Deutsche Bank, Mauerfall, RAF und die Frage, wer die Macht im Kapitalismus hat: „Herrhausen – Der Herr des Geldes“ (ARD Degeto, rbb, HR, SWR / Sperl Film- und Fernsehproduktion) ist ein packendes Biopic im Stile eines historischen Thrillers. Das vielschichtige Drehbuch von Thomas Wendrich schildert die letzten beiden Lebensjahre Alfred Herrhausens, der als Vorstandssprecher der Deutschen Bank und enger Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl Ende der 1980er Jahre kräftig in der Politik mitmischt. Zugleich steht der Top-Manager für eine Zeitenwende im Bankenwesen. Oliver Masucci ist der Dreh- und Angelpunkt in einem umfangreichen, internationalen Ensemble und die perfekte Besetzung für den charismatischen Banker. Pia Strietmann inszeniert die vierteilige Mini-Serie, die im Ersten als Zweiteiler ausgestrahlt wird, als temporeichen Machtkampf auf verschiedenen Ebenen, auf der Vorstandsetage der Deutschen Bank, in den politischen Hinterzimmern und Geheimdienst-Zentralen sowie im Lager der Terroristen.
Die ARD setzt mit dem Mehrteiler „Mitten in Deutschland“ Maßstäbe. Die drei eigenständigen Filme über den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) nehmen, zeitlich und inhaltlich überlappend, drei unterschiedliche Perspektiven (Täter, Opfer, Ermittler) ein. Zum Auftakt erzählen Thomas Wendrich (Buch) und Christian Schwochow (Regie) vom Werdegang des Jenaer Trios Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zwischen 1989 und 2000, von der Wende bis zum ersten NSU-Mord. „Die Täter: Heute ist nicht alle Tage“ ist ein höchst intensives, beklemmendes Porträt der Wende-Generation. Buch und Inszenierung bleiben – konsequent bis an die Grenze zur Erträglichkeit – dicht bei den Figuren, legen Denkweisen und die sich steigernde Gewaltbereitschaft ebenso offen wie die Ratlosigkeit im Umfeld. Die Täter sind differenzierte Charaktere, doch das Verstehenwollen endet nicht im Verständnishaben. Hervorzuheben bei dem rundum beeindruckenden Gesellschaftsdrama sind die vorzügliche Kamera von Frank Lamm und Zschäpe-Darstellerin Anna Maria Mühe.
“Romeo” (2001) ist einer der besten TV-Dramen der 00er Jahre. In dem großartig gespielten ZDF-Fernsehflm von Hermine Huntgeburth nach dem glänzend recherchierten, dramaturgisch klug und voller Zwischentöne erzählten Drehbuch von Ruth Toma steht eine Sekretärin aus dem Bayerischen Innenministerium im Zentrum, die unerwartet von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Zwei Jahrzehnte hat sie für die DDR spioniert. Jetzt macht man ihr den Prozess. Ein sogenannter Romeo hatte sie zum Staatsverrat animiert – mit Charme & Potenz… Grimme-Preis gekrönt. Ein Film, der in politische Abgründe blicken lässt und der die Absurdität, wie Staatsräson mit der Banalität des Alltags verkuppelt wurde, verdeutlicht.
Ende 1989, das DDR-System bricht langsam in sich zusammen. Die Zeitenwende bringt die Freiheit, aber sie sorgt auch für große Verunsicherung. Das spiegelt sich auch im Alltag der Kupfers, die ihrer (politischen) Linie treu bleiben: da ist Martin, der Gemütsmensch, Falk, der Kämpfer und böse Intrigant, Vater Hans, besonnen, Mutter Marlene, krank und voller Sorge. Die horizontal erzählte ARD-Ausnahmeserie „Weißensee“ geht in die dritte Runde – noch dichter erzählt, thematisch noch präziser, noch spannender und mit noch größerer Sogkraft. Eine große Bereicherung ist Lisa Wagner. Top: die Event-Programmierung der ARD!
