Da soll noch mal einer sagen, deutsche Sitcoms würden nur gähnende Langeweile erzeugen! Nach den klassischen Kurzformaten wie „Stromberg“ oder „Türkisch für Anfänger“ beweist „Doctor’s Diary – Männer sind die beste Medizin“, dass die Pro-Sieben-Serie „Dr. Psycho“ keine Ausnahme war. Offenbar gelingt es nun auch den Autoren hierzulande, aus Comedys mehr als kurzatmige Nummernrevues zu machen. Ein bisschen Drama muss sein, denn ohne stimmige Psychologie verhallt das Lachen nur allzu schnell. Wer eine Dr. Gretchen Haase hat, der kriegt auch 45 Minuten ohne Hänger über die Runden.
Die junge Frau stand kurz vor der Trauung, als ihr Bräutigam zum Seitensprung ansetzte. Also, bye, bye, trautes Familienglück. Gretchen will nun doch lieber Karriere machen. Schon als sie ihren Jugendschwarm mit 13 Jahren und Zahnspange aus einer Ohnmacht wach küsste, wusste sie, dass sie Ärztin werden wollte. Ausgerechnet während ihrer Facharztausbildung in der Klinik ihres Vaters begegnet ihr nun jener heiß geliebte Schicksalsbote aus der Teenagerzeit wieder – als ihr Chef. Noch immer ist er ein unverbesserlicher Schürzenjäger, schrecklich arrogant, aber vor allem sieht er schrecklich gut aus. Und zu einem weiteren Weißkittel füllt sich Gretchen hingezogen. Der schüchterne Gynäkologe Dr. Mehdi Kaan ist der Mann, dem Frauen vertrauen. Vor allem die eigene.
Diana Amft spielt Gretchen Haase und wandelt dabei sichtlich auf den Spuren von Schokoladen-Fan Bridget Jones. Die 32-jährige ist umwerfend komisch, aber auch Liebeskummer und Verzweiflung bringt sie mit der richtigen Note rüber. Immer etwas neben der Rolle und doch mittendrin – die ideale Methode für ein dramaturgisch schizophrenes Format wie diese wunderbare RTL-Serie. So souverän kann sie agieren, weil sie die Psychologie der Figur absolut verstanden hat. „Sie ist eine Frau mit alltäglichen Problemen und Problemzonen, jemand, der liebenswürdig, chaotisch und eben doch nicht so perfekt ist“, so Amft. „Damit können sich sehr viele Frauen identifizieren.“ Und der Rest ist komisches Handwerk. Diana Amft ist Fan der amerikanischen Urmutter der TV-Comedy, „Saturday Night Life“. Wie viele deren Stars besuchte auch sie einige Monate in Los Angeles die Talentschmiede „The Groundlings“. Das war im Übrigen nach den Dreharbeiten zu „Doctor’s Diary“. Diana Amft, die mit „Mädchen, Mädchen“ erstmals auf sich aufmerksam machte, scheint wie Felicitas Woll oder Wolke Hegenbarth ein komisches Naturtalent zu sein. Und sie hat ein Lächeln, dem man sich schwer entziehen kann.
Für die Klasse der Serie sind aber noch andere mitverantwortlich: Oliver Schmitz („Arme Millionäre“) und Sophie-Allet-Coche („Mein Leben und ich“) haben viel Sitcom-Erfahrung und großes Gespür für Timing. Die Kollegen von Diana Amft überzeugen durchweg – allen voran Florian David Fitz als Schönling MM und Ursela Monn als köstlich schräge Mutter der Heldin. Dramaturgisches Herz der Serie ist Head-Writer Bora Dagtekin. Der Grimme-Preisträger („Türkisch für Anfänger“) schreibt perfekte Dialoge und das Wechselspiel der Tonlagen klappt in bester US-Sitcom-Manier. Bitterböse Gags über den Klinik-Alltag finden genau so Eingang in die Serie wie die mit einem Augenzwinkern belegten Klischeebilder weiblicher Romantik. Wahrheit und Witz kommen gleichermaßen zu ihrem Recht. Da hätte mitunter auch Freud seine Freude dran. (Text-Stand: 23.6.2008)