Bonusfamilie

Inez Bjorg David, Lucas Prisor, Windolf, Schäfer, Isabel Braak. Es gibt kein Entkommen

Foto: SWR / Oliver Vaccaro
Foto Rainer Tittelbach

Sie wollen es besser machen als andere. Nicht nur zum Wohle der Kinder möchte ein Paar, Mitte 30, ihre Ex-Partner nicht aus ihrem Leben drängen. Das geht schon allein deshalb nicht, weil sie sich für ihre Kinder ein besonderes Doppelresidenzmodell ausgedacht haben. Im Titel „Bonusfamilie“ (ARD / good friends) spiegelt sich der Ansatz der sechsteiligen Serie über eine XXL-Familie und die Bewältigung ihres chaotischen Alltags. Positiv denken, auch wenn es schwer fällt. Loben, obwohl einem kindliche Aggression entgegenschlägt. Lösungen suchen, wo es lange Zeit keine gibt. Eine Wohlfühldramödie, in der sich die Konflikte im Nu (auf)lösen, ist diese Adaption einer schwedischen Erfolgsserie nicht. Zum Schmunzeln gibt es dennoch allen Grund. Und vieles wird dem Zuschauer bekannt vorkommen. Die Probleme werden nicht von außen in die Familie getragen, sondern sie ergeben sich aus der neuen „Gemeinschaft“, aus den konfliktreichen Kommunikationen. Die Serie geht dahin, wo es wehtut, die Psychologie der Probleme stimmt, auch weil die Konflikte nicht durch Neben-Plots verwässert werden, und statt durch dramaturgische Setzungen entsteht die Handlung stimmig aus den vielfältigen Interaktionen und Interdependenzen. Auch der filmische Flow von „Bonusfamilie“ ist ungleich größer als der des Originals. Die Serie hat mehr Tempo und geht näher ran an die Charaktere. Buhmänner gibt es keine, der Cast ist top und passt.

Es mit Hilfe des Doppelresidenzmodells besser machen als andere Trennungspaare
Sie wollen es besser machen als andere. Nicht nur zum Wohle der Kinder möchten Lisa (Inez Bjorg David) und Patrick (Lucas Prisor), die erst seit einigen Monaten zusammen sind, nach der Trennung von ihren Ex-Partnern Martin (Steve Windolf) und Katja (Anna Schäfer) die beiden nicht aus ihrem Leben drängen. Das geht schon allein deshalb nicht, weil sie sich gemeinsam ein ungewöhnliches, aber gerechtes Modell der Kinderaufteilung überlegt haben: eine Woche bei Mama, eine Woche bei Papa. Das heißt für das neue glückliche Paar eine Woche XXL-Familie mit allen drei Kindern und danach traute Zweisamkeit. Die Schmetterlinge im Bauch sind allerdings fast verflogen, Alltag ist eingekehrt, und im Bauch von Lisa macht sich etwas ganz anderes breit. Das ist nicht weniger aufregend, aber auch ziemlich anstrengend. Geplant war ein gemeinsames Kind so bald jedenfalls nicht. Lisa kommen Zweifel. Ist es vielleicht zu früh? Und wie soll sie es dem Rest der „Familie“ sagen? Immerhin hat sie – um das Okay für das Zusammenziehen zu bekommen – Bianca (Louise Sophie Arnold) und Eddie (Fillin Mayer) versprochen, mit Patrick keine weiteren Kinder zu kriegen. Ausgerechnet bei der mit großer Umsicht und Ambition geplanten Bonusfamilien-Geburtstagsparty für Eddie und William (Levis Kachel), die beide einen Tag nacheinander Geburtstag haben, kommt es durch einen blöden Zufall zum Eklat. Und am Ende finden sich alle sechs Elternteile und die zwei zehnjährigen Jungen im Krankenhaus wieder.

Die Kritik basiert auf der Sichtung aller sechs Folgen von „Bonusfamilie“ und der ersten sechs Folgen des schwedischen Originals „Bonusfamiljen“.

