Sommer 1989, zwei Doppelmorde in der niedersächsischen Provinz – und dann verschwindet auch noch eine Fabrikantengattin spurlos, die Schwester des Hamburger LKA-Chefs. Der würde gern mit ermitteln, doch das verbietet das Gesetz. Es folgen Ermittlungsfehler und falsche Verdächtige – bis über zwei Jahrzehnte später der Ex-Beamte mit über 70 mit einer Privat-Soko den Fall neu aufrollt. „Das Geheimnis im Totenwald“ (Degeto / Bavaria Fiction, Conradfilm) erzählt über eine Zeitspanne von fast 30 Jahren eine schier unglaubliche Kriminalgeschichte, der ein kapitaler Polizei- und Justizskandal zugrunde liegt. Der ARD-Dreiteiler wurde mehr als nur inspiriert von einem realen Fall: Der ehemalige Hamburger LKA-Chef Wolfgang Sielaff hat fast genau das erlebt und erlitten, was in dem Film von Sven Bohse (Regie) und Stefan Kolditz (Buch) der von Matthias Brandt preiswürdig verkörperten Hauptfigur passiert. Der jahrzehntelange Weg ist elementarer Bestandteil der Geschichte. Die dramaturgischen Herausforderungen, die sich daraus ergeben, meistert der Film überragend: Das Mehr an Zeit erhöht die Spannung im Sinne von Neugier, Anteilnahme & Mitgefühl. Die Schauspieler sind durchweg großartig, die Charaktere wirken wie echte Menschen, ohne dass es je menschelt in diesem exzellent inszenierten Film, der bei aller narrativer Emotionalität den Zuschauer filmästhetisch eher auf Distanz hält. Grundlage dieses packenden Dreiteilers ist Kolditz‘ perfekt strukturiertes, psychologisch vorzüglich verdichtetes Drehbuch, das die Chronologie der Ereignisse und die Tiefe der Charaktere gleichermaßen im Blick behält.
Als 1983 der Kalte Krieg immer heißer wird, schickt die DDR einen jungen NVA-Soldat ins Feindesland und schleust ihn als Spion in die Bundeswehr ein. Droht der Sowjetunion der nukleare Erstschlag der USA? „Deutschland 83“ (RTL) ist eine deutsche horizontal erzählte Politthriller-Serie, die sich mit den US-Vorbildern messen kann. Sehr spannend wird die Weltpolitik auf einen überschaubaren narrativen Mikrokosmos heruntergebrochen. Die Serie kommt schnell zur Sache, ist klar strukturiert, dynamisch und auch für den Quereinstieg geeignet. Die Besetzung ist erste Liga. Jonas Nay als Ossi mit Gewissen hat sofort alle Sympathien. Die Achtziger geraten nicht zur postmodernen Nabelschau. Popsongs ja, aber nur als Authentifizierungscode. Anna Winger & Co geht es um „Geschichte“ & Plots.
Die ARD-Serie „Heimat“ war 1984 ein echtes Fernsehereignis: über einen Monat lang folgten 15 Millionen Zuschauer den Lebenswegen einer Hunsrücker Familie durch das letzte Jahrhundert. „Heimat“ gab den Deutschen einen (identitätsstiftenden) Begriff zurück. Über die 924-minütige Serie ist schon alles gesagt worden. Deshalb ist dieser Text zum größten Teil eine Materialsammlung aus zeitgenössischen Kritiken und aus Inhaltsangaben zu der neu geschnittenen und digital restaurierten siebenteiligen Fassung, die Arte 2015 ausstrahlt.
Deutsche Bank, Mauerfall, RAF und die Frage, wer die Macht im Kapitalismus hat: „Herrhausen – Der Herr des Geldes“ (ARD Degeto, rbb, HR, SWR / Sperl Film- und Fernsehproduktion) ist ein packendes Biopic im Stile eines historischen Thrillers. Das vielschichtige Drehbuch von Thomas Wendrich schildert die letzten beiden Lebensjahre Alfred Herrhausens, der als Vorstandssprecher der Deutschen Bank und enger Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl Ende der 1980er Jahre kräftig in der Politik mitmischt. Zugleich steht der Top-Manager für eine Zeitenwende im Bankenwesen. Oliver Masucci ist der Dreh- und Angelpunkt in einem umfangreichen, internationalen Ensemble und die perfekte Besetzung für den charismatischen Banker. Pia Strietmann inszeniert die vierteilige Mini-Serie, die im Ersten als Zweiteiler ausgestrahlt wird, als temporeichen Machtkampf auf verschiedenen Ebenen, auf der Vorstandsetage der Deutschen Bank, in den politischen Hinterzimmern und Geheimdienst-Zentralen sowie im Lager der Terroristen.
