Sterben für Beginner

Hasanovic, Hubacher, Jung, Gollhardt, Klandt. Das Leben ist ein mieser Verräter

23.04.2025 10:00 ZDF-Stream Streaming-Premiere
05.05.2025 20:15 ZDF TV-Premiere
Foto: ZDF / Hardy Spitz
Foto Rainer Tittelbach

Im ZDF-Fernsehfilm „Sterben für Beginner“ (Producers at Work) schlägt das Schicksal gleich mehrfach zu: Ein dem Tod geweihter junger Mann um die 30 hinterlässt seine geliebte schwangere Frau und ein Kind, das seinen Vater nicht kennenlernen wird. Aber zum Schicksal gehört auch die positive Fügung, dass ein Zufall den besten Freund Bestatter werden und zu einer neuen Lebenshaltung konvertieren lässt. Neben der Geschichte eines Reifeprozesses erzählt dieser umsichtig, unaufdringlich und ästhetisch zeitgemäße Film vom Umgang mit dem Tod. Die Macher beschreiben das Wechselbad der Gefühle und spiegeln so sehr präzise – zwischen tiefem Schmerz und schöner Innigkeit – ein Stück Sterberealität wider. Endlich einmal steht der gewöhnliche Tod und nicht die medial bevorzugte gewaltsame Variante des Sterbens im Mittelpunkt eines Fernsehfilms. Dies und die großartige Besetzung sollten gefeiert werden!

Das Schicksal weist Eric (Edin Hasanovic) den Weg – aus der scheinbar hippen Musikbranche in die vermeintlich tote Welt der Särge und Beerdigungen. Obwohl er keinerlei Referenzen aufzuweisen hat, stellt ihn Bestatter Mutz (Peter Kurth) auf Probe ein. Es wird einfach zurzeit zu viel gestorben. Als ob er es geahnt hätte. Denn auch sein bester Freund Alex (Max Hubacher) hat nicht mehr lange zu leben. Sein Gehirntumor ist inoperabel. Noch weiß Eric nicht, was da auf ihn zukommen wird, und noch hat er keine Ahnung, wie das geht: sich verabschieden. Zunächst einmal will er mit Alex noch ein paar gute, letzte Tage verbringen und auch dessen schwangerer Lebenspartnerin Karla (Svenja Jung) ein guter Freund sein. Sie trifft es besonders hart: Sie verliert die Liebe ihres Lebens, den Vater ihres Kindes, und zu wissen, dass Alex sein Kind niemals sehen wird, könnte sie verzweifeln lassen; doch sie spürt Verantwortung, ihrem Kind und Max gegenüber. Der verdrängt zunächst den Tod, tagträumt von besseren Zeiten, hofft und zehrt von Liebe und Freundschaft. Doch dann muss auch er sich dem Unausweichlichen stellen. „Ich will, dass du mich unter die Erde bringst.“ Jetzt hat Eric für alles, was kommt, die volle Verantwortung: Sterbebegleitung, Trauerfeier, Beerdigung – und er muss für einen Konflikt zwischen Karla und Max‘ Eltern (Steffi Kühnert, Wolfram Koch) eine salomonische Lösung finden.

Sterben für BeginnerFoto: ZDF / Hardy Spitz
„Das muss hier ganz anders ablaufen – menschlicher.“ Eric (Edin Hasanovic) hat seinen Job als Musikmanager gekündigt und macht nun ein Praktikum bei Volker Mutz (Peter Kurth), einem Bestatter alter Schule. Mit dem Fest des Lebens hat er es nicht so.

Das Schicksal ist ein mieser Verräter. Im ZDF-Fernsehfilm „Sterben für Beginner“ schlägt das Schicksal gleich mehrfach zu: Denn der Tote hinterlässt eine schwangere Witwe und ein Kind, das seinen Vater nicht kennenlernen wird. Aber zum Schicksal gehört eben auch die positive Fügung, dass der beste Freund durch Zufall in einem Hinterhof jenes Bestattungsinstitut entdeckt, das ihn zu einer neuen Lebenshaltung konvertieren lässt. Sein Chef ist zwar ein Bestatter alter Schule, aber Alina (Luna Jordan), eine Künstlerin im „Vorbereitungsraum“, führt ihn ein in die Interaktion mit den Toten. „Die Toten sind noch immer Menschen, auch wenn sie kalt sind und riechen.“ Während der Versorgung, dem Waschen, dem Schminken, spielt sie eine Musik, die dem Toten gefallen haben könnte, die zu ihm passt. Einmal wählt Eric „Paint it black“, weil er in dem Toten einen Rockfan sieht. Anita aber wechselt überraschend zu einer klassischen Cello-Suite; sie hat auf seinem Körper ein Musiknotentattoo entdeckt. Eric lernt von ihr das nötige Feingefühl für den Job, der spätestens als er Alex‘ letzten Gang organisieren muss, für ihn zur Berufung wird. Das Sterben des Freundes wird für Eric die bisher größte Herausforderung im Leben.