BonusfamilieFoto: SWR / Oliver Vaccaro
Die Bonusfamilie (v.l.n.r.) Katja (Anna Schäfer), William (Levis Kachel), Eddie (Fillin Mayer), Lisa (Inez Björg David), Martin (Steve Windolf), Patrick (Lucas Prisor) und Bianca (Louise Sophie Arnold). Die Gesichtsausdrücke treffen gut die Stimmung der Figuren.

Optimistische Sicht auf die schwierige Situation: Bonusfamilie statt Patchworkfamilie
„Bonusfamilie“ – in der positiven Formulierung des Titels spiegelt sich der Ansatz der Serie. Auch die Figuren bemühen sich, diesen Begriff zu verwenden, anstatt von „Patchworkfamilie“ zu sprechen, ein Wort, das ja eher Chaos konnotiert. Von allen allerdings wird der Optimismus anfangs nicht geteilt. Der verlassene, sich im Lebenskrisenmodus befindende Martin, für den sein Job in einem Bettenhaus und der Wiedereinzug bei Muttern (Swetlana Schönfeld) keine emotionalen Mutmacher sind, trauert zunächst noch immer Lisa, seiner ersten und einzigen Liebe, nach. Katja hingegen ist nicht unzufrieden mit der neuen Situation: Sie hat nun mehr Zeit für ihre Arbeit in einem Architektenbüro, Sex hat sie weiterhin wie schon bereits während der Ehe mit ihrem verheirateten Chef (Patrick von Blume), und sogar für ihren sich vergessen fühlenden William schaufelt sie sich immer öfter Zeit frei. Sie findet ihr aktuelles Leben „perfekt“, und das Gewese um die „Bonusfamilie“ quittiert sie mit einem ironischen Lächeln. Während Martin mit seinen „Plänen“ und psychosomatischen Rückenproblemen immer wieder das Gleichgewicht des neuen „Familien“-Verbunds stört, lebt Katja ohne größere Gefühlskollisionen nach dem Prinzip: leben und leben lassen. Doch dann haben die Ex-Partner das Glück, dass sich jemand für sie interessiert: Tessa (Maxine Kazis) aus der Deko-Abteilung und Hendrik (Matthias Lier) aus dem Architektenbüro. Die Beziehungsanbahnung läuft zwar nicht rund, aber für Lisa & Patrick könnte es dennoch bedeuten, mehr Ruhe vor ihren Ex-Partnern zu haben. Könnte. Denn Patrick befürchtet nun Ungemach für seinen William.

„Ich hasse dich, du Lappen!“ Und trotzdem: loben, auch wenn es nichts zu loben gibt
Auch wenn Martins Ego darunter leidet, dass er in der Papa-Woche seinen Kindern nur ein Provisorium als Domizil anbieten kann, den Dachbaden im muffigen Haus seiner Mutter, und auch wenn Bianca und Eddie ihren Unmut bekunden, solche Reibereien gehören zu Familie und den Zeiten der (Vor-)Pubertät. Sehr viel schwerer ist die Situation des Familienumbruchs indes für Patrick. Denn er und Eddie verstehen sich absolut nicht. Patrick schlägt ständig nur Ablehnung entgegen. „Du bist doch noch nicht mal mein Vater; du hast mir gar nichts zu sa-gen“, bringt es der Junge auf den Punkt. Er spürt, wo die Schwächen des Ersatzvaters liegen und rührt gern in den Wunden des Intellektuellen, der sich schwer zu helfen weiß. Vielleicht geht es ja, nachdem sich das Paar professionelle, „prophylaktische“(!) Hilfe geholt hat, besser mit den beiden? Aber ob eine Schlange im Haus dafür das Richtige ist? Eddie liebt Schlangen, dafür hat er eine Nussallergie. Bei Patrick ist das umgekehrt. Trotzdem beherzigt der Lehrer den Rat einer Kollegin, den Jungen mehr zu loben (auch wenn es nichts zu loben gibt). Nach einer Unüberlegtheit mit schlimmen Folgen entschuldigt er sich: „Das war richtig bescheuert von mir mit den Nüssen. Das war richtig dämlich.“ Eddies Antwort: „Ich hasse dich, du Lappen!“ Trotzdem, der Pädagoge erinnert sich an das Zauberwort positives Feedback: „Ich finde, du bist wirklich gut d‘rin, deine Gefühle auszudrücken – klar und verständlich.“

