Nelly (Anna Schudt) hat null Bock auf einen gemütlichen Heiligabend. Arbeit ist für sie die beste Medizin gegen den Ekel, den sie verspürt, wenn Sie nur an Weihnachten denkt. Erst liefert sie als Paketbotin die letzten Geschenke aus, dann will sie sich einen schönen Abend machen in ihrem Zweitjob an der Tankstelle, mit Motorölgeruch & grellem Neonlicht statt Kerzen & Lametta. Doch daraus wird nichts. Dafür sorgen Sonny (Rafael Gareisen), ein junger Mann aus gutem Hause, der vom Familien-Heiligabend ausgeladen wird, und Nick, ein kleiner, stummer Junge (Joah Lion Goetzke), der plötzlich an der Tanke auftaucht. Der eine beklaut Nelly, der andere schaut sie nur mit seinen großen Kinderaugen an. Erweichen lässt sich die übelgelaunte Weihnachtshasserin aber noch lange nicht. Auf der Suche nach Nicks Zuhause geht es erst mal quer durch Köln. Dabei trifft Sonny in einer Kneipe eine liebe Bekannte (Katja Hutko) aus besseren Tagen, und Nelly begegnet ihre einzige Freundin, zu der sie Anfang des Jahres den Kontakt abgebrochen hat. Erst in der Eissporthalle bringen Erinnerungen an ihre Kindheit Nelly auf den richtigen Weg. Sie strahlt, kann wieder lachen, und es beunruhigt sie auch nicht weiter, was eine seltsame Taxifahrerin (Cornelia Lippert), ein Weihnachtsbaumverkäufer (Lenn Kudrjawizki) und – nomen est omen – Tattoo (Sahin Eryilmaz) mit ihrer Tanke angestellt haben.
Es dauert lange, bis die missmutige Titelfigur endlich aus ihrer Haut kann. In dem ZDF-„Herzkino“-Pulswärmer „Nelly und das Weihnachtswunder“ ist sie der Geist, der alles Gutgemeinte stets verneint, während Sonny, der auch beste Gründe hätte, auf das Leben sauer zu sein, nach jedem Tiefschlag wieder einen Grund zum Strahlen findet. Erst demütigen ihn seine Schwestern, dann ist es immer wieder Nelly, deren rabiater Umgang mit dem kleinen Nick ihn mehr verletzen als den Jungen selbst, der stoisch alles zu ertragen scheint. Doch dieser Sonny scheint mit seiner aufmerksamen, mitfühlenden Art von innen heraus zu leuchten. Rafael Gareisen vermittelt dies immer wieder eindrucksvoll, während Anna Schudt wunderbar schnoddrig ihre Miese-Petra verkörpert. Das verheißungsvolle „Es ist Weihnachten“ vom allseits beliebten Radiomoderator Olli (Tom Beck) quittiert sie mit „Schnauze!“ – und drückt den Aus-Schalter. Und auf Sonnys Frage, „Was ist das Teuerste, was Sie hier verkaufen?“, erwidert Nelly prompt: „‘ne Tankfüllung“. Dass es weit über eine Stunde dauert, bis diese vom Leben enttäuschte Frau ihre grantige Art langsam ablegt, und noch länger, bis sie ihr Weihnachtswunder erlebt, und dass das Gegensatzpaar negativ/positiv von Schudt und Gareisen so locker in den Hintergrund gespielt und mit Leben erfüllt wird, das gehört zu den liebenswerten Besonderheiten des Films.