„Sterben für Beginner“ ist ein Film über den wohl am meisten tabuisierten Aspekt des Lebens, den Tod, und ein Film darüber, wie man jemanden so menschlich und so stimmig wie möglich unter die Erde bringt. In der Geschichte sind Freundschaft und Gemeinschaft die Schlüssel zu einem individuellen Abgang: So war Alex, der Kneipier, so hat er gelebt, so soll er vom Leben verabschiedet werden. Der Bestatter Mutz hat anders um seine Frau getrauert und sie entsprechend anders beerdigt: still und leise, allein, nur er und sein Schmerz. Der Film bewertet das nicht. In der Geschichte von Drehbuchautor Benedikt Gollhardt („Frau Temme sucht das Glück“) und Regisseur Christian Klandt („Wir sind jetzt“, „Wir“) steht allerdings die das Leben laut feiernde Variante im Mittelpunkt. Das überträgt sich auf die Tonalität dieser 90-minütigen Filmerzählung, die in Web und App in einem 15 Minuten längeren Director’s Cut zu sehen ist. Es lastet keine bleierne Schwere auf dieser endgültigen letzten Reise des so lockeren Alex, der immer für alles offen war, nur jetzt nicht für seinen eigenen Tod. Dass die Geschichte nicht im Schmerz versinkt oder in Tränen ertrinkt, das liegt auch an der Erzählperspektive. Eric, der Freund, ist die Hauptfigur. Und so kreist dieser Film nach Eric Wredes Sachbuch „The End: Das Buch vom Tod“ um den Umgang mit dem Sterben, für den, dem nur noch wenig Zeit bleibt, aber vor allem für alle seine Liebsten, die weiterleben. Zugutekommt Eric und damit auch den anderen Hinterbliebenen seine berufliche Veränderung. „Sterben für Beginner“ ist also auch die Geschichte einer Wandlung, erzählt von einem Reifungsprozess, von einem ewigen Jungen, der plötzlich im Mittelpunkt steht und der für sich und andere Verantwortung übernehmen muss.

Sterben für BeginnerFoto: ZDF / Hardy Spitz
Die schwangere Karla (Svenja Jung) wacht an Alex‘ (Max Hubacher) Seite. Klein, leise, unaufdringlich erzählt der Film von den Gefühlen, die alle Charaktere befällt. Das hat neben dem moralischen vor allem auch einen dramaturgischen & ästhetischen Wert.

Für gewöhnlich verdrängt auch das Fernsehen – den zahllosen Krimileichen zum Trotz – diesen Bestandteil des Lebens, indem es eine eher seltene Variante des Sterbens, den gewaltsamen Tod, ins narrative Zentrum seiner Fiktionen rückt. Indirekt desavouiert also auch dieses hierzulande größtenteils öffentlich-rechtliche Medium den natürlichen Prozess des Sterbens, weil es den ganz gewöhnlichen Tod für nicht erzählenswert hält, ihn jedoch allzu gern als Fallhöhen-Verstärker für jede Art von Drama missbraucht. Den Tod als zum Leben dazugehörend darzustellen und sensibilisierend ins Bewusstsein des Zuschauers zu rücken, ist ein ethisch-moralischer Wert an sich, der nicht geringgeschätzt werden sollte. Es spricht auch für einen Film, wenn er das gern Verdrängte aufbricht und den Zuschauer veranlasst, sich an eigene Erfahrungen mit dem Tod zu erinnern, an Bilder, vielleicht nur ganz flüchtig, assoziativ, ein blitzartiges Gedenken einer verstorbenen Person. „Sterben für Beginner“ ist die erste TV-Produktion 2025, die durch ihr transzendentes Wirken eine Fernsehkritik in Richtung „Erlebnis“ öffnet (siehe: Was bringt das neue tittelbach.tv?).

