Die Idee vom traurigen Gespenst, das auf ewig zum Spuken verdammt ist und von einem Kind vom Fluch erlöst wird, hätte Hollywood nicht besser erfinden können. Die Autorin und Regisseurin Isabel Kleefeld hat sich die Geschichte im Übrigen nicht selber ausgedacht, sondern der Schriftsteller Oscar Wilde, und filmisch stand der Kinohausgeist „Casper“ Pate. Der Grusel hält sich im harmlosen Rahmen der familienfreundlichen Botschaft. So ist „Das Gespenst von Canterville“ nichts für Adrenalin-Junkies. Die zeitlose Geschichte wird mit liebevollen Tricks, denen man den Animationsaufwand lobenswerterweise nicht anmerkt, und mit einigen Zeitgeist-Momenten an die Bedürfnisse des heutigen Zuschauers angepasst.
Statt britisch-amerikanischem Kulturkampf wie in der Vorlage tobt im Sat-1-Movie gelegentlich der Geschlechter- und Generationenkampf einer modernen Traditionsfamilie: Papa arbeitet, Mama fühlt sich allein gelassen und in der Psyche der Kinder spiegelt sich der Zustand der Ehe. Das ist gut ausgedacht – und ebenso nett und konfliktarm umgesetzt. Vor allem zu Beginn dauerte es eine Zeit, bis der Funke überspringt. Erst als sich der zehnjährige Angsthase Paul mit dem Geist anfreundet, bekommt das klamaukige Treiben seinen tieferen Sinn. Paul wächst über sich hinaus und die Eltern erinnern sich wieder ihrer Liebe. Ein Friede-Freude-Eierkuchen-Märchen und zugleich ein sehr gelungener Versuch, ein vergessenes Kinogenre für den Bildschirm zu reaktivieren. (Text-Stand: 9.4.2005)
Foto: Sat 1 / Barbara Bauriedl