Die Nibelungen-Sage gehört zu den bedeutendsten Dichtungen des Mittelalters. Hollywood hätte sie sich nicht besser ausdenken können: jene Heldengeschichte vom mutigen Schmied, der in Wahrheit ein Königssohn ist, der auszieht, den Drachen zu besiegen, und zurückkehrt mit einem verfluchten Schatz. Aber auch jene amourösen Irrungen, die schon im Mittelalter die Zuhörer in ihren Bann schlugen, besitzen leinwandsprengende Kraft. Freilich, das Happy End war für germanische Recken und nordische Walküren noch nicht erfunden. Also lodert in den “Nibelungen” das Feuer der Eifersucht, nachdem Siegfried im Drachenblut badet und mit Tarnkappe des Königs Gunther mangelhafte Durchschlagskraft bei Brunhilde ausbügelt. Gier, Liebe, Rachsucht treiben die Menschen in einen Mordrausch, der in einem Blutbad endet.
“Es ist eine deutsche Katastrophen-Geschichte”, sagt Regisseur Uli Edel. Schon vor über 20 Jahren wollte er “Die Nibelungen” verfilmen. “Doch für die Produzenten war die Geschichte bislang immer zu düster und zu blutig.” So sehr der zeitlose Stoