Eine turbulente, schrecklich komische, auf liebenswerte Weise anstrengende Familie, das sind „Die Zweiflers“ (ARD Degeto, HR / Turbokultur) aus Frankfurt am Main. Der Sechsteiler über den „Delikatessen-König“ Zweifler und die großen und kleinen Dramen seiner jüdischen Familie, bestehend aus Holocaust-Überlebenden, ihren Kindern und Enkelkindern, ist erstklassiges Serienfernsehen aus Deutschland – sorgfältig, authentisch und ausgesprochen unterhaltsam. Showrunner David Hadda, Produzent der mit einem Grimme-Preis ausgezeichneten „Freitagnacht Jews“ (WDR), gelingt es, aus der Perspektive mehrerer Generationen humorvoll und schonungslos, differenziert und sinnlich (das Essen!) von kulturellen Identitäten, von Religion und Tradition zu erzählen. Zugleich geht es um Themen, die in allen Familien eine Rolle spielen: um Eheprobleme und eine neue Liebe, um Geburt und Tod, um Konflikte zwischen Eltern und ihren Kindern. Die Regisseurinnen Anja Marquardt und Clara Zoe My-Linh von Arnim sorgen für Tempo, Spannung und die richtige Balance aus pointierter Komödie und emotionalem Drama. Hier stimmt das ganze Paket, die Vielfalt an tollen Figuren, der großartige Cast, Bildgestaltung, Szenenbild, Musik. „Die Zweiflers“ sind angesichts des grassierenden Antisemitismus hoch relevant, aber ganz unabhängig von aktuellen gesellschaftlichen Stimmungen wahrlich eine Fernseh-Delikatesse, die in diesem Jahr beim Festival Canneseries auch als beste Serie ausgezeichnet wurde.
Das Paar in „Neu in unserer Familie“ hat zwei Kinder, ist unverheiratet und es schließt seinen ganz individuellen Pakt fürs Leben: Nach 14 Jahren Ehe erlauben sich die beiden eine offene Beziehung. Toleranz & Offenheit statt Eifersucht & Besitzansprüche. Das Experiment verläuft nicht unbefriedigend, auch die Kinder spielen überraschend gut mit, doch vieles kommt anders als gedacht… So Degeto-like die Episodentitel „Zwei Eltern zu viel“ und „Ein Baby für alle“ auch klingen, dieser ARD-Zweiteiler setzt neue Maßstäbe für den Unterhaltungsfilm. Das Duo Nocke/Krohmer, Wegbereiter einer modernen Fernsehdrama-Kommunikation, hat ihr (lebens)kluges dramaturgisches Konzept nun dem Genre Dramödie angedeihen lassen. Das Ergebnis ist ein unterhaltsamer, alltagsnaher & diskussionswürdiger Familienfilm, der durch seinen formalen Realismus, seine absurd anmutenden Wendungen, durch treffsichere Dialogwechsel, authentische Charaktere, einen natürlichen Umgang mit (der Darstellung von) Sex und ein Ensemble zum Verlieben höchsten Fernsehfilmansprüchen gerecht wird.
Im Fernsehfilm „Herren (ARD / kineo)“, einer Mischung aus Familiendrama, Komödie und Berlin-Ballade, sind Menschen mit dunkler Hautfarbe mal keine exotische Beigabe. Vielmehr stehen sie mit ihren alltäglichen, allgemeingültigen Geschichten und ihren speziellen Erfahrungen im weißen Deutschland im Mittelpunkt. Ezequiel (Tyron Ricketts) ist ein Vater und Ehemann in der Krise, der an sich und der Zukunft zweifelt, aber Halt bei seinen neuen Arbeitskollegen findet. Dem unterhaltsamen Trio, das historische Urinale säubert, folgt man gerne durch die Berliner Nacht. Zugleich drängen die reichlich zitierten Klischees dank einer glaubwürdigen, lebensnahen Geschichte nicht allzu sehr in den Vordergrund. Der Film von Stefanie Kremser (Buch) & Dirk Kummer (Regie) behält einen humorvollen, leichten Tonfall, das Plädoyer für ein friedliches Zusammenleben auf Augenhöhe kommt nicht oberlehrerhaft daher. Starke Typen, originelle Schauplätze und ein wunderbarer Cast: Die viel beschworene Vielfalt, hier gibt es sie wirklich – fast. Zwar gibt es starke Frauenfiguren (& Darstellerinnen) im Film, aber die weibliche Perspektive spielt zweifellos eine untergeordnete Rolle.
„Oh Hell“ (Magenta TV / Warner TV) war die deutsche Dramedy-Überraschung 2022. Creator Johannes Boss („Jerks“) erschuf eine junge Frau, Anfang 20, die anders ist als alle anderen. Helene, preiswürdig von Mala Emde verkörpert, hat wenig Interesse, erfolgreich zu sein. Dass es in Staffel 2 zwischenzeitlich dann doch klappt, liegt vor allem an einer Community, die ihre Message „I don’t give a fuck“ liebt. Helene ist aber nicht nur plötzlich Business-Frau, sondern muss auch in einer psychiatrischen Tagesklinik ihre vermeintliche Persönlichkeitsstörung behandeln lassen. Außerdem treibt sie drei Männer in den Wahnsinn und kann den Tod eines vierten nicht verhindern. Und so hat sie am Ende eine Traurigkeit in sich, die sie in Staffel 1 noch zu verbergen wusste. Dennoch lässt sich die Wunchvorstellung, nicht perfekt sein zu müssen, und das Baden im Absurden mit Hel(l) weiterhin wunderbar genießen.
„Sexuell verfügbar“ (Majestic Film & Co) erzählt von einer Frau, Anfang 40, die nach einer konventionellen, bürgerlichen Lebensphase die 1000 Imperative, die ihr als weibliches Wesen von der Gesellschaft mitgegeben wurden, versucht hinter sich zu lassen und sich „männlicher“ zu geben, Umschnall-Pimmel inklusive. Aus dem Ehekäfig befreit, droht ihr nun der echte Knast. Die Anklage gegen sie lautet: Vergewaltigung. Vor dem Prozess stellt sie, völlig verunsichert, ihr bisheriges Leben auf den Prüfstand. In kurzen Rückblenden kann das Publikum an ihren Lebensphasen teilhaben: als gemobbtes Kind, als verliebter Teenager, als braves „Muttertier“. So schwankend und launenhaft diese Figur, so sprunghaft – sprich: abwechslungsreich – die Inszenierung. „Sexuell verfügbar“ bietet eine atemberaubende, aber nie atemlose Revue weiblicher Erfahrungen und Rollenbilder, immer wieder aufregend angereichert mit historischem Doku-Material im Vintage-Look. Diese Serie bleibt in ihren Bildern und ihren Narrativen unberechenbar. Die Macherinnen unterlaufen dabei Sehgewohnheiten, zeigen Genre-Mustern den Stinkefinger und sind so direkt, offen, die Frauenfrage und das Sex-Ding sprichwörtlich am Schwanz packend, wie man es in der TV-Fiktion hierzulande so noch nicht gesehen hat. Und Laura Tonke ist zum Niederknien.
Einzigartiger Name + Trauma = Superheldin. So denkt sich Amelie ihre fabelhafte Welt. „Angemessen Angry“ (Studio Zentral), so der Titel dieses RTL-Serien-Nachwuchsprojekts, bringt die Stimmungslage der Heldin, die vergewaltigt wird und mit Superkräften ausgestattet ihren Kampf gegen sexuell übergriffige Männer aufnimmt, präzise auf den Punkt. Es war an der Zeit, nach Ausnahme-Dramen wie „Nichts, was uns passiert“ oder „37 Sekunden“ endlich auch hierzulande das Thema Vergewaltigung an ein populäres Genre zu übertragen, es zielgruppengerecht als Dramedy, also ernsthaft & leicht zugleich, zu erzählen. Noch erfreulicher ist das großartige Ergebnis! „Angemessen Angry“ ist dicht, stringent und steckt voller origineller Ideen. Filmisch überzeugt die fünfteilige Serie ebenso: keinerlei Leerlauf, und jede zweite Szene ein Knaller. Auch die Besetzung kann sich mehr als sehen lassen.
„Beste Gegend“ ist der zweite Film der Aufbruch-ins-Leben-Trilogie von Marcus H. Rosenmüller. Alles wie gehabt. Nur zwei Jahre später: Abitur 1995 und dann ab in den Süden. Ansonsten dasselbe Personal, dieselben Tücken mit Freundschaft, Liebe, Elternhaus. Doch egal, sspätestens nach zehn Minuten erkennt man, hier wirkt die Kraft des Seriellen. Schön, dass sie wieder da sind, die Kati, die Jo, ihre Eltern und die Freunde aus Tandern.
„Beste Zeit“ ist der Auftakt der Aufbruch-ins-Leben-Trilogie von Marcus H. Rosenmüller („Wer früher stirbt ist länger tot“). Im Gewand des modernen Heimatfilms erzählt das bayerische Wunderkind mit zwei großartigen Schauspielerinnen von den Tücken des Erwachsenwerdens. Die Banalität als Ritual – das gilt nicht nur für die typische Coming-of-Age-Handlung, sondern auch für Rosenmüllers und Michalkes Dramaturgie. Hier wird einem nicht die Welt erklärt, sondern man sieht den Menschen beim Leben zu.
Sie wollen es besser machen als andere. Nicht nur zum Wohle der Kinder möchte ein Paar, Mitte 30, ihre Ex-Partner nicht aus ihrem Leben drängen. Das geht schon allein deshalb nicht, weil sie sich für ihre Kinder ein besonderes Doppelresidenzmodell ausgedacht haben. Im Titel „Bonusfamilie“ (ARD / good friends) spiegelt sich der Ansatz der sechsteiligen Serie über eine XXL-Familie und die Bewältigung ihres chaotischen Alltags. Positiv denken, auch wenn es schwer fällt. Loben, obwohl einem kindliche Aggression entgegenschlägt. Lösungen suchen, wo es lange Zeit keine gibt. Eine Wohlfühldramödie, in der sich die Konflikte im Nu (auf)lösen, ist diese Adaption einer schwedischen Erfolgsserie nicht. Zum Schmunzeln gibt es dennoch allen Grund. Und vieles wird dem Zuschauer bekannt vorkommen. Die Probleme werden nicht von außen in die Familie getragen, sondern sie ergeben sich aus der neuen „Gemeinschaft“, aus den konfliktreichen Kommunikationen. Die Serie geht dahin, wo es wehtut, die Psychologie der Probleme stimmt, auch weil die Konflikte nicht durch Neben-Plots verwässert werden, und statt durch dramaturgische Setzungen entsteht die Handlung stimmig aus den vielfältigen Interaktionen und Interdependenzen. Auch der filmische Flow von „Bonusfamilie“ ist ungleich größer als der des Originals. Die Serie hat mehr Tempo und geht näher ran an die Charaktere. Buhmänner gibt es keine, der Cast ist top und passt.
„Danni Lowinski“ macht auch in der zweiten Staffel riesig Laune. Ob die Idee von der Anwältin, die genau so den üblen Hartz-IV-Geruch in der Nase hat wie ihre Klienten, ob behinderter Asi-Vater, die Metaphorik des Hauptschauplatzes oder die freundschaftliche Clique als Familienersatz – alles in dieser Social-Dramedy ist bestens ausgedacht, ohne ausgedacht zu wirken. Die Serie, die durch ihre pfiffigen Auslegung des Gesetzbuchs besticht, besitzt Tempo, ist stimmig in ihren Tonlagen zwischen Witz, Melancholie und Eigensinn, sie hat ein spielfreudiges Ensemble und eine einzigartige Hauptdarstellerin. Ein Serien-Highlight!
Danni Lowinski ist wieder da. Noch weiter unten – emotional, existentiell, sexuell, prinzipiell. Sie hat Steuerschulden und steht bald in der Schuld ihres Ex‘. Die ersten beiden Folgen der dritten Staffel von „Danni Lowinski“ wagen sich noch einen Schritt weiter in Richtung Hartz IV. Annette Frier jongliert durch die Stimmungslagen, dass es eine Freude ist. Die Phoenix-Serie ist mindestens so gut erzählt wie ein Sat-1-TV-Movie. Auch der Look stimmt. Es lohnt sich, gute Regisseure wie Uwe Janson oder Richard Huber zu verpflichten!
Danni Lowinski alias Annette Frier stöckelt weiter durch die sozialen Abgründe der Hartz-IV-Gesellschaft – farbenfroh, in knappem Mini, mit frechem Lächeln & unkaputtbarem Ego. Drei neue Männer kommen ins Spiel: ein ehemaliger Autodieb als der Schleifer vom Schlüsseldienst, ein Staatsanwalt, der nicht erwachsen werden möchte, und ein Striplokal-Besitzer, der sich von Gefühlen leiten lässt. Die Autoren scheren sich wie gehabt wenig um die üblichen Sozialklischees, die deutsche Serien bevölkern. Eine Klasse für sich!
Die ARD-Dramödie „Das Gewinnerlos“ erzählt von vier unkonventionellen Senioren, die mit Anfang 70 noch etwas erwarten vom Leben. Einer bricht aus seiner selbst verordneten Einsamkeit und Trauer aus, ein anderer ist endlich mutig und steht zu seiner Homosexualität. Die Romantik des Films vermittelt sich auf ästhetisch bezaubernde Weise: nicht nur die vier formidablen Schauspieler treffen den Tonfall des Alters und den Kern ihrer reifen Rollen perfekt, das Alter spiegelt sich auch wunderbar in der Ikonografie der Bilder. Das Spiel mit der Dunkelheit (die Lichtdramaturgie ist herausragend) ist nicht nur ein visueller Reiz, sondern vor allem auch Teil der Geschichte. Überaus relevantes Mutmacher-Fernsehen!
Nach einem Disko-Erweckungserlebnis auf einer Party der US-Army spürt die 21-jährige Doro, dass es da noch etwas anderes gibt als ihr spießiges Eheleben. Für sie steht fest: Auch das verstaubte Bochum braucht etwas Glamour, braucht eine Disko. Es fragt sich nur, wie lange es ihr gelingt, ein Doppelleben zu führen als brave Ehefrau und als Betreiberin einer Diskothek. Die RTL-Serie „Disko 76“ (UFA Fiction) funktioniert völlig anders als die meisten zeitgeschichtlichen Filme oder Serien. Die Musik beschwingt nicht nur die Heldin im Film, sondern (im Idealfall) auch das Publikum. Die Auswahl der Songs ist gelungen. Wie in einem Musikfilm oder Musical sind sie elementarer Bestandteil und werden zu einem Klangteppich gewoben, der Musikkenner in beste Stimmung versetzt. Auch die Tanz-Einlagen à la „Saturday Night Fever“ und „Dirty Dancing“ sind mitunter atemberaubend gut. Und auch die Besetzung, allen voran Luise Aschenbrenner und Jannik Schümann, passt vorzüglich ins Bild. In den musikalisch-emotionalen Flow fließen die Themen der Zeit (Fahnenflucht, linke Szene, Emanzipation, WG-Leben, Generationenkonflikte) beiläufig und eher augenzwinkernd komödiantisch ein. Der Erlebnis- und Unterhaltungs-Faktor übertrifft die Relevanz der Geschichte & die Originalität der Dramaturgie deutlich. In diesem Fall ist das gut so!
Offenbar gelingt es nun auch den Autoren hierzulande, aus Comedys mehr als kurzatmige Nummernrevues zu machen. Ein bisschen Drama muss sein, denn ohne stimmige Psychologie verhallt das Lachen allzu schnell. Wer eine Gretchen Haase alias Diana Amft & einen wie Bora Dagtekin („Türkisch für Anfänger“) hat, der kriegt auch 45 Minuten ohne Hänger über die Runden. RTL-Kult-Serie, die es auf immerhin drei Staffeln brachte!
Da waren sie wieder, diese absurd-schrägen, politisch unkorrekten Situationen und diese atemberaubenden Tonlagen-Breaks – die hierzulande so richtig gut nur Bora Dagtekin („Türkisch für Anfänger“) beherrscht. Wird es in der zweiten Staffel etwas ernsthafter?
Treueschwüre und Hochzeitsmythos sind lebendiger denn je. Schön, dass „Eine Sommerliebe zu dritt“ die ewige Illusion von der romantischen Liebe nicht mitmacht und amourös-erotische Alternativen zur Zweisamkeit ins Spiel bringt. Schön auch, dass Autorin Beatrice Meier und Regisseurin Nana Neul die Zuschauer nicht bekehren wollen. Alle haben selbst die Wahl: die Charaktere, wie sie leben und lieben wollen, und die Zuschauer, was sie alles in diesem Film sehen wollen. Es ließe sich einiges entdecken: ein ideal gecastetes & aufeinander eingespieltes Trio, die beiläufigen Zeichen, die Blicke und Bilder, die mehr erzählen als jede Dramaturgie. Dieser Film erklärt wenig, zeigt viel und will den Zuschauer in Versuchung führen.
Die ZDF-Sonntagsreihe „Ella Schön“ (Dreamtool Entertainment) ist anders. Das liegt daran, dass auch diese Ella Schön anders ist. Sie ist offen, ehrlich, sagt, was sie denkt, ist allerdings beziehungsunfähig, leidet unter dem Asperger-Syndrom. Sie ist eine Zumutung für ihre Umgebung und eine Herausforderung für das „Herzkino“, vor allem aber ein Glücksfall für diese Reihe, die dem grassierenden Helfersyndrom im öffentlich-rechtlichen Dramödien-TV eine intelligente Abfuhr erteilt. Und statt Romantik rücken Freundschaft & Gemeinschaft ins Zentrum: Auch die Frau an der Seite der schroffen Autistin besitzt sympathischen Eigensinn. Annette Frier, die hier eine absolute Anti-Danni-Lowinski grandios verkörpert, und Julia Richter sind ein perfektes ungleiches Paar. Für 08/15-Läuterung und -Versöhnung ist hier kein Platz. Die Dialoge sind knapp & knackig, die Bildsprache klar, die visuellen Lösungen kreativ: Auf dem Regie-Stuhl saß der 32jährige Maurice Hübner („Blaumacher“). Die Heldin seziert menschliche Gemeinplätze, die Filme zerlegen die Bausteine des Wohlfühlgenres. TV-Inklusion mal anders: Hier ist die „Gestörte“ die Hauptfigur; sie vertritt sich quasi selbst!
Die ZDF-Reihe „Ella Schön“ (Dreamtool Entertainment) bleibt auch ein Jahr nach dem viel beachteten Traumstart ihrer Titelfigur treu. Der Alltag gibt dieser mit dem Asperger-Syndrom lebenden Anwaltsreferendarin zwar mehr und mehr die für sie so lebenswichtige Struktur, sie bleibt aber ein eigenwilliger Charakter, eine Frau, die es sich und anderen nicht leicht macht. Dramaturgisch gibt es keine Weichspülversuche – trotz „Herzkino“-Sendeplatz. Die Fälle, die Charaktere & die luftige Inszenierung ergeben einen perfekten Flow und machen „Ella Schön“ zur besten Unterhaltungsfilmreihe der letzten Jahre – auch, weil die Geschichten nicht auf Vorurteile & Klischees setzen und nicht auf die im Genre üblichen dramaturgischen Selbstheilungskräfte vertrauen. Wer will, der kann auch die dekonstruktive Kraft feiern. Unbedingt loben muss man das wunderbare Spiel von Annette Frier & Julia Richter.
„Ella Schön“ (Dreamtool Entertainment) geht in die letzte Runde. Da ist noch mal viel los auf Fischland, vor allem aber bei der Titelfigur. Denn Ella ist mehr denn je bereit, in ihrem Leben etwas zu verändern und mehr zu wagen als bisher. Das fängt in „Das Glück der Erde“ mit den schönen kleinen Dingen des Lebens an, denen sie bisher so wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. Außerdem versucht sie, mit ihren Ängsten umzugehen. In „Freischwimmer“ wagt sie sich ins Wasser, ja sogar auf ein Surfbrett, und in „Seitensprünge“ nimmt sie noch einmal ihre Abschlussprüfung als Anwältin in Angriff. Es wird so schnell sicherlich keine ebenso gute ZDF-Sonntagsfilmreihe wie diese geben. Die Liste, was „Ella Schön“ anders und vor allem besser macht als vergleichbare Helferinnen-Freundschafts-Familien-Geschichten in Serie, ist lang. Dazu gehören die Protagonisten, die Schauspieler, die Dialoge, die nicht nur passgenau die Charaktere treffen, sondern häufig zudem höchst amüsant sind. Und dann ist da natürlich noch der Witz, der sich durch das Asperger-Syndrom ergibt, der aber nie auf Kosten der Heldin geht. Dafür sorgt allein schon Annette Frier. Die Autoren geben sicher keine klinisch korrekte Variante wieder, dafür sensibilisieren sie klug und konsequent für dieses „Anderssein“. Das Ende ist emotional, ja, aber auch sachlich wie die Titelfigur.