV.Film, Sehr Gute Filme) beginnt als köstliche Rache-Komödie, schlägt aber bald ernsthaftere Töne an, ohne an Unterhaltungswert zu verlieren. In clever strukturierten Rückblenden zeigt sich, dass der Gefangene als Ehemann, Familienvater, Schulleiter und Pädagoge versagt hat. „Nackt über Berlin“ vereint all das, was Axel Ranisch und seine Filme so besonders, ja so besonders gut und außergewöhnlich macht: die Sympathie für seine ebenso nerdigen wie liebenswerten Anti-Helden, Außenseiter, die sich nicht verbiegen lassen. Es ist nicht die Geiselnahme, die dieser Serie ihren Sog verleiht: Komödie, Tragikomödie, Thriller, Coming-of-age-Dramedy, ein erschütternder Drama-Plot, eine Freundschaftserzählung, Musical- und Fantasy-Elemente – die Mischung aus Genres, Stimmungen, Bildern macht‘s. Und die Schauspieler, allen voran Lorenzo Germeno, sind große Klasse, und Thorsten Merten als Pauker kriegt sogar eine Eins mit Sternchen.
Seinen Hund versteht er, die Menschen nicht. Und natürlich musste er es mal wieder sein, der mit 49 eine besonders aggressive Form von Lymphdrüsenkrebs bekommt! Seinen Tod aber scheint er hinzunehmen, so wie er zuvor sein Leben ertragen hat. „Ruhe! Hier stirbt Lothar“ (WDR / Hager Moss Film) erzählt von zwei Katastrophen. Die Krebsdiagnose ist die erste, die Nachricht, dass es eine Fehldiagnose war, ist die zweite. Jener Lothar ist schockiert. Haus weg, Geld weg, Job weg, sein geliebter Hund weg; dabei hat er sich im Hospiz doch so wohl gefühlt. Jetzt aber muss sich dieser Menschenfeind zum ersten Mal im Leben emotional bewegen. In dieser doppelbödigen Tragikomödie wird aber nicht jener überstrapazierte, billige Dramödien-Topos von der „zweiten Chance“ bedient. Gerade weil Ruth Toma und Hermine Huntgeburth dem Zuschauer keine märchenhafte Zuckerguss-Utopie präsentieren und weil Kamera, Szenenbild & Schnitt die Hauptfigur machen lassen und ihr verschlossenes Wesen in eine adäquate, für TV-Verhältnisse ungewöhnliche Filmsprache übersetzen, wirkt das Ganze so stimmig, so lebensnah, so wahrhaftig. Es gibt kein konventionelles Happy End. Warum auch?! Das Leben geht weiter – unberechenbar wie dieser wunderbar lakonische Film, der von einem nicht allzu liebenswerten Charakter getrieben, von einem überragenden Jens Harzer getragen und mit unvergesslichen Szenen von Corinna Harfouch veredelt wird.
“Scheidungsopfer Mann” zeigt, wie es gehen kann in einer Beziehung, wie die Ansprüche an der Wirklichkeit scheitern und wie besondere Umstände, Stolz und verletzte Eitelkeit in intelligenten Menschen Kampfeslust und Rachsucht schüren können. Gewinnen kann bei solchen Rosenkriegen kaum einer (oder vielleicht doch?), wenn sie so klug und einfallsreich sind wie das Paar in dem Film von Stefan Krohmer und Daniel Nocke. “Ich will eine Trennung mit Niveau, etwas, das uns entspricht”, sagt Inka zu Beginn, am Ende ist es eine Scheidungsschlammschlacht – diese aber tatsächlich auf intellektuell höchstem Niveau. Eine Möglichkeit der Trennung: bisschen böse, bisschen ironisch und sehr sophisticated.
„Seit du da bist“ gelingt etwas, was es im deutschen Fernsehfilm gar nicht und im Kino immer seltener gibt: ein Film, der wie seine Hauptfigur liebevoll vor sich hin mäandert, trotzdem ganz bei sich ist & eine seltsame Magie entwickelt. Als ob sich der Alltagskomik-Strukturalist Jacques Tati und der Beziehungsrealist Eric Rohmer in Wien verabredet hätten… Der Film erzählt von Spielarten der Liebe, von den Spielarten der Kunst, von Musik und Malerei und ihrer Beziehung zum Geld. Er erzählt – wenn man so will – auch von Spielarten des Zusammenseins, der Freundschaft zwischen Erwachsenen und Kindern, von einem guten „Vater“ und einem weniger guten. Michael Hofmann zeigt, lässt reden, die Bilder laufen, er erzählt im besten Kino-Sinne. Das ist mal ironisch, unheimlich komisch, mal melancholisch, traurig, aber stets lebensbejahend – und die Schauspieler sind allesamt zum Niederknien.