1990, die Mauer ist weg – alles scheint möglich, nichts sicher. Der Osten liegt am Boden – und der Westen forciert den Ausverkauf. Es finden die ersten freien Volkskammer-Wahlen statt. Die Treuhand wird gegründet. Immer mehr Firmen werden abgewickelt. Mit der Währungsunion kommt der warme D-Mark-Regen, danach droht die Arbeitslosigkeit, und es folgt die Abzocke durch westdeutsche Unternehmen. „Weißensee“, vierte Staffel: Auch die Kupfers bemühen sich, einen Platz im neuen System zu finden. Von den „blühenden Landschaften“ sehen sie nichts. Und dann stehen sich plötzlich Täter und Opfer gegenüber… Mit einer haltungspolitisch dysfunktionalen Familie wie den Kupfers lassen sich nun auch die Widersprüche jenes Zeithorizonts stimmig & umfassend abbilden. Viereinhalb Stunden eine kompakt erzählte Zeitenwende: so komplex wie nötig, so komprimiert wie möglich. Hier bleibt quasi die Historie in der Familie. Ein in jeder Hinsicht spannender Kraftakt, bei dem dramaturgisch & filmisch alles stimmt. Die Figuren werden komplexer, einige ambivalenter. So bekommt die Ausnahmebesetzung mehr denn je wahr(haftig)es Drama zu spielen.
Zwei Zwillingsschwestern betreiben eine anonyme Plattform, auf der sie Umwelt- und Klimaverbrechen aufdecken. Nach einem missglückten Hacker-Angriff geraten die Cyber-Aktivistinnen ins Visier der Polizei: Die eine kann flüchten und radikalisiert sich, die andere landet in U-Haft und arbeitet bald für das BKA als V-Person. In der packenden Thriller-Drama-Serie „A Thin Line“ (Paramount+) wird das politische Thema heruntergebrochen auf eine private Geschichte. Dadurch wird der Konflikt zwischen gewaltlosem Widerstand und der Bereitschaft, der Sache Menschenleben zu opfern, emotional verdichtet. Die bizarre Familien-Geschichte und das Zwillingsmotiv sorgen für eine weitere Dramatisierung. Der Sechsteiler bleibt nah an seinen zwei Haupt- und fünf tragenden Nebenfiguren, verzichtet auf Plot-Ungetüme und spekulative Wendungen. Oft reicht ein Blick auf Saskia Rosendahl und Hanna Hilsdorf: die Physis dominiert, die Bilder sprechen. Häufig zeichnet die Kamera die Befindlichkeiten der Frauen nach. Als Zuschauer kommt man nicht umhin, die Haltungen im Film moralisch zu werten. Dennoch bleibt man trotz aller emotionaler Spannungen eher Beobachter als Nur-Mitfühlender. Das liegt vor allem am Grundton der Serie, die die Sinnlichkeit des Genrekinos eindrucksvoll mit einer Arthaus-Aura kombiniert.
„Charité“, die zweite. Der Schauplatz ist derselbe, aber die Serie (MDR, ARD Degeto / UFA Fiction) ist es nicht mehr. Vom „Dreikaiserjahr“ 1888 in Staffel eins geht es mit neuen Figuren und neuen Geschichten direkt in den Zweiten Weltkrieg. Und: Es wird dramatischer und packender. Eine angehende Ärztin und überzeugte Nationalsozialistin kämpft um das Überleben ihrer neugeborenen, behinderten Tochter. Mediziner wie der Chirurg Ferdinand Sauerbruch leisten hervorragende Arbeit und stehen doch im Dienste eines mörderischen Unrechtsregimes. Es geht um den Alltag in einem Lehr-Krankenhaus im Krieg, um Euthanasie, homosexuelle Liebe, um Denunziation, Spionage und Widerstand. Die ambitionierte, aufklärerische Serie entwirft ein facettenreiches Zeitbild mit einer gut aufeinander abgestimmten Mischung aus erfundenen Figuren und Figuren nach realen Vorbildern. Glänzend Ulrich Noethen und Mala Emde in den beiden Hauptrollen.
Emmy-Preisträgerin Anna Schudt in der Titelrolle eines exzellenten, gesellschaftspolitischen Dramas: Der Film „Die Bürgermeisterin“ (ZDF / Network Movie) handelt von einer engagierten, ehrenamtlich tätigen Lokalpolitikerin, die zur Zielscheibe des Hasses wird, weil in ihrem Ort ein Flüchtlingsheim eingerichtet werden soll. Gesellschaftlicher Sprengstoff also, der sich „im Kleinen“, im Nahbereich der lokalen Ebene, offenbart. Autor Magnus Vattrodt und Regisseurin Christiane Balthasar erzählen eindringlich, wie die Bedrohung das Familienleben belastet, wie Misstrauen und Furcht das Klima im Alltag und in der politischen Arbeit vergiften. Kein plumpes Lehrstück, kein künstlich aufgeblasenes Drama, sondern ein ebenso kluger, realistischer wie hochemotionaler, physisch bedrückend inszenierter Film zur rechten Zeit. So sieht ambitionierte, gesellschaftlich relevante Fiktion aus.
Vom schmutzigen Geschäft Politik, von der Droge der Macht und wie sie die Menschen verändert, erzählt die ARD-Mini-Serie „Die Stadt und die Macht“ von Friedemann Fromm („Weißensee“). Berlin als Nabel der Republik, als Spiegelbild der sich verändernden Verhältnisse. Die alten Männer gehen, die Frauen kommen, die Töchter zeigen es den Vätern. Da ist ein bisschen Wahrheit und viel Fiktion dabei. Gut so. Ab Folge 2 wird „Klartext“ geredet und es entsteht ein Wahlkampfszenario, das angetrieben wird von familiären Konflikten, von Krimithriller-Momenten und einem Polit-Ränkespiel. Als köstliche Zugabe gibt es von Brambachs Wahlkampfguru Nachhilfe in Kampagnen-Psychologie. Auch Thieme & Klaußner sind eine vortreffliche Wahl und Anna Loos wächst gut in die Hauptrolle!
„Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution“ (MDR, Degeto, BR / UFA Fiction) schildert ein bislang kaum erzähltes Kapitel der ostdeutschen Geschichte der 1980er Jahre. Der poetisch-kraftvolle Titel wurde von Peter Wensierskis faktenreichem Sachbuch übernommen. Der renommierte Autor Thomas Kirchner hat es für sein Drehbuch frei fiktionalisiert. Um die Umwelt zu retten, mussten die jungen Leute den Staat stürzen, bringt es Kirchner auf den Punkt. Aus einer kirchlichen Umweltgruppe wurden politische Aktivisten. Erfreulicherweise wird auf eine übermäßige Dramatisierung des Stoffs verzichtet. Das Unrecht des Staates schwingt zwar mit, aber im Zentrum stehen die jungen Bürgerrechtler. Emotional getragen wird „Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution“ entsprechend von der jugendlichen Euphorie der Bewegung, der mit großer Sympathie begegnet wird. Indem Kirchner & und Regisseur Andy Fetscher auch den jugendlichen Leichtsinn „authentisch“ nachzeichnen, legt sich die titelgebende Leichtigkeit der Revolution über die Geschichte und lässt so das Naiv-Konventionelle an der Heldengeschichte vergessen. Entsprechend mitreißend spielt Janina Fautz die weibliche Hauptfigur als frech-frische Verkörperung des Prinzip Hoffnung.
