Einzigartiger Name + Trauma = Superheldin. So denkt sich Amelie ihre fabelhafte Welt. „Angemessen Angry“ (Studio Zentral), so der Titel dieses RTL-Serien-Nachwuchsprojekts, bringt die Stimmungslage der Heldin, die vergewaltigt wird und mit Superkräften ausgestattet ihren Kampf gegen sexuell übergriffige Männer aufnimmt, präzise auf den Punkt. Es war an der Zeit, nach Ausnahme-Dramen wie „Nichts, was uns passiert“ oder „37 Sekunden“ endlich auch hierzulande das Thema Vergewaltigung an ein populäres Genre zu übertragen, es zielgruppengerecht als Dramedy, also ernsthaft & leicht zugleich, zu erzählen. Noch erfreulicher ist das großartige Ergebnis! „Angemessen Angry“ ist dicht, stringent und steckt voller origineller Ideen. Filmisch überzeugt die fünfteilige Serie ebenso: keinerlei Leerlauf, und jede zweite Szene ein Knaller. Auch die Besetzung kann sich mehr als sehen lassen.
Erneut erweist es sich als Glücksfall, dass das ZDF dem renommierten Kameramann Ngo The Chau vor einigen Jahren mit „Schneewittchen und der Zauber der Zwerge“ die erste Regiearbeit ermöglicht hat. Seine vierte Weihnachtsperle, „Das Märchen vom Frosch und der goldenen Kugel“, ist ein über weite Strecken mitreißend und modern inszeniertes optisches Spektakel, das die Romanze zwischen dem hier bloß vermeintlichen Königssohn und der schönen Prinzessin auf völlig neue Weise erzählt: aus der Perspektive des Froschs. Die Besetzung der beiden männlichen Hauptrollen ist mutig und unkonventionell, aber erstklassig, die visuellen Effekte & die Musik sind kinotauglich; ein Genuss für ein Publikum jeden Alters, das sich kindliche Freude an solchen Geschichten bewahrt hat.
Weil die Sehnsucht nach einem weniger beschwerlichen Leben nicht stirbt, gehört „Das Märchen vom Schlaraffenland“ zu den zeitlosesten Erzählungen des Genres. Der Ort sorgloser Glückseligkeit erweist sich allerdings als ein oberflächliches Reich der Gleichförmig- und Gleichgültigkeit, der Faulheit und des exzessiven Konsums. Die Handlung ist überaus reich an sozialen Lesarten und steckt auch im Detail voller Konnotationen. Die Darbietung dieser Geschichte einer verspielten Liebesanbahnung als knallbunte, kinderaffine Wunderland-Fabel macht diese Verfilmung zu einem echten Familienprogramm. Die Gewerke liefern durchweg bemerkenswerte Arbeit und Klara Deutschmann ist eine Entdeckung.
„Mysterium“ (BR, Kika / TV60 Film) ist viel zu gut, um die Serie allein der Zielgruppe des Kinderkanals zu überlassen: Marcus Roth & Niklas Weise, Schöpfer der ähnlich sehenswerten BR-Jugendserie „5vor12“, erzählen in ihrem jüngsten Werk von vier Teenagern, die in einer ausgestorbenen Parallelwelt gefangen sind. Die clever konzipierten, reizvoll verschachtelten acht Folgen lassen lange offen, wie das Quartett in die Spiegelwelt gelangt ist. Das Konzept erinnert an Filme, in denen Kinder oder Jugendliche in ein Video- oder Computerspiel geraten. Der Aufwand von „Mysterium“ ist mit dem einer Kinoproduktion natürlich nicht zu vergleichen, aber das macht die Serie durch Einfallsreichtum und Sorgfalt im Detail wieder wett. Ihr Reiz resultiert ohnehin ähnlich wie einst bei „Twin Peaks“ nicht zuletzt aus der Lust am Miträtseln. Deshalb ist das Ende, das vieles unbeantwortet lässt, eher unbefriedigend.