Ihren hohen Stellenwert erhält diese ZDF-Tragikomödie allerdings erst durch ihre besondere Erzählweise. Den Tränen der Trauer können Tränen des Glücks folgen und umgekehrt. Die Chronologie des Sterbeprozess ist vorgegeben. Und doch gibt es immer wieder Ausschläge in die andere Richtung der Gefühle. Eine Totale deutet verschwommen an, dass die Zeit des Hoffens vorbei ist. Und was macht Alex? Er nimmt ein Video auf und flippt dabei herum, wie es seine Art ist. „Ich bin dein Papa. Leider kann ich dich nicht mehr in den Arm nehmen … Ich pass’ vom Himmel auf, dass dir nichts passiert.“ In diese Szene platzt Karla, die noch nichts vom letzten Befund weiß, die Blicke beider treffen sich. Und sie versteht. Es folgt ein fließender Übergang in eine Umarmung – mit Eric. Und dann ist auf einmal Party in Alex‘ Kneipe, der noch einmal eine Rede schwingt. Kurz danach kommt Alex mit der Heiratsidee um die Ecke, die bei Karla erst mal für Befremden sorgt: „Ich will keine Witwe sein!“ Jetzt brechen Ängste und Verzweiflung offen aus ihr heraus. Eine Hochzeit gibt es dann aber doch …

Sterben für Beginner
Die Familie rückt zusammen. Alex (Max Hubacher), seine Eltern (Steffi Kühnert, Wolfram Koch) und Eric (Edin Hasanovic) bei der Hochzeit. Einen Streitpunkt gibt es allerdings: die letzte Ruhestätte. Dieses kleine Bisschen Dramaturgie ist verzeihlich, wirkt das Problem doch keineswegs realitätsfern. Und auch die Lösung, die der Bestatter/Freund am Ende des Films findet, passt ins Bild.

Soundtrack: David Cordier, Cologne Radio Orchestra … („Ellens Gesang III“), Dirtmusic („Black Gravity“), Carla Boni („Concerto d’autumno“), Future Islands („Peach“), Hildegard Knef („In dieser Stadt“), Hayden Thorpe („Love Crimes“), Yurtseven Kardesler („Hop De Bakim“), Rolling Stones („Paint It Black“), BTO („You Ain’t Seen Nothin‘ Yet“), Madraguda („Salt“), Two Feet („44 Lies“), Fleetwood Mac („You Make Lovin‘ Fun“), Klee (Erinner dich“), Real Life („Send Me An Angel“)

Die Narration ist geprägt von einem ständigen Wechselbad der Gefühle. Das Gute daran: Es spiegelt sich darin ein Stück Sterberealität, ein Vermitteln zwischen tiefem Schmerz und schöner Innigkeit. Nie hat man in „Sterben für Beginner“ den Eindruck, die Dramaturgie übernehme die Regie. Selbst dann, wenn Alex bereits auf einen Rollstuhl angewiesen ist, kündet eine sehr sinnlich inszenierte Montage von großer Liebe, gleichzeitig ist die irdische Endlichkeit in diese Bilder eingeschrieben. Von großer Sensibilität zeugt auch die Sterbeszene: ein Meer von Kerzen, Freunde und Verwandte im Raum, das behutsame Öffnen des Fensters – eine schöne Distanz zum Geschehen. Es stimmt so vieles in diesem umsichtig, unaufdringlich und ästhetisch zeitgemäßen Film. Dass das schwierige Thema so gut funktioniert und sein (ausgewähltes) Publikum erreichen dürfte, liegt – last but not least – auch an der großartigen Besetzung: Kaum einem lässt sich die Rolle des erwachsenen ewigen Jungen so glaubwürdig abnehmen wie Edin Hasanovic, Svenja Jung überzeugt einmal mehr in allen Tonlagen, und der Schweizer Max Hubacher ist spätestens seit „Morden auf Öd“ (RTL, 2025) zu Recht kein Geheimtipp mehr.

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Edin Hasanovic, Max Hubacher, Svenja Jung, Peter Kurth, Luna Jordan, Steffi Kühnert, Wolfram Koch, Rike Eckermann, Martina Schöne-Radunski

Kamera: René Gorski

Szenenbild: Gabriele Wolff

Kostüm: Elisa Cappell

Schnitt: Julia Steinke

Musik: Johannes Repka

Redaktion: Solveig Cornelison

Produktionsfirma: Producers at Work

Produktion: Christian Popp, Tobias Stille

Drehbuch: Benedikt Gollhardt – nach dem Sachbuch „The End – Das Buch vom Tod“ von Eric Wrede

Regie: Christian Klandt

EA: 23.04.2025 10:00 Uhr | ZDF-Mediathek

weitere EA: 05.05.2025 20:15 Uhr | ZDF

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