Soundtrack: Mariah Carey („All I Want For Christmas Is You“, „Wham („Last Christmas“), Chris Rea („Driving Home To Christmas“), Joni Mitchell („River“), Queen („Thank God, It’s Christmas“), Elisabeth Kaplan („A Single Christmas“)
„Was sind Sie eigentlich für eine Frau?“, fragt Sonny einmal, denkt es aber wohl ständig. Der Film von Regisseurin Katja Benrath („Ein Wahnsinnstag“) nach dem Drehbuch von Norbert Eberlein („Beat“) gibt nach und nach Antworten. Je länger dieses verquere Road-Movie dauert, das in einem formschönen Sixties-Mercedes beginnt, endet und zu Fuß in Richtung Höhepunkt – sprich: besagter Eissporthalle-Szene – steuert, umso mehr erfährt der Zuschauer von den stillen Leiden der Hauptfigur, die mit ihrer verstorbenen, lange Zeit schwerkranken Mutter zu tun haben und die keineswegs unrealistisch klingen. Diese soziale Erdung ist ein schöner Gegenpol zu den märchenhaften Wendungen, die die Geschichte nimmt. Auch der so planlose Ronny erinnert sich an seine bisher glücklichste Lebensphase und erkennt, was seine Bestimmung ist. Das kann doch alles kein Zufall sein, sagt er sich. Natürlich nicht. Man muss kein Weihnachtsfilmkenner sein, um zu ahnen, dass dieser Nick kein gewöhnliches Kind ist. Nelly sagt es ja oft genug: „Der Junge ist nicht normal“; sie meint das klinisch. In Wahrheit aber sucht Nick kein Zuhause, sondern dieser besondere Junge leuchtet den anderen – im ursprünglichen Wortsinn – heim; ob als göttlicher Himmelsbote oder surrealer Wunderknabe, das liegt im Auge des Betrachters.
„Nelly und das Weihnachtswunder“ ist ein soziales Märchen, das die Gemeinschaft, die Kraft des positiven Denkens und vor allem die vermeintlichen Außenseiter feiert, die Zukurzgekommenen, die, die von anderen Menschen unter Druck gesetzt werden, die, die ihre Liebe verloren haben und die, die möglicherweise vergeblich lieben. Der von Nelly zu Unrecht verabscheute Radiomoderator weist in einer seiner Ansagen gleich zu Beginn des Films vorausblickend darauf hin. Außerdem spielt Autor Eberlein mit sozialen Vorurteilen auf eine Weise, die den Zuschauer entlarvend miteinbezieht. Was Tattoo mit seinen Kumpanen an der Tanke treibt, bleibt lange ominös im Dunkeln, umso deutlicher sind die ethnisch-sozialen Signale und Körperbilder, die die Männer auf den ersten Blick stigmatisieren. Der Weihnachtsbaumverkäufer übernimmt die Stellvertreter-Rolle für den Zuschauer – und fotografiert vorsichtshalber schon mal die Nummernschilder der Motorräder. Auch diese Szenen an der Tankstelle bewegen sich wie die Nelly/Sonny-Handlung im Spannungsfeld von Optimismus und Pessimismus. Damit verbunden ist die Frage, die indirekt an den Zuschauer weitergegeben wird: In was für einer Welt wollen wir leben? In einer, in der alle nur das Schlimmste annehmen? Oder in einer, in der man auf die Freundlichkeit der Menschen hoffen kann? Rhetorische Fragen dieser Art empfindet man elf Monate im Jahr als kindlich naiv. In Filmen zur Weihnachtszeit sind solche Selbstfindungs-Phantasien und sozialen Utopien erwünscht. Und wenn sie dann noch ohne Gefühlsduselei und allzu dicken Zuckerguss auskommen wie „Nelly und das Weihnachtswunder“, ist das besser als alles, was das ZDF-„Herzkino“ das ganze Jahr über zu bieten hat.
Eine Antwort
Ich bin eigentlich offen für rührselige Geschichten, aber der Film hat mich persönlich nicht berührt. Ich mag Anna Schudt, und alle haben gut gespielt, aber die Rollen waren zu unglaubwürdig unlogisch angelegt. Und ganz nebenbei finde ich den Trend, plötzlich zig Weihnachtsengel durch muslimische Menschen (das ist ja wohl arabisch, auf was der Kleine reagiert) verkörpern zu lassen, ein bisschen komisch. Ich begrüße, dass die Zeiten vorbei sind, in denen türkische Grundschüler (wahre Geschichte) ihre Abneigung gegen das Singen von Weihnachtsliedern durch Sätze wie „Euch Christenschweinen würden wir in der Türkei die Rübe abhacken“ kundtun, und freue mich über alle aufgeschlossenen Türken /Muslime, die mitfeiern (wollen), andererseits ist dann noch lächerlicher, dass woke Medien und Menschen wie die Hamburger Kita Mobi Weihnachten und seine Symbole verbannen und umtaufen wollen und den Gärtner Florian S. gar vor Gericht zerren – mal erst nachdenken und dann was schreiben / senden / Leute, die nicht dem woken Unsinn verfallen sind, verklagen!!