Elli kämpfte jahrelang gegen den Krebs, bis sie keine Kraft mehr hatte für Klinik und Chemo. Ihre besondere Hinterlassenschaft für die Familie ist ein Koffer voller Nachrichten, kleine Videos, auf Sticks gespeichert und nach Themen sortiert… Die alltagsnahe, top besetzte Serie „Nachricht von Mama“ (Pyjama Pictures) ist seit Längerem mal wieder ein fiktionales Lebenszeichen von Sat 1. Themen wie Tod und Umgang mit dem Sterben, Krankheit, Erwachsenwerden und (die Formen der) Liebe werden ebenso ernsthaft wie locker angeschnitten und gut verträglich auf die acht Episoden verteilt. Die weibliche Hauptfigur ist tot und lebt doch weiter, ja, sie ist das souveräne Zentrum der Erzählung. Dramaturgisch und (wahrnehmungs)psychologisch das A&O dieser von Felix Binder und Suki Maria Roessel frisch und temporeich inszenierten Serie ist die Idee, Videos der Toten und erinnernde subjektive Rückblenden in die gegenwärtige Handlung zu integrieren. Dieser Retro-Blick verdichtet die Geschichte: Das Bild der Familie wird kompletter, die Narration komplexer und die Gefühle gebrochen. „Nachricht von Mama“ ist kein spekulativer Ins-Taschtuch-Heuler, sondern eine horizontal strukturierte Serie, die lebensklug und mit emotionaler Intelligenz aus dem Innenleben einer vom Verlust der Mutter gebeutelten Familie erzählt.
Die Verfilmung von Kerstin Giers Jugendbuch ist ein optisch überaus beeindruckender Film über fünf Jugendliche, die sich auf ein gefährliches Spiel einlassen. Heldin der Geschichte ist eine von Jana McKinnon vortrefflich gespielte junge Deutsche: Liv wird in London eher zufällig Mitglied einer Gruppe, die in die Träume anderer reisen kann und einen Weg gefunden hat, wie sich ihre sehnlichsten Wünsche erfüllen; die Sache hat jedoch einen lebensgefährlichen Haken. Auch die weiteren jungen Mitwirkenden machen ihre Sache prima, aber sehenswert ist „Silber und das Buch der Träume“ (Prime Video / Constantin Film) vor allem auch wegen der herausragenden visuellen Effekte.
Die Idee vom traurigen Gespenst, das auf ewig zum Spuken verdammt ist und von einem Kind vom Fluch erlöst wird, hätte Hollywood nicht besser erfinden können. Isabel Kleefeld hat sich die Geschichte im Übrigen nicht selber ausgedacht, sondern Oscar Wilde, und filmisch stand der Kinogeist „Casper“ Pate. Friede-Freude-Eierkuchen-Märchen und ein sehr gelungener Versuch, ein vergessenes Kinogenre für den Bildschirm zu reaktivieren.
Viele Wege führen ins Jenseits, aber manchmal genügt es auch, kurz die Augen zu schließen: Mark, der 16jährige Held der Amazon-Prime-Serie „Der Greif“ (W&B Television, Dog Haus), ist ein Weltenwanderer, der seinem älteren Bruder in das Reich des „Schwarzen Turms“ folgt, um ihn aus dem Klauen des Titelmonsters zu retten. Das Drehbuch von Erol Yesilkaya basiert auf dem bereits 1989 erschienenen Jugendbuchklassiker des Ehepaars Hohlbein, aber der Autor hat die Geschichte bei seiner freihändigen Adaption neu erfunden. Die sechs Episoden richten sich ohnehin an ein Publikum, das jung im Herzen geblieben ist: Einige Szenen sind recht brutal und grausig anzuschauen. Gerade die jugendlichen Mitwirkenden stoßen mitunter an ihre Grenzen, doch die visuellen Effekte und die Kreaturen sind sehr überzeugend.