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Bald gibt es Ärger. Püppchen (Irene Rindje) und Biggi (Swetlana Schönfeld) sorgen sich um Eddie (Mayer), der offenbar krank ist. Allerdings ist das Fieberthermometer der Schwangerschaftstest von Lisa, von dem die Bonusfamilie noch nichts weiß.

Ernsthaft, locker & gewitzt. Und in der zweiten Hälfte dreht sich vieles auch um Sex
An einem solchen Dialogwechsel ist ein wesentliches Merkmal der Serie abzulesen: „Bonusfamilie“ verharrt nie im Drama, sondern löst die Probleme zumeist locker und gewitzt – allerdings nie im Handumdrehen, wie es bei den ARD-Dramödien am Freitagabend so häufig der Fall ist. Der explizite Patrick/Eddie-Konflikt zieht sich bis in die vierte Folge. Danach gerät die unter dem Elternradar immer selbstbewusster gewordene und eigenmächtiger handelnde 15jährige Bianca und damit die Mutter-Tochter-Beziehung stärker in den Fokus. Und auch der sichtlich bedrückte William läuft nicht weiterhin als angenehm pflegeleicht mit, sondern bekommt nun auch mehr Aufmerksamkeit. In der zweiten Hälfte der sechsteiligen Serie hat die Mehrzahl der Konflikte mit Sexualität zu tun. Lisa schaut völlig perplex, als ihr eines Mittags ein großer, sportlicher junger Mann aus dem eigenen Badezimmer entgegentritt – mit nichts weiter bekleidet als mit einem Mini-Slip. Und als dann auch noch Lisa zufällig im Bettengeschäft die attraktive Tessa kennenlernt, dürfte sich wohl für sie bald insgeheim die Frage stellen: Haben hier vielleicht alle Sex außer Patrick und mir? Der hat sich schon in der Therapie über die neue Enthaltsamkeit beschwert. Denn nachdem es erste Friedensgespräche zwischen ihm und Eddie gegeben hat, sucht der Junge nun immer öfter nächstens die Nestwärme seiner Mutter. Auch William verhält sich seltsam, als Katja zu erkennen scheint, dass ihr Kollege noch zu etwas anderem taugt als zum väterlichen Kumpel für ihren emotional unterversorgten Sohn. Und bei Martin dreht sich zunehmend alles um die Frage, wie, wann und vor allem wo er und Tessa endlich miteinander schlafen können.

Der Sechsteiler ist ein Remake der schwedischen Erfolgsserie „Bonusfamiljen“ (Netflix)
Nach den Degeto-Mehrteilern „Eltern allein zu Haus“, „Väter allein zu Haus“ und „Neu in unserer Familie“ haben sich die Fernsehfilm-Redaktionen von BR, MDR und SWR zusammengetan, um mit „Bonusfamilie“ ein vom Thema und Genre her ähnliches Projekt für den ARD-Mittwoch auf den Weg zu bringen. Allerdings stammt nicht nur der freundliche Begriff aus dem Schwedischen, auch der Sechsteiler selbst ist ein Remake einer schwedischen Erfolgsserie mit dem Titel „Bonusfamiljen“, die seit Herbst 2017 hierzulande über Netflix zu sehen ist. Die zehn Folgen der ersten Staffel der Originalserie hat man hierzulande auf sechs Folgen komprimiert. Das Drehbuch für die deutsche Adaption schrieb Antonia Rothe-Liermann, die durch ihre Arthaus-Dramen „Formentera“ und „Wir haben nur gespielt“ auffiel, sich aber auch mit der eher gefälligen RTL-Serie „Sankt Maik“ hervortat und Erfahrungen hat mit Adaptionen literarischer Vorlagen („Kein Entkommen“, „Hanni & Nanni“) und Bearbei-tungen („Solange du schliefst“). Keine schlechte Voraussetzung für ein an die deutschen Sehgewohnheiten und die kleinen kulturellen Unterschiede angepasstes Serien-Remake. Und von der 31-jährigen Regisseurin Isabel Braak ist nach „Magda macht das schon“ und der launigen Provinz-Krimikomödie „Die Bestatterin“ eine frische, peppige und zeitgemäße Filmsprache zu erwarten und auch ein guter Umgang mit dem der thirtysomethings-Cast.

BonusfamilieFoto: SWR / Oliver Vaccaro
Eine hoch emotionale Problemsituation aus der Phase, in der Martin (Steve Windolf) noch neben sich steht. Dennoch wird er nicht zum Buhmann. Diese Figur besitzt weichere Züge als sein schwedisches Vorbild, was auch mit am Schauspieler liegt.

Die Serie geht dahin, wo es wehtut, verwässert die Konflikte nicht durch Nebenplots
Inhaltlich, aber vor allem auch dramaturgisch bringt „Bonusfamiljen“ vieles mit, was man sich in Serien und Mehrteilern hierzulande nicht traut: Die Probleme werden nicht von außen in die Familie getragen, sondern sie ergeben sich aus der „Gemeinschaft“, aus den konfliktreichen Kommunikationen. Nebenfiguren bleiben absolute Nebenfiguren, Nebenschauplätze wie die Schule oder das Architektenbüro bleiben Nebenschauplätze, die nur für die tragenden Charaktere von Belang sind. Der Arbeitsplatz und der Beruf bringen keine neuen Konflikte ins Spiel, ihre Motive sind vielmehr Funktionen der Beziehungsebene (der schiefe Patchwork-Tisch, den Lisa gebaut hat, steht beispielsweise für die Geburtswehen der Bonusfamilie). Dadurch werden die Geschichten weder verwässert, noch lösen sich die Probleme in Wohlgefallen auf. Entsprechend wird hier mehr als nur ein bisschen an der Alltagsoberfläche gekratzt, und es werden auch keine simplen Patent-„Lösungen“ angeboten. So eine Bonusfamilie ist ein besonders sensibles Gefüge: Ein Konflikt in einer Bonusfamilie sorgt quasi für Bonus-Konflikte für die anderen irgendwie verbandelten Familienmitglieder.

Es gibt kein Entkommen aus der Bonusfamilie. Ein Beispiel
Martin ist knapp bei Kasse, bekommt aber Druck von seiner Tochter, das „Wohnproblem“ endlich zu lösen. Was also macht er? Er liebäugelt mit einer viel zu teuren Wohnung. Wegen eines Schufa-Eintrags – weil er das riesige „Lisa“, welches er vor der Trennung auf den Rücken hat tätowieren lassen, aus Trotz nicht bezahlen wollte – kriegt er keinen Kredit und hofft auf eine Bürgschaft von Lisa. Doch da hat Patrick auch noch ein Wörtchen mitzureden. Mit dem Ergebnis: Bianca bleibt genervt, Martin hochgradig gestresst und Lisa bekommt von ihm ihre Kleinherzigkeit („Du hast ein Anti-Helfersyndrom“) bei jeder Gelegenheit beleidigt vorgehalten; aber auch Eddie zieht er mit rein in seine Wut auf Patrick und seine Ex-Frau, die – wie er behauptet – das Familienglück mutwillig zerstört habe. Und für Patrick wird Martin immer unerträglicher: „Er ist ständig um uns. Omnipräsent. Ich pass‘ auf seine Kinder auf, wir gehen zum Frauenarzt, da wird nur von ihm gesprochen, und ich werde mit verglichen. Außerdem hasst er mich.“

BonusfamilieFoto: SWR / Oliver Vaccaro
So übel ist der Kerl ja gar nicht. Katja (Anna Schäfer) lernt später als ihr Sohn William die Vorzüge ihres Kollegen Hendrik (Matthias Lier) kennen. Anstatt froh zu sein über die glückliche Wendung, reagiert Katjas Ex allerdings ziemlich seltsam.

Die Psychologie der Konflikte. Familie ist Arbeit, Patchworkfamilie sehr viel Arbeit
Und wenn es um das eigene Kind geht, das ungerecht behandelt oder womöglich zu hart angepackt wird, da bimmelt dann sofort das Telefon. Aber auch wenn sich die neue Bezugsperson zu gut versteht mit dem eigenen Kind, läuten die Alarmglocken: „Achtung, Konkurrenz!“. Im Film ist das eher ein Männerproblem. Die Frauen sind da schon lockerer. So freut sich Lisa ehrlich darüber, dass ihr Ex jemanden kennengelernt hat, und auch die kontrollierte Katja kennt weder Neid noch billige Eifersüchteleien. Mag die Serie auch noch so leicht(gewichtig) erscheinen – so geht sie doch tief rein in die Psychologie der Konflikte. Familie ist Arbeit, und Patchworkfamilie sehr viel Arbeit. Manchmal allerdings ergeben sich – wie man in der letzten Folge sehen kann – „Lösungen“ auch jenseits von erwachsener (Psycho-)Logik und bemühter Pädagogik. Die Betonung des Zwischenmenschlichen muss aber nicht bedeuten, dass das Gesellschaftliche auf der Strecke bleibt. Schließlich bietet der genaue Blick ins Innenleben einer solchen Familie immer auch Ansätze für eine soziale Utopie (man denke nur an schwedische Filme wie „Zusammen“ oder „Die Kommune“). Was für die schwedische Vorlage gilt, das gilt alles gleichermaßen für die ARD-Adaption.

Keine simplen dramaturgischen Setzungen, sondern Interaktion und Interdependenz
Man hat hier nicht den Eindruck, den man bei so vielen deutschen Dramödien gewinnt, dass die Eigenschaften der Charaktere, die Typen und Gegentypen, gesetzt sind, um ein möglichst breites Spielfeld von Mentalitäten zu schaffen, um Gegensätze und Fallhöhen aufzubauen. Die Charaktere entwickeln sich vielmehr aus der Familienstruktur heraus, und die Art und Weise, wie sich jemand verhält, wird maßgeblich mitbestimmt von den konkreten Interaktionen. Patrick würde auf Martin sicherlich anders reagieren, wenn er nicht immer so übergriffig wäre. Martin wiederum würde Patrick anders behandeln, wenn er ihm nicht die Frau ausgespannt hätte; seine Wut lenkt ihn und sie bestimmt mit, wie Patrick oder Lisa ihm begegnen. So stimmig die Konflikte aus der narrativen Tiefenstruktur der Familie resultieren, so präzise ist – nicht zuletzt dank der guten, stimmigen Besetzung, die mit dazu beiträgt, dass hier keine Figur zum Buhmann gemacht wird – das Chaos an der Oberfläche gezeichnet. Ist manch ein Ausraster auch verständlich, möchte man dennoch vor allem die Männer ab und zu mal kräftig schütteln. Martin schenkt ohne Absprache mit Lisa und Patrick seinem Sohn eine Schlange, um endlich mal wieder bei ihm zu punkten, und Kontrollfreak Patrick verlangt von seiner Ex, dass sie Wochenberichte für ihre Zeit mit William verfasse. Auch Lisa verbeißt sich gern und bringt dann die ganze Familie in peinliche Situationen. Und so muss am Ende das vielleicht nicht mehr ganz so glückliche Paar mit den drei Kindern, mit Biancas Freund Matteo und deren Eltern einige Zeit beim gemeinsamen Abendessen verbringen. Andere Familien hat die Serie dem Zuschauer bisher vorenthalten. So kann der Zuschauer zum Abschluss erkennen, was für eine angenehm unkonventionelle Familie Lisa, Patrick, Bianca, Eddie und William doch sind. Die Erwachsenen wollen perfekt sein, wollen das Beste, auch wenn meist nur das Bestmögliche dabei herauskommt. Und die Kinder werden sich irgendwie schon zusammenraufen. Für ein paar Stunden, vielleicht für ein paar Tage, aber irgendwann wird es wieder knallen. Da wären wir als Zuschauer gern wieder mit dabei. (Text-Stand: 31.10.2019)

BonusfamilieFoto: SWR / Oliver Vaccaro
Die Kamera geht häufig nah ran (noch näher als in dieser Einstellung) an Lisa und Patrick. Vor lauter alles richtig machen zu wollen – sie machen sogar prophylaktisch eine Bonusfamilien-Therapie zu zweit… Alle haben offenbar Sex, nur „das Paar“ nicht.

Bonus-Material I: Was ist anders in der ARD-Adaption – dramaturgisch & filmisch?
Durch die bekannten Gesichter, das vertraute Ambiente und den Vorteil, keiner Synchronisation lauschen zu müssen, ist man als deutscher Zuschauer bei „Bonusfamilie“ schneller in der Geschichte und näher bei den Figuren als beim schwedischen Original. Das hat aber auch mit kleinen dramaturgischen Veränderungen und einem anderen Inszenierungskonzept zu tun. Schon die Exposition ist knackiger, kommt schneller zur Sache: Lisa ist schwanger, eröffnet einem die Eingangsszene. Dass das Psychotherapeuten-Ehepaar viel weniger zum Zug kommt und allenfalls als Stichwortgeber fungiert, wirkt – so amüsant es auch in „Bonusfamiljen“ genutzt wird, um der Geschichte einen intellektuell-ironischen Subtext mit kleinem Geschlechter-Diskurs hinzuzufügen – bei dem strafferen narrativen Rahmen und dem etwas dynamischeren Erzählrhythmus der sechs deutschen Folgen stimmig. Auch die Bildsprache ist filmischer und kommt ohne die – von HD betonte – Serien-Optik aus, die bei den Schweden besonders in den Soap-like ausgeleuchteten Indoor-Szenen unangenehm ins Auge sticht. Auch rückt die Kamera besonders dem Paar stärker auf die Pelle – wodurch dem Zuschauer die Liebe der beiden versinnbildlicht und er „mitfühlender“ in das Geschehen einbezogen wird. Für die ausgleichende Distanz sorgen die guten, mal knapp-pointierten, mal grundsätzlicheren, problemorientierten Dialogwechsel, die stets alltagsnah & situationsadäquat sind. Erklär-Dialoge gibt es keine – was ebenso wie die dramaturgisch geschickte Verknüpfung mehrerer paralleler Handlungsstränge fast ebenso gut funktioniert wie in den amerikanischen Top-Familienserien „Parenthood“ und „This Is Us“. Gegeneinander geschnitten werden beispielsweise ein Elternabend mit Martin und Lisa, der die Gefühle andeutet, die beide einmal füreinander hatten, ein lauter, chaotischer Couch-Potatoes-Abend mit Patrick und den drei Kindern, aus dem sich der introvertierte William ausklinkt, und anschließend seiner busy-Mutter einen versteckten Hilferuf übermittelt. An einem anderen Abend werden ein Kinobesuch, die hektische Suche nach der ausgebüxten Schlange, die in der Adaption verständlicherweise nicht mehr Zlatan, sondern Messi heißt (Lars von Triers „Breaking the Waves“ hätte man auch besser durch einen dem Zielpublikum mehr sagenden Film ersetzen sollen) und ein Date zwischen Martin und Tessa miteinander kombiniert. Der filmische Flow von „Bonusfamilie“ ist also ungleich größer als der von „Bonusfamiljen.

Bonus-Material II: Weitere Unterschiede zum schwedischen Original – kurz & knapp
Charaktere: Die Kinder (u.a. Williams Einsamkeit) und die Ex-Partner bekommen mehr Raum und werden nuancierter gezeichnet. Der deutsche Martin ist auch zu Beginn nicht dauerzornig, hat allenfalls vereinzelte Wutausbrüche, ansonsten ist er eher melancholisch-sanft, ein naiver Romantiker, ein bisschen schlicht, aber durchaus charmant und für Frauen interessant – nicht zuletzt wegen Steve Windolf. Auch auf dem Hypochonder-Motiv wird nicht so lange herumgeritten. Und wie der Vater, so der Sohn: Eddie ist kein „Satansbraten“ wie im Original, sondern hat – auch dank der sympathischeren Besetzung – etwas Frech-Lausbubenhaftes, und er hat auch eine verletzliche Seite und zeigt Mitgefühl.
Szenenbild: Das Haus von Martins Mutter ist alltagsnäher ausgestattet; auch das Wohnprovisorium unter dem Dach wirkt realistischer und – passend zu dem in der Adaption umgänglicheren Martin – ist es liebevoller eingerichtet.
Montage: Nicht alle Szenen werden – wie es sonst üblich ist – mit Totalen eingeführt; stattdessen werden gelegentlich mehrere Einstellungen mit unterschiedlichen, näheren Einstellungsgrößen kombiniert – wodurch die betreffende Szene mehr Tempo bekommt.
Dramaturgie & Schnitt: Die entlaufene Schlange, bevor sie bei Patrick und Lisa im Bett landet, bereits kurz zuvor sich durch den Raum schlängeln zu sehen, ist spannender (Suspense ist nicht nur wichtig im Krimi!) als der Überraschungseffekt im Original. Wirkungsvoll ist es auch, in Szenen reinzuspringen und Sinn & Kontext erst nach und nach deutlich zu machen (Therapiesitzung, in der sich Lisa in Patricks Perspektive hineinversetzen soll und umgekehrt)
Gefühl: Auch die Krankenhausszene in der 3. Folge ist dramatischer, packender (auf)gelöst. Hier wartet die Familie nicht auf den Befund, sondern man sieht mit den Augen des verzweifelten Patrick Lisa mit dem Arzt gemeinsam in der Notaufnahme.
Tiere: Erwartungsgemäß wurde die Szene mit einer Maus, die in der Mikrowelle blutig zum Platzen gebracht wird, nicht übernommen. Auch das Ende der Schlange ist nicht brutal wie im Original.
Sex & Erotik: Verzichtet wurde auf eine Szene, in der Katjas babysittender Kollege Hendrik William im Waschkeller einer Angsttherapie unterziehen möchte, beide dabei aber Zeuge werden, wie ein Paar auf der Waschmaschine Sex hat. Rausgeflogen ist auch Hendriks „Sex-sells“-Tipp für Katja, den sie anschließend albern erotisch in die Tat umsetzt. Beide Szenen dürften eher aus Dramaturgie- als aus Prüderie-Gründen nicht übernommen worden sein.

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Serie & Mehrteiler

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Mit Inez Bjorg David, Lucas Prisor, Steve Windolf, Anna Schäfer, Louise Sophie Arnold, Fillin Mayer, Levis Kachel, Swetlana Schönfeld, Irene Rindje, Matthias Lier, Maxine Kazis, Arnel Taci, Patrick von Blume

Kamera: Lars Liebold

Szenenbild: Thilo Mengler

Kostüm: Stephanie Riess

Schnitt: Matti Falkenberg, Bernhard Eschenbach, Katharina Schmidt

Musik: Jens Grötzschel

Redaktion: Bettina Ricklefs (BR), Jana Brandt (MDR), Barbara Biermann (SWR)

Produktionsfirma: good friends Filmproduktion

Produktion: Sabina Arnold

Drehbuch: Antonia Rothe-Liermann – nach der schwedischen Serie „Bonusfamiljen“

Regie: Isabel Braak

Quote: (1/2): 3,93 Mio. Zuschauer (13,2% MA); (3/4): 2,84 Mio. (9,3% MA); (5/6): 2,60 Mio. (9,1% MA)

EA: 20.11.2019 20:15 Uhr | ARD

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