Europa ist in der Serie „Eden“ natürlich kein Paradies, sondern ein bunter, vielgestaltiger Schicksalsort, an dem Menschen, Kulturen, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenfließen: Ein Jugendlicher aus Nigeria ist auf dem Weg zu seinem Traumziel England. Ein deutsches Ehepaar nimmt einen jungen Syrer bei sich auf. Eine französische Geschäftsfrau kämpft um den Zuschlag, weitere Flüchtlingslager betreiben zu dürfen. Zwei griechische Wachleute kämpfen mit ihrer Schuld. Und auch ein syrisches Ehepaar nimmt die Last der Vergangenheit mit ins Pariser Asyl. Von der Zuwanderung nach Europa, einem der großen politischen Themen der vergangenen Jahre, wird in der Serie „Eden“ (SWR, Arte, Degeto / Lupa Film, Atlantique Productions, Port au Prince) vielschichtig, sorgfältig und spannend erzählt. Die sechs Folgen à 45 Minuten spielen durchgehend an verschiedenen Schauplätzen und bieten einen ständigen Wechsel der Perspektiven. Trotzdem bleibt es überschaubar und verständlich, keine Figur wird vorgeführt oder dient nur der Illustration einer These, alles ergibt sich aus den Geschichten der Protagonisten. „Eden“ rückt den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt, ohne naiv & oberflächlich zu sein. Kein „Euro-Pudding“, sondern ein Ergebnis einer erstklassigen deutsch-französischen Kooperation.
Eine Ehefrau plant Rache. Sie begeht Selbstmord, rennt ins Auto ihres Mannes. Den möchte sie für die Nachwelt zum Mörder stempeln. Der aber nimmt den besten Anwalt – und so stehen trotz des belastenden Tagebuchs der Toten die Karten nicht schlecht für den Angeklagten… „Freier Fall“ ist ein perfektes Psychokammerspiel: Das Drehbuch nach dem Roman von Bernd Sülzer ist psychologisch präzise, dicht und dramaturgisch intelligent ausbalanciert zwischen kurzen, hingetuschten Szenen und langen, intensiven Zwiegesprächen. Keine beliebigen Motive, keine losen Handlungsfäden – alles fügt sich. Die Sprache, von der der Film weitgehend getragen wird, ist kompakt & stilisiert. Grimme-Preis-gekrönt!
„Landgericht“, der 2012 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnete Roman von Ursula Krechel, wurde mit Johanna Wokalek und Ronald Zehrfeld in den Hauptrollen für das ZDF eindrucksvoll verfilmt. Der Zweiteiler, der den Lebensweg eines jüdischen Richters, seiner Frau und deren zwei Kinder über drei Jahrzehnte sorgfältig ausbreitet, ist kein stereotypes „Event“-TV. Regisseur Matthias Glasner inszeniert nach einem herausragenden Drehbuch von Heide Schwochow altmodisch, ohne schnelle Schnitte und hektische Kamerafahrten, und wird damit der besonderen Tragik des Stoffs gerecht. „Landgericht“ erzählt von dem Prozess der langsamen Entfremdung einer Familie, die gewaltsam getrennt wird und den Kontakt zueinander verliert. Eine Literaturverfilmung, der die Kunst der Auslassung gelingt.
Zum Abschluss ein Thriller mit Verschwörungs-Touch: In „Nur für den Dienstgebrauch“, dem erneut stark besetzten dritten Film des NSU-Mehrteilers „Mitten in Deutschland“, suchen Florian Lukas und Sylvester Groth als Zivilfahnder aus Thüringen fieberhaft nach dem untergetauchten Trio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe. Eine Sisyphos-Arbeit, denn sie werden immer wieder ausgebremst und behindert vom Verfassungsschutz, der über seine V-Leute tief verstrickt ist in die Neonazi-Szene. Das spannende Finale wirft einen finsteren Blick auf das Versagen der Behörden und den Ost-West-Konflikt der Nachwendezeit.
