Für viele sind Inka (Nina Weniger) und Benedikt (Christoph Waltz) das ideale Paar. Sie, erfolgreich, rundum sympathisch und ein echter Hingucker. Er, eloquent, witzig und dabei noch charmant. Sie sind eingespielt, ergänzen sich und unterstützen sich gegenseitig. Doch Inkas Schritt in die Selbstständigkeit ist der Anfang vom Ende. Benedikt neidet ihr den Erfolg, er selbst bekommt als medizinischer Forscher keinen Fuß auf den Boden. Inkas Agentur-Welt der Reichen und Schönen begegnet er miesepetrig, dauergereizt und zynisch. Das will sich die lebenslustige Frau, Mitte 30, nicht länger antun – und schlägt die Scheidung vor.
“Scheidungsopfer Mann” zeigt, wie es gehen kann in einer Beziehung, wie die Ansprüche an der Wirklichkeit scheitern und wie besondere Umstände, Stolz und verletzte Eitelkeit in intelligenten Menschen Kampfeslust und Rachsucht schüren können. Gewinnen kann bei solchen Rosenkriegen kaum einer – insbesondere, wenn sie so klug und einfallsreich sind wie das Paar in dem Film von Stefan Krohmer und Daniel Nocke. “Ich will eine Trennung mit Niveau, etwas, das uns entspricht”, sagt Inka zu Beginn, am Ende ist es eine Scheidungsschlammschlacht – diese aber tatsächlich auf intellektuell höchstem Niveau.
Foto: ZDF
„Der Film ist ernst und heiter zugleich. Christoph Waltz spielt den larmoyanten Ehemann mit einem Hauch Selbstironie, so dass wir nie das Spiel im Film vergessen. Dadurch behält die Geschichte eine fiktionale Ebene bei und verleiht ihr generelle Bedeutung. Und Nina Weniger ist geradezu eine Entdeckung als resolute und direkte, kämpferische und doch auch verletzliche Yuppie-Unternehmerin. Darüber hinaus lebt der Film von den herausragenden Dialogen, die der Realität abgeschaut sind. Sie sind treffend, präzise, schnörkellos. Die Figuren reden zur Sache oder über ihre Gefühle, Widersprüchliches bleibt im Raum stehen.“ (Michael Link in der Berliner Morgenpost)
„Der Film hat nicht den Anspruch, ein allgemein gültiges Gesellschaftsbild zu entwerfen. Es geht eher um einen speziellen Fall – und darum, das auch möglichst böse und nicht fern von Ironie hinzukriegen.“ (Stefan Krohmer)
„Ambivalenz ist das Wichtigste. Wenn der Zuschauer denkt, er hat eine Figur verstanden, musst du ihn nach 15 Minuten enttäuschen. Es gibt nichts Langweiligeres als Eindeutigkeit.“ (Stefan Krohmer)
„Schon in der vergangenen Woche haben Stefan Krohmer (Regie) und Daniel Nocke (Buch) in einer genialen Dekonstruktion des üblichen Trennungsdramas unter dem ironischen Titel „Scheidungsopfer Mann“ die Gnadensonne über dem Mann aufgehen lassen – selbst ein larmoyanter Egoist hat wunderbare Seiten … Der Rosenkrieg, den beide nun führten, arbeitete nicht nach den üblichen Regeln der Gefühlserpressung, sondern nach denen des Verstandes. Inka erlernte die Kunst der Intrige, Benedikt bediente sich der Phantasie. Sie machte ihn bei seinen Patienten mit gefälschten Berichten schlecht, er schlug ihr vor, ein Buch über die gemeinsame Trennung zu schreiben. Die Frau willigte überraschend ein, das Ende war offen, das Schicksal biss sich die Zähne aus.“ (Der Spiegel)
Foto: ZDF
Das 2002 und 2004 mit Grimme-Gold ausgezeichnete Autor/Regie-Duo hat sich bei “Scheidungsopfer Mann” weitgehend an einen realen Scheidungsfall gehalten. Ausgangspunkt war das Ende der Ehe von Produzentin Doris Zander. “Zwei gleichberechtigte Individuen lassen sich scheiden, beide verhalten sich mal mehr, mal weniger idiotisch – sprich: ver-passen sich bei dem Versuch, konstruktiv aufeinander zuzugehen”, so umschreibt die einst Betroffene die Konzeption der Filmgeschichte. Aus dem Dramamachten Drehbuchautor Nocke und Regisseur Krohmer einen Film in einer eher komödiantischen Tonlage.
Zwei denkende Wesen gefangen im Gefängnis ihrer Gefühle. Sie skizzieren den Scheidungskrieg in ihrem schnörkellosen, fast beiläufig-naturalistischen Stil als undramatische Chronik der laufenden Ereignisse. Schuldfragen spielen wie in den meisten “Ehen mit Niveau” keine Rolle. “Die Opfer-Frage hat uns nie interessiert, sondern die Menschen, die eine derart extreme Situation durchleben”, so Krohmer. Der Filmtitel ist denn auch eher ironisch gemeint. Der von Christoph Waltz mal wieder unnachahmlich gespielte Mann zieht alle Register: die Ehefrau (kaum weniger überzeugend: Nina Weniger) soll ihn seelisch krank gemacht haben. Nun ist der Ärmste arbeitsunfähig und fordert 175.000 Euro. (Text-Stand: 17.5.2004)