Das fulminante, euphorisch gefeierte und vielfach preisgekrönte Krimi-Drama „Sörensen hat Angst“ schrie ob weiterer verfügbarer Roman-Vorlagen geradezu nach einer Fortsetzung. An der Ausgangssituation hat sich wenig geändert. Katenbüll ist und bleibt ein Nest, in dem kein Fernsehzuschauer begraben sein möchte, und die psychische Verfassung der Titelfigur hat sich sogar noch verschlechtert. Auch „Sörensen fängt Feuer“ (NDR / Claussen + Putz) ist wieder eine stimmige Mixtur aus Krimi, Drama und (Tragi-)Komödie und besticht durch sein absolut stimmungsvolles Zusammenspiel von Narration, Dramaturgie & Inszenierung, von Charakter-Zeichnung und Tonlage. Kein gefälliger Krimi zum Schmunzeln wie die Kriminalkomödien aus Münster. Mit seinen skurrilen und maximal reduzierten Situationen, dem minimalistischen Verhalten und den witzigen Dialogwechseln ist dieses ARD-Highlight von und mit Bjarne Mädel eher etwas zum genauen Hingucken und Zuhören. Ein Film zum stillen Genießen.
Der Titel dieser „Tatort“-Episode des HR verweist auf traditionelle bürgerliche Küche, aber in Wahrheit ist „Falscher Hase“ eine Delikatesse: komisch und grotesk, liebevoll gestaltet und ausgestattet, voller aberwitziger, hinreißender Figuren und abgedrehter Dialoge. Der Cast ist bis in die kleinen Nebenrollen (Johanna Wokalek, Thorsten Merten) superb besetzt. Insbesondere brilliert in diesem komödiantischen Fest Katharina Marie Schubert als liebevolle Gattin, besorgte Unternehmerin und todsichere Schützin. Die preisgekrönte Regisseurin Emily Atef („Drei Tage in Quibéron“) zitiert in ihrem ersten „Tatort“ den Stil der Coen-Brüder. Das mag zwar grundsätzlich nicht mehr besonders originell sein, ein spannendes, zwischen Krimi, Groteske & Tragikomödie gut ausbalanciertes Vergnügen ist „Falscher Hase“ aber doch.
„Vergiss mein Ich“ erzählt von einer Frau, die plötzlich keinen Zugriff mehr hat auf das, was die Medizin als „biographisches Gedächtnis“ bezeichnet. Sie muss Dinge ihres privaten Lebens, aber auch gesellschaftliche Codes neu lernen: Gefühle, Höflichkeit, Sexualität. Anders als in den vielen Amnesie-Fernsehfilmen, die das Drama und die zweite Chance betonen, löst der zweite Kinofilm von Jan Schomburg nicht alle Widersprüche der Situation auf, mit denen die Heldin und ihr Ehemann leben müssen, sondern kostet auch ihre absurd-komischen Seiten aus. Ein präziser Film über die Bausteine des Lebens, der Kommunikation, der Liebe – über den Traum vom zweiten Leben. Und Maria Schrader in ihrer vielleicht besten Rolle!
Weil ein alternder Star ein Faible für Hochprozentiges besitzt, bekommt er bei seinem neuen Film einen Ersatzspieler an die Seite. Eine Motivationsspritze – und eine Demütigung für beide. „Whisky mit Wodka“ ist zwar in erster Linie eine Hommage an das Kino, die (Tragi-)Komödie von Andreas Dresen und Wolfgang Kohlhaase spielt aber ebenso mit der Wirklichkeit – dem Verlust der Jugend, dem Gefühl der Ersetzbarkeit, dem Narzissmus und einer sanften Melancholie, die sich über die Bilder legt. Ein perfektes Drehbuch, eine lockere Regie. Dieser leichte, vermeintlich kleine, harmlose Film steckt voller Witz & Wahrheit.
„Zeit der Kannibalen“ erzählt von drei Unternehmensberatern, die in den ärmsten Ländern der Welt unterwegs sind. Abgeschottet von der sozialpolitischen Wirklichkeit des jeweiligen Landes beleben diese modernen Menschenfresser im Schafspelz die uniformen Hotelzimmer mit Zynismus und westlicher Arroganz. Johannes Naber ist mit seinem zweiten Film ein großer Wurf gelungen: kein leichter Stoff, keine gefällige Umsetzung, Formwille und „Sinn“ gehen Hand in Hand. Es gibt viele gute Kritiken zum Kinostart 2014. Deshalb beschränkt sich tittelbach.tv zur TV-Ausstrahlung auf Auszüge aus drei Rezensionen der Qualitätspresse und Teile einer Preis-Laudatio, an der ttv maßgeblich beteiligt war.