In Teil 2 der ARD-Trilogie über die NSU-Morde steht die Opfer-Perspektive im Zentrum. Konkret: die Geschichte der Familie des ersten Opfers Enver Simsek, die von der Polizei überwacht und verdächtigt wird. Doch im „Opfer-Film“ steht kein klassisches Opfer, sondern eine selbstbewusste, starke Frauen-Figur im Mittelpunkt. „Vergesst mich nicht“ beruht auf dem Buch von Tochter Semiya, die zu einer prominenten Stimme der Opfer-Familien geworden ist. Der Film ist eine emotionale Erinnerung an den geliebten Vater, eine beklemmende Schilderung der Polizei-Ressentiments und das fein gezeichnete Bild einer deutsch-türkischen Familie. Herausragende Hauptdarstellerinnen, ausgezeichnetes Drehbuch und eine sorgfältige Inszenierung. Ein Film über Ausgrenzung, der wütend macht.
Nach einem Unfall ergibt sich für einen ausgebrannten Provinzpolitiker die Chance auf einen Neuanfang – mit seiner Frau, die an seiner Seite in den letzten Jahren immer einsamer geworden ist. Aber wird er einen solchen Bedeutungsverlust verkraften können? Vom Getrieben-Sein eines politischen Kleindarstellers erzählt Hartmut Schoens ARD-Fernsehfilm „Unverschämtes Glück“. Das Schmierentheater der Provinzpolitik ist die gut recherchierte Bühne für ein Drama, das offen ist für viele Hamsterräder und Ehegeschichten dieser Welt. Ein Film, der in Bildern erzählt. Und Schauspieler, die nicht viel Worte machen müssen!
DDR 1980, ein Vopo und eine Dissidententochter lieben sich. Die Familien und Vater Staat versuchen, wo es nur geht, die Verbindung zu boykottieren. „Weißensee“ ist Familienserie, zeitgeschichtlichtliches Drama und vor allem ein ganz großes Schauspielerereignis. Das Casting ist bis in die kleinste Nebenrolle perfekt. Der Sechsteiler von Friedemann Fromm wagt große Gefühle und besticht durch kleine, intensive Szenen und einen unaufdringlichen Ausstattungsrealismus. Der Vorwurf der „Vermenschlichung“ der Täter ist so alt wie das Abbildmedium Film – und greift bei dieser viel zu gut gemachten ARD-Serie nicht.
Die ARD-Ausnahmeserie „Weißensee“ geht weiter. Die Liebe bekommt eine neue Chance. Doch ist sie realistisch in einem menschenverachtenden politischen System? Auch andere Happy Ends kann es längerfristig unter dem Dach des DDR-Regimes kaum geben. Auch Staffel 2 bleibt sehr handlungsintensiv, schicksalsträchtig, spannend und bewegend. Zugleich wirkt die Fortsetzung noch weniger wie eine Unterhaltungsserie, die sechs neuen Folgen sind ernsthaft dramatischer & politisch glaubwürdiger als Staffel 1. So geht deutsche Serie!
„Am Ende kommen Touristen“ gelingt es, Auschwitz und das Undarstellbare ohne Betroffenheitsposen darzustellen. Indem Thalheim die Geschichte aus der Perspektive eines jungen Mannes erzählt, kann der Autor-Regisseur sich den Phänomenen unvoreingenommen nähern. Thalheim erzählt in einem nüchternen, fast dokumentarischen Stil vom Dilemma des Gedenk-Tourismus, ohne selbst dem Dilemma eines Gedenk-Films zu erliegen.
Edin Hasanovic gelingt in „Brüder“ das Bravourstück, die Wandlung eines gelangweilten Informatikstudenten aus Deutschland zum IS-Kämpfer glaubhaft zu verkörpern. Wie dieser Schritt für Schritt in die islamistische Szene gerät, sich die Rituale aneignet und schließlich konvertiert, wird im ersten Teil sorgfältig und authentisch erzählt. Zwiespältig sind die in Marokko gedrehten Szenen von der brutalen Herrschaft des Islamischen Staats. Der temporeichere zweite Teil wird zu einem packenden Thriller um einen IS-Rückkehrer. Der Handlungsstrang um Jans Mitbewohner und seine syrische Familie versandet dagegen.