Villa Donnerhall, das klingt nach Schicksal. Nach der frustrierenden Wohnungssuche in Köln können es Emma (Cristina do Rego) und Felix (Benito Bause) dann auch kaum glauben: ein hochherrschaftliches Adelsgut für lau! Beide träumen von einem Hotel; noch wissen sie nicht, dass sich bereits Gäste in ihrem geerbten Domizil eingemietet haben – sieben Geister: der Neandertaler Urs (Jan van Weyde), der römische Legionär Claudius (Max Giermann), die feministische Magd Griet (Meltem Kaptan), der romantische Dichter Friedrich (Alexander Khuon), die etepetete Gräfin Adelheid (Antje Widdra), die harmoniebedürftige Lehrerin Svenni (Sina Tkotsch) und der lüsterne Versicherungsvertreter Joachim (Sebastian Schwarz). Das Herrenhaus und dessen Grund haben eine bewegte Vergangenheit. Alle diese Sieben sind in den verschiedensten Jahrhunderten auf diesem Flecken Erde zu Tode gekommen. Weil sie keines natürlichen Todes gestorben sind, müssen sie an Ort und Stelle „fürs erste“ weiterspuken. Zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen, passt es ihnen gar nicht, dass sich hier zwei Lebende einnisten – und dann auch noch ein Hotel! Ihr Plan: Sie wollen die Eindringlinge mit Spuk vertreiben. Nur, ihre Geister-Gaben sind begrenzt; zudem sind sie alle viel zu nett. Doch dann hat Emma einen Unfall – und sieht plötzlich Gespenster!
Foto: WDR / BBC Studios / Frank Dicks
Mit dem dramaturgischen Trick, dass die lebende Emma die Geister sehen kann, wird in der sechsteiligen Comedy-Serie „Ghosts“ (ab der zweiten Folge) ein Band zwischen Mensch und Geisterwesen geknüpft. Kommunikation ist möglich – obgleich echtes Verstehen nicht immer leichtfällt. So hat die patente, aufgeklärte Emma rasch für jeden Geist die passende Bewertung parat: von „Gräfin von Stock im Arsch“ über „Zombie-Goethe“ bis zu „80er-Jahre-Trulla mit einem sehr schlechten Halloween-Gag“. Aber sie und auch die Kriegstreiber der Gegenseite, die anfangs noch das Pärchen im Sinne von „Totmach‘, beide“ oder „Gewalt ist immer eine Lösung“ loswerden wollten, gewöhnen sich mehr und mehr an die ungleichen Mitbewohner, ja, gewinnen sie geradezu lieb. Und obgleich die Geister – wie man hört, aber nicht sieht – das Intimleben der neuen Hotelbesitzer beträchtlich stören, scheint es ohne sie – wie die Schlusseinstellung der letzten Folge nahelegt – gruselig einsam zu werden in diesem alten Kasten. Ohne die anderen, die Gegenwelt, wird es auf Dauer langweilig. Der moralische Subtext der Serie ist also vorgegeben: Miteinander statt gegeneinander, Gegensätze sind zum Aushalten da, vitale Gemeinschaft obsiegt über traute Zweisamkeit, das Eigenwillige über das Genormte. Und dass einen diese latenten Botschaften nicht anschreien, macht die Serie umso sympathischer.
Foto: WDR / BBC Studios / Frank Dicks
„Ghosts“ ist die deutsche Version einer britischen 24-teiligen Erfolgsserie, von der es bereits eine von Kritik und Publikum nicht minder anerkannte US-Adaption gibt. Während die amerikanische von mehreren Streamern angeboten wird, kann man hierzulande – einigen Medien(falsch)meldungen zum Trotz – das Original leider nicht sehen (wäre was für ZDFneo!). So lassen sich allenfalls Plot-Inhalte und Charaktere vergleichen. Was in der BBC-Comedy ein in einen Sex-Skandal verwickelter Tory-Politiker ist, wird in der WDR-Produktion zu einem Versicherungsvertreter, dem kein Witz zu flach und keine Sexplikation zu peinlich ist. Beiden gemeinsam: Der Exitus ereilte sie mit heruntergelassener Hose – was dazu führt, dass sie als Geist beide ohne Beinkleid auskommen müssen. Aus dem Leiter einer Pfadfinder-Gruppe machte das vierköpfige Autorenteam (Yves Hensel, Aylin Kockler, Erik Haffner, Claudius Pläging) eine Waldorflehrerin, die im Gegensatz zu den aggressiveren Urvätern der Geistergemeinschaft stets ausgleichend und kompromissbereit auf die Gruppe einwirkt. Beide Figuren fanden beim Kinderbogenschießen den Tod; der Pfeil steckt auch heute noch im Hals der aparten Svenni. Und schließlich wurde aus einem schwulen Offizier ein römischer Legionär, dem auch eine gewisse homosexuelle Neigung anzumerken ist. Für die Charakterisierung gilt Gleiches wie für die gesetzten Themen: Die besonderen Eigenschaften sind für Comedy-Verhältnisse nur selten unangenehm überzeichnet. Moral und Witz halten sich die Waage. Und da die Serie auch auf Human Touch abzielt, wird trotz Comic-artiger Psychologie keiner der Geister zur bloßen Karikatur. Diese Rolle übernimmt noch am ehesten der Herr im Haus, ein im Vergleich mit der „Familienmanagerin“ tolpatschiger Zeitgenosse, der (nicht nur) mit seinen zwei linken Händen kein Fettnäpfchen auslässt. Benito Bause spielt ihn allerdings ähnlich charmant und einnehmend wie Cristina do Rego ihre Emma – wodurch das Rollenklischee weitgehend überdeckt wird.
Foto: WDR / BBC Studios / Frank Dicks
Dass aus einem Filmdreh auf dem Donnerhall-Anwesen eine Hochzeit wird, passt zu dem Anspruch von Produzentin Eva Holtmann, „eine emotionale Comedyserie über das Jung- und Verliebtsein, über das Zusammenleben, über Freundschaften und über das Anderssein und sich okay damit fühlen“ machen zu wollen. Die Hochzeit-Folge ist die emotionalste, denn in sie ist auch die Beziehung von Emma und Felix gefühlsbetont eingearbeitet. Dass zwei Frauen heiraten ist hier mehr als ein reflexartiges Zugeständnis an den Zeitgeist, auch die Geister haben dazu eine erfrischende Haltung („Bei uns im Römischen Reich war das ganz normal, bei Männern jedenfalls“). Die sechs Folgen machen Spaß und vergehen wie im Nu – und doch hat man den Eindruck, dass das Ganze noch etwas dichter und schräger geht. Die amüsante Andere-Zeiten-andere-Sitten-Kontrastkomik wird im Laufe der sechs Folgen zunehmend heruntergefahren. Das ist in der amerikanischen Version anders. Diese spielt auch effektiver mit dem Geister-da-Geister-weg-Effekt und dem daraus entstehenden „Machtgefälle“ zwischen dem Paar. Sie ist universal komischer, der Witz geistreicher, die Interaktionen vielstimmiger und vor allem vielschichtiger. Die US-Version ist visuell dunkler, schneller, und popkulturell fällt den Amis auch mehr ein (natürlich war auch das Budget ein anderes).
In Sachen (narrative) Diversität – verschiedene Zeiten, verschiedene Geschlechterrollen, verschiedene Weltbilder, soziale und ethnische Vielfalt – sind beide Versionen gleichermaßen gelungen. Und auch wenn schwarzer Humor und deftiger Sprachwitz bei den deutschen, familientauglichen „Geistern“ fehlen und die Sehnsucht des Kritikers nach dem Brit-Comedy-Original (das von Prime Video international für 16+ empfohlen wird) nach sechs gesehenen deutschen und zwölf amerikanischen Folgen wächst, so funktioniert auch die menschelnde „Ghosts“-Version der etwas anderen WG-Serie von Erik Haffner („Pastewka“) zumindest so gut, dass man gern weiterschauen würde. Diese sechs schmackhaften Comedy-Häppchen machen auf jeden Fall noch nicht satt.
1 Antwort
Mag sein dass die US Version schneller ist, aber in der deutschen Fassung können sich die Figuren besser entwickeln. Und neben einem exzellenten Ensemble ist Antje Widdra als Adelheid/Lady Fanny wirklich unschlagbar!