Um sich gegen die mittlerweile 51 Märchen des ARD-Labels „Sechs auf einem Streich“ zu behaupten, öffnet sich die ZDF-Marke „Märchenperlen“ mit seinen 90-Minütern in Richtung moderner Fantasyfilm. In „Die Hexenprinzessin“ (Provobis) werden die realen Szenen im Schloss und in der freien Natur aufgemischt von künstlich erzeugten Bilderwelten inklusive monströser Special Effects. Warmes Kerzenlicht dominiert die Innenräume, während das Hexenreich in kalten Farben und bizarren Formen gemalt ist. Regisseur/Kameramann Ngo The Chau sowie Cutter Felix Schekauski haben ganze Arbeit geleistet. Auch die Besetzung und die diversen Charaktere sind Pluspunkte des Films. Mag der Hokuspokus auf der Zielgeraden auch ein bisschen zu viel des Guten sein, entspricht doch das filmische Spektakel der Geschichte mit ihren Verwandlungen und Transformationen, mit ihren Kämpfen und der fluiden Blaublütigkeit. Allein der deutlich überdimensionierte Score ist grenzwertig; gegen ihn hat die kindliche Phantasie keine Chance. Insgesamt aber gibt es genügend ruhige, humorvolle oder gebrochen romantische Szenen, die für Entspannung und Entlastung sorgen.
Hollywood hätte sie sich nicht besser ausdenken können: jene Heldengeschichte vom mutigen Schmied, der ein Königssohn ist, der den Drachen besiegt und zurückkehrt mit einem verfluchten Schatz. Über 60 Prozent der Szenen liegen digitale Effekte zugrunde. Selbst die Drehorte hatten nichts mit den Originalschauplätzen der Sage zu tun. Dafür ist Siegfried ein Kämpfer aus Fleisch und Blut: Benno Fürmann überzeugt – wie auch Kristanna Loken als Brunhilde. Ein düsteres Spektakel, sehr physisch, ohne philosophischen Subtext.
„Engel mit beschränkter Haftung“ (BR, ORF / Cult Film) ist eine originelle Tragikomödie mit Harald Krassnitzer als Schutzengel, dem kurz vor der Pensionierung ein fatales Missgeschick unterläuft, weshalb ihm das Paradies vorerst verwehrt bleibt. Immerhin bekommt er eine Chance auf Wiedergutmachung. Allerdings soll er ausgerechnet einen Drogendealer beschützen und nebenbei auch noch seine Nachfolgerin ausbilden. Die Kombination alter Eigenbrötler und aufmüpfige junge Frau birgt nicht nur Zündstoff, sondern auch viel komisches Potenzial. Diese heitere Note behält der Film von Dirk Kummer (Regie) und Uli Brée (Buch) selbst dann noch bei, als es im letzten Akt unversehens spannend wird.
„Mysterium“ (BR / TV60) war im vergangenen Jahr die interessanteste deutsche Kinder- und Jugendserie seit Langem: In der clever konzipierten und reizvoll verschachtelten Geschichte sind vier Teenager in einer Parallelwelt gefangen. Die Tür in dieses menschenleere Jenseits ist ein mannshoher Spiegel, doch der Rückweg ist ihnen versperrt. Die achte Folge endete mit vielen Fragezeichen. Einige dieser Fragen werden nun auf verblüffende Weise beantwortet, aber die Fortsetzung wirft viele weitere auf. Die Handlung von Staffel eins lebte neben der Rätselhaftigkeit vor allem von der gerade für öffentlich-rechtliches Kinderfernsehen innovativen Kraft. Diesen Reiz können die neuen Folgen naturgemäß nicht mehr setzen. Besonders eindrucksvoll ist allerdings nach wie vor der sehr spezielle Look der Serie.
Nelly hat null Bock auf einen gemütlichen Heiligabend. Arbeit ist für sie die beste Medizin gegen ihren Weihnachtsekel. Sie träumt von einer ruhigen Nacht an der Tanke, mit Motoröl-Geruch & Neonlicht statt Kerzen & Lametta. Doch zwei Sonnyboys vermasseln ihr die Tour. Es dauert dennoch lange, bis die missmutige Titelfigur in dem ZDF-Pulswärmer „Nelly und das Weihnachtswunder“ (Conradfilm, Bavaria Fiction) aus ihrer Haut kann. Je länger dieses verquere Road-Movie dauert, umso mehr erfährt der Zuschauer von den jahrelangen Leiden der Hauptfigur. Diese soziale Erdung ist ein schöner Gegenpol zu den märchenhaften Wendungen, die die Geschichte nimmt. Die Selbstfindungs-Mär von Katja Benrath nach dem Drehbuch von Norbert Eberlein ist ein soziales Märchen, das die Gemeinschaft, die Kraft des positiven Denkens und die vermeintlichen Außenseiter feiert – weihnachtlich naiv, aber ohne Gefühlsduselei und allzu dicken Zuckerguss. „Herzkino“ vom Feinsten.