Eine Berliner Tanzschule, vier Frauen, eine Bruchstelle gelebter Geschichte: Zwei Lebensentwürfe prallen Mitte der 1950er Jahre aufeinander – das Wirtschaftswunder beschleunigt das Vergessen der Kriegsgeneration, der Rock’n’Roll beflügelt das Freiheitsbedürfnis der Jugend. „Ku’damm 56“ nimmt den Zuschauer in ein prüdes Jahrzehnt der Zwänge und der vorgestrigen Gesetze mit – und treibt die Heldin zu neuen Ufern. Der Backfisch tanzt sich frei, die Schwestern heiraten sich hoch und die verhärmte Mutter tanzt auf den Trümmern der braunen Geschichte. Es ist das Nebeneinander von Großem und Kleinem, dem Horizont der Zeit und dem gelebten Alltag, das den besonderen Reiz des ZDF-Dreiteilers ausmacht. Geschichte wird erlebt. Das ist vorbildliches Fernsehen: klug geschrieben, realistisch, überhöht, sinnlich & stilvoll inszeniert. Ein großes Vergnügen!
Berlin 1959, die Schöllack-Töchter sind erwachsen geworden und immer öfter unzufrieden mit ihrem Leben. Mutter Caterina dagegen geht es gut: zwei Mädels komfortabel unter die Haube gebracht, die dritte steht am vielversprechenden Beginn einer großen Karriere, sie ist deren Managerin und dazu noch in einen Regisseur verliebt. Die Geschichte von „Ku’damm 59“ (ZDF / UFA Fiction) schließt nahtlos an „Ku’damm 56“ an. Die Dramaturgie ist vorzüglich, die filmische Ausführung perfekt, die Wirkung mitreißend: Schweres und Leichtes werden harmonisch miteinander verwoben. Der Dreiteiler von Sven Bohse nach dem lebensklugen Drehbuch von Annette Hess lässt Umgangsstil, Musik, Look & Design jener Jahre wiederauferstehen, schließt das gesellschaftliche Über-Ich mit dem gelebten Alltag kurz, erzählt davon, wie schwer es für Frauen damals war, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, und bringt alles in eine geschmeidige, elegante Form. Fazit: ein sinnliches, nahezu perfekt erzähltes, spannendes, wunderbar gespieltes, thematisch dichtes Best of the late Fifties.
Über 300.000 Menschen sind am 28. August 1988 in die US Air Base ins rheinlandpfälzische Ramstein gekommen. Die Flugschau mit Vorführungen internationaler Militärstaffeln sollte ein großes Volksfest werden. Am Ende starben 70 Menschen und mehr als tausend wurden (schwer) verletzt. In „Ramstein – Das durchstoßene Herz“ (SWR / FFP New Media) geht es weniger um die grauenvollen Ereignisse am Unglückstag als vielmehr um die Aufarbeitung der Umstände, die zur Katastrophe geführt haben, und um die psychologischen Folgen für die Opfer. „Ich hoffe auf eine kritische Analyse dieses Vorfalls, damit man daraus lernen kann.“ Dieser Satz eines Arztes im Film spiegelt die Haltung von Autor Holger Karsten Schmidt und Regisseur Kai Wessel wider. Sprache als Mitteilungsmedium (im Gegensatz zum ästhetischen Medium) wird hier vorzüglich eingesetzt. Die Darsteller beleben das Ganze mit realistischem Spiel, und die Zeitebenen werden ungekünstelt und gut verständlich miteinander verschränkt. „Ramstein – Das durchstoßene Herz“ ist ein Paradebeispiel eines dichten, kompakten, von jeder Zufälligkeit befreiten Einzelstücks. Und so ist dieses zeitgeschichtliche Drama nicht nur der bisher beste 90-Minüter in diesem Jahr, sondern auch eine Produktion, die den etwas ins Hintertreffen geratenen Fernsehfilmmachern aufzeigt, wie es (weiter)gehen kann.
“Romeo” (2001) ist einer der besten TV-Dramen der 00er Jahre. In dem großartig gespielten ZDF-Fernsehflm von Hermine Huntgeburth nach dem glänzend recherchierten, dramaturgisch klug und voller Zwischentöne erzählten Drehbuch von Ruth Toma steht eine Sekretärin aus dem Bayerischen Innenministerium im Zentrum, die unerwartet von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Zwei Jahrzehnte hat sie für die DDR spioniert. Jetzt macht man ihr den Prozess. Ein sogenannter Romeo hatte sie zum Staatsverrat animiert – mit Charme & Potenz… Grimme-Preis gekrönt. Ein Film, der in politische Abgründe blicken lässt und der die Absurdität, wie Staatsräson mit der Banalität des Alltags verkuppelt wurde, verdeutlicht.
Schleyer, „Landshut“, Mogadischu, Stammheim – Heinrich Breloer verfilmte 1997 im Zweiteiler „Todesspiel“ den legendären deutschen Herbst 1977. Ein journalistisch anspruchsvolles Projekt, das besonders in Teil 2 auch als Suspense-Thriller funktioniert. Breloer gelang ein Stück televisionärer Geschichtsschreibung, für das die sechswöchige Nachrichtensperre die größte Herausforderung war. Das Ergebnis: Facetten einer bisher unerzählten Geschichte. Aber auch filmisch überzeugt Breloers spannende Fleißarbeit. Die Schauspieler sind bestens gecastet, Hans Brenner als Schleyer ist das Gesicht des Films; der, der einen ebenso emotional in seinen Bann zieht, ist eine reale Person: Helmut Schmidt.
Ende 1989, das DDR-System bricht langsam in sich zusammen. Die Zeitenwende bringt die Freiheit, aber sie sorgt auch für große Verunsicherung. Das spiegelt sich auch im Alltag der Kupfers, die ihrer (politischen) Linie treu bleiben: da ist Martin, der Gemütsmensch, Falk, der Kämpfer und böse Intrigant, Vater Hans, besonnen, Mutter Marlene, krank und voller Sorge. Die horizontal erzählte ARD-Ausnahmeserie „Weißensee“ geht in die dritte Runde – noch dichter erzählt, thematisch noch präziser, noch spannender und mit noch größerer Sogkraft. Eine große Bereicherung ist Lisa Wagner. Top: die Event-Programmierung der ARD!
1990, die Mauer ist weg – alles scheint möglich, nichts sicher. Der Osten liegt am Boden – und der Westen forciert den Ausverkauf. Es finden die ersten freien Volkskammer-Wahlen statt. Die Treuhand wird gegründet. Immer mehr Firmen werden abgewickelt. Mit der Währungsunion kommt der warme D-Mark-Regen, danach droht die Arbeitslosigkeit, und es folgt die Abzocke durch westdeutsche Unternehmen. „Weißensee“, vierte Staffel: Auch die Kupfers bemühen sich, einen Platz im neuen System zu finden. Von den „blühenden Landschaften“ sehen sie nichts. Und dann stehen sich plötzlich Täter und Opfer gegenüber… Mit einer haltungspolitisch dysfunktionalen Familie wie den Kupfers lassen sich nun auch die Widersprüche jenes Zeithorizonts stimmig & umfassend abbilden. Viereinhalb Stunden eine kompakt erzählte Zeitenwende: so komplex wie nötig, so komprimiert wie möglich. Hier bleibt quasi die Historie in der Familie. Ein in jeder Hinsicht spannender Kraftakt, bei dem dramaturgisch & filmisch alles stimmt. Die Figuren werden komplexer, einige ambivalenter. So bekommt die Ausnahmebesetzung mehr denn je wahr(haftig)es Drama zu spielen.
Der Fernsehfilm „Aufbruch“ nach dem autobiographischen Roman von Ulla Hahn erzählt von einer jungen Frau auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Gegen alle Widerstände entflieht sie dem Arbeitermilieu ihrer Eltern und will Schriftstellerin werden. Ein weiterer Aufbruch ist der in eine neue Zeit, raus aus der Adenauer-Ära und ganz langsam rein in eine liberalere Zeit. Frauenbilder prallen aufeinander, Unwissen und Bildung, Arm und Reich, kölscher Dialekt und Hochdeutsch, die Enge der Herkunft und die Freiheit des Geistes: Beim Gang durch die frühen 60er Jahre nimmt einen die bezaubernde Anna Fischer an die Hand – und am Ende fällt es schwer loszulassen… Ein historisch stimmiger Film, eine Top-Leistung aller Gewerke!
