Sven hätte lieber in Amsterdam seinen Zivildienst abgeleistet. Jetzt ist er im polnischen Oswiecim gelandet – dem Ort, der unter dem Namen Auschwitz traurige Berühmtheit erlangte. In der Begegnungsstätte des Museums betreut er Jugendgruppen und muss sich um den KZ-Überlebenden Krzeminski kümmern, der als letzter ehemaliger Häftling noch am Lager lebt, wo er jahrelang fürs Museum tätig war und mit Besuchern über seine Erlebnisse spricht. Es ist ein eigenwilliger, störrischer alter Mann. Sven findet nur schwer Zugang zu ihm. So wie ihn überhaupt Vieles befremdet an dieser Stätte des Erinnerns. Da kommen täglich die Busse mit Touristen, und die Rituale des Gedenkens werden abgespult. „Alle machen auf Betroffenheit“, sagt Sven zu Ania, einer Dolmetscherin, in die er sich verliebt hat. Auch Krzeminski stößt gelegentlich seine Rolle als Vorzeige-KZ-Insasse auf. „Wir wurden nur bewertet nach unserer Verwertbarkeit“, beschreibt er in einer Rede die Situation der Selektion. Das wird ihm nicht noch einmal passieren!
„Am Ende kommen Touristen“ (Trailer) gelingt es, Auschwitz und das Undarstellbare ohne Betroffenheitsposen darzustellen. Indem Robert Thalheim („netto“) die Geschichte aus der Perspektive eines jungen Mannes erzählt, der sich eher leidenschaftslos „dem Ort, wo das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte passiert ist“, nähert, kann der Autor-Regisseur sich den Phänomenen unvoreingenommen öffnen. Sein Held lässt sich nicht beeindrucken vom bösen Mythos Auschwitz. Der Respekt dem Einzelnen gegenüber ist ihm näher als die oftmals instrumentalisierte symbolische Kollektivkraft dieses Ortes. Sensibel beobachtet er die eingespielte Routine der Vergangenheitsbewältigung, er bekommt deutsch-polnische Vorurteile zu spüren, wird ausgelacht („Ein Deutscher ohne Uhr!“), zum „Diener“ degradiert und gerät zwischen die Fronten an diesem politisch hoch sensiblen Ort.
Thalheim erzählt vom Dilemma des Gedenk-Tourismus, ohne selbst dem Dilemma eines Gedenk-Films zu erliegen. Klug geht er den Weg über ein Adoleszenzdrama und wählt einen nüchternen, ausschnitthaften, fast dokumentarischen Stil mit einer behutsamen Handkamera und einer gesprochenen Sprache. Unaufgeregt ermöglicht er dem Zuschauer einen Diskurs, der mehr als nur gut gemeint ist und der mit seiner leisen Kritik an der musealen Infrastruktur das Projekt Begegnungsstätte keineswegs in Frage stellt. „Es liegt etwas Befremdliches darin, dass an einem Ort der Verbrechen des Nationalsozialismus’ heute Touristenbusse vorfahren und sich Leute vor dem Tor ‚Arbeit macht frei’ fotografieren“, befindet Thalheim. „Andererseits ist es wichtig, dass dieser Ort besucht wird und nicht in Vergessenheit gerät.“ So wird aus Thalheims Film „kein Kraftakt gegen das Vergessen, sondern ein kleiner lustvoller Film gegen das Verblassen der Erinnerung“, wie Spiegel Online schrieb.