Wie kommt der Chef in die Handtasche seiner Assistentin? Kein großes Ding. Wer so arrogant, die Mitarbeiter klein macht, hat es nicht anders verdient. „Großer Mann ganz klein“ bedient sich der Zeitgeist-Metapher von der Frau, die den Mann in die Tasche steckt, und bastelt eine kurzweilige Komödie daraus. Felicitas Woll und Stephan Luca machen mächtig Werbung fürs eigene Geschlecht. Drollige Situationen und vorzügliche Tricktechnik!
Nostalgiker werden vermutlich der Meinung sein, dass der tschechisch-deutsche Kinderfernsehklassiker „Pan Tau“ (WDR, MDR / Caligari) keine Neuauflage bräuchte. Außerdem ist „Pan Tau“ 2.0 mit unübersehbarem Blick auf den Weltmarkt produziert worden: Mit Ausnahme einiger prominenter deutscher Gastdarsteller ist die Besetzung ausschließlich englischsprachig, was die Serie zwangsläufig synchronisiert klingen lässt. Andererseits verleiht Hauptdarsteller Matt Edwards der Titelfigur einen sympathischen altmodischen Charme. Außerdem verblüffen die in sich abgeschlossenen Episoden immer wieder durch ihre Effekte. Die Qualität der verschiedenen Geschichten ist allerdings recht unterschiedlich; nicht alle sind so eindrucks- und fantasievoll wie die Doppelfolge zum Auftakt.
Holger Haases amüsanter Genre-Mix „Robin Hood & ich“ erweitert das Repertoire der übersinnlichen Komödien um das Motiv der Zeitreise: Der berühmte Rächer von Witwen und Waisen findet sich unversehens im 21. Jahrhundert wieder. Pasquale Aleardi verkörpert den Schrecken des Sherwood Forest mit spürbarer Spielfreude und großer Hingabe. Da dürften nicht nur die Mädels im Film hin & weg sein. Auch Sat-1-Gesicht Nadja Becker ist eine gute Ergänzung. Ein gutgelaunter, harmloser Wohlfühlfilm, gut besetzt bis in die Neberollen.
Bis dass der Tod euch scheidet. Daphne und Tom bringen es ja nicht einmal bis zum Standesamt. Frontalzusammenstoß mit einem Laster. Jetzt müssen sie als Engel, Menschen auf ihrem letzten Gang begleiten. Stimmungsvolle, gut besetzte Romantic Comedy mit Fantasy- und einem Hauch Lubitsch-Touch. Und der Himmel kann nicht warten.
Wie bei den Follett-Verfilmungen liegt der Reiz des Zweiteilers „Das verlorene Labyrinth“ in der authentisch wirkenden Rekonstruktion mittelalterlicher Zu- und Missstände; ein bisschen Erotik, finstere Komplotte, Meuchelmorde sowie diverse blutige Schlachtenbilder inklusive. Die große Stärke dieser abenteuerlichen TV-Mär ist die Bildgestaltung (Kamera: Robert Humphreys). Das Licht bei den Innenaufnahmen erinnert an die Gemälde alter Meister. Dafür gibt es Schwächen bei den Schauspielern & die Ästhetik wirkt austauschbar. Für Fans!
„Das Wunder von Loch Ness“ beginnt wie eine dieser Komödien, in denen Kinder für ihre alleinstehenden Eltern einen Partner suchen. Doch dann wird’s abenteuerlich und die Handlung setzt auf Effekte. Das funktioniert, weil die Figuren gut eingeführt worden sind. Sogar eine animierte Hauptfigur wird stimmig zum Leben erweckt. Ein Kinderfilm für die ganze Familie, der sicher zwischen den Genres und Tonlagen jongliert. Nettes Popcorn-Pantoffelkino!
Anfang der 00er Jahre hatten Liebesengel im TV-Movie Konjunktur. Die phantastisch angehauchte, souverän inszenierte Romantic Comedy “Dich schickt der Himmel” sorgt für gute Unterhaltung. Ein harmloser Wohlfühlfilm mit feinen, kleinen Effekten, mit einem großartig aufspielenden Max Tidof und der mädchenhaften Laura Tonke.