„Aufbruch in die Freiheit“ (Relevant Film) erzählt vom Emanzipationsbestreben einer Ehefrau aus der Provinz, Anfang der 1970er Jahre, und von den schmerzhaften Nebenwirkungen, die ihr Weg zu mehr Selbstbestimmung für sich und ihre Familie mit sich bringt. Der ZDF- Fernsehfilm erzählt am Rande auch ein Stück bundesdeutsche Frauenbewegung: glänzend die Idee, die Geschichte dieser Frau herumzubauen um die für die Abschaffung des §218 so wichtige „Stern“-Story „Wir haben abgetrieben“. Dadurch bekommt die private Geschichte einen politischen Überbau, wird Familie auf den gesellschaftlichen Horizont der Zeit gehoben. Dem konsequent subjektiv erzählten Drama geht es weniger um die Abrechnung mit einer patriarchalischen Justiz oder einer Grundsatzkritik am Staat, sondern um den feministischen Neuanfang, um mehr Rechte für die unterdrückten Frauen. Dazu gehörte es, den Mund aufzumachen und eine Sprache zu finden für die neuen Erfahrungen. Anna Schudt trägt diese Aufbruchsgeschichte, oft reicht ein Blick ins Gesicht der wunderbaren Schauspielerin. Da ist immer wieder Angst zu erkennen, Stress, Unsicherheit, Leere, Schmerz und auch mal ein Lächeln. Schudt bringt uns diese gut erzählte, unaufgeregt & mit einer dezenten historischen Zeichensprache inszenierte Geschichte nahe. Ihr Spiel ist beeindruckend & preiswürdig.
Die dritte Staffel der ARD-Serie „Charité“ (MDR, Degeto / Ufa Fiction) spielt in den Tagen des Mauerbaus, von Anfang August bis Anfang Oktober 1961. Im Zentrum steht zum dritten Mal eine junge Frau als fiktive Hauptfigur: Die Ärztin Dr. Ella Wendt (Nina Gummich) beginnt ihre Karriere auf der Inneren Station der Berliner Universitäts-Klinik und forscht nebenbei an der Früherkennung von Krebs. Erneut erzählt die Serie aber auch von den realen Koryphäen jener Zeit, von Gerichtsmediziner Otto Prokop, Gynäkologe Helmut Kraatz und Kinderärztin Ingeborg Rapoport. Gegenüber der zweiten Staffel aus der NS-Zeit wirken diese sechs Folgen dramaturgisch reduzierter, dichter, ja intimer, und filmisch können sie mehr denn je mit US-Premium-Dramaserien mithalten. „Charité“ bleibt eine Serie, die die politischen Verhältnisse, Frauen-Emanzipation und den Entwicklungsstand der Medizin mit dramatischen und emotionalen Geschichten zu verbinden versteht – erneut mit einem starken Ensemble (Nina Gummich, Nina Kunzendorf, Philipp Hochmair), authentischer Anmutung und klug ausgewählten medizinischen Fällen. Und die hier „gelebte“ Leidenschaft für wissenschaftliche Forschung könnte kaum aktueller und relevanter sein als mitten in einer Pandemie.
„Harmlos wie Zuckerplätzchen“, warb vor 50 Jahren das Pharmaunternehmen Grünenthal für sein neues Beruhigungsmittel Contergan. Doch die Wirkung war verheerend. Das Mittel hatte zu starken Missbildungen bei Tausenden von Neugeborenen geführt. Dem Pharmaskandal folgte ein Justizskandal. 37 Jahre nach Prozess-Ende zu einem weiteren Rechtsskandal (um den Film) gekommen. Es wäre tragisch gewesen, wenn Adolf Winkelmanns Zweiteiler, dessen David-gegen-Goliath-Geschichte auch ein Sittenbild der 60er Jahre ist, im Giftschrank verschwunden wäre. Selten ist ein historischer Stoff mit so viel publizistischer Akribie, dramaturgischer Feinfühligkeit, Liebe zum zeitgeschichtlichen Detail bearbeitet worden.
Die 1980er Jahre als das Jahrzehnt von Simulation & Mode: das Leben eine Inszenierung, Kommunikation ein Rollenspiel, ein Tanz der Zeichen – und mittendrin ein Prominenter, der das alles verkörpert. Alexander Adolph liest die Biographie von Rudolph Moshammer gegen den Strich der TV-Konvention, schlachtet weder Tod noch Trieb des exzentrischen Modemachers aus, sondern entwickelt ein Zeitgeist-nahes Psychogramm seines Helden, indem er das Wesen jenes Jahrzehnts, jene Jubeljahre eines obszönen Kapitalismus‘, sich in der Geschichte und dem klug reduzierten Personal spiegeln lässt. Und so ist „Der große Rudolph“ (ARD / Producers at work) eine fein ziselierte, köstlich gespielte, wunderbar wendungsreiche Gesellschafts-Satire geworden in der Tradition von Wedel & Dietl, mit dem Unterschied, dass Adolph, keinen figurenintensiven Zeithorizont entwickelt, sondern lieber im Detail das Wesen jener postmodern-narzisstischen Epoche (die nachwirkt) in seine Tragikomödie einarbeitet. Eine Aschenputtelfigur gibt es auch noch. Das wirkt klein und ist doch großes Fernsehen.
„Der Stich des Skorpion“ ist nach der Autobiografie des Lyrikers Wolfgang Welsch, „Ich war Staatsfeind Nr. 1“, entstanden. Mehr als 200 Ostdeutsche schleuste er über Bulgarien und Rumänien in den Westen ein. Deutsch-deutsche Politik als packender Fernsehfilm von Holger Karsten Schmidt (Buch) und Stephan Wagner (Regie).
Der 1929er Jahrgang galt als „verlorene Generation“. Die in diesem Jahr Geborenen gehörten zum „Volkssturm“ und mussten die Gräuel des Krieges aus nächster Nähe mitansehen. „Die Freibadclique“ erzählt von diesen Jungs, die viel zu früh ihre Unschuld verloren und das Erlebte nur schwer bewältigen konnten. Der Autor und Regisseur Oliver Storz (1929-2011) kam nie wirklich los von dieser Zeit. Noch drei Jahre vor seinem Tod schrieb er den autobiografischen Roman „Die Freibadclique“. Friedemann Fromm hat ihn ebenso frei wie kongenial verfilmt. Es ist ein Film über den Krieg, über die trügerische Freiheit im Sommer 1945, über das Erwachsenwerden. Hormonstau und Angst ums Überleben gehen Hand in Hand; brutal reißt der Krieg die Fünf aus ihren feuchten Träumen. Eindrucksvoll spielt Fromm mit der Ikonografie des amerikanischen Film Noir, während die Freundschaft in der Ästhetik des Nationalsozialismus ebenso eindrucksvoll ihren Ausdruck findet. Jonathan Berlin und Theo Trebs sind die Gesichter des Films; ihre Physis, ihre Blicke bleiben in Erinnerung.
„Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution“ (MDR, Degeto, BR / UFA Fiction) schildert ein bislang kaum erzähltes Kapitel der ostdeutschen Geschichte der 1980er Jahre. Der poetisch-kraftvolle Titel wurde von Peter Wensierskis faktenreichem Sachbuch übernommen. Der renommierte Autor Thomas Kirchner hat es für sein Drehbuch frei fiktionalisiert. Um die Umwelt zu retten, mussten die jungen Leute den Staat stürzen, bringt es Kirchner auf den Punkt. Aus einer kirchlichen Umweltgruppe wurden politische Aktivisten. Erfreulicherweise wird auf eine übermäßige Dramatisierung des Stoffs verzichtet. Das Unrecht des Staates schwingt zwar mit, aber im Zentrum stehen die jungen Bürgerrechtler. Emotional getragen wird „Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution“ entsprechend von der jugendlichen Euphorie der Bewegung, der mit großer Sympathie begegnet wird. Indem Kirchner & und Regisseur Andy Fetscher auch den jugendlichen Leichtsinn „authentisch“ nachzeichnen, legt sich die titelgebende Leichtigkeit der Revolution über die Geschichte und lässt so das Naiv-Konventionelle an der Heldengeschichte vergessen. Entsprechend mitreißend spielt Janina Fautz die weibliche Hauptfigur als frech-frische Verkörperung des Prinzip Hoffnung.
Als „eine Parabel auf das geteilte Deutschland und seine Wiedervereinigung“ bezeichnet der Autor und Regisseur Friedemann Fromm sein dreiteiliges Doku-Drama „Die Wölfe“. Ein Panorama vom Kriegsende bis zum Mauerfall zu spannen und die Geschichte Berlins zu erzählen – das war die Aufgabenstellung für das Sechs-Millionen-Euro-Projekt, das in der Zeitgeschichte-Redaktion von Guido Knopp angesiedelt ist. Formale Forderung: erfundene Figuren, keine Zeitzeugen, kein Kommentar, aber Filmausschnitte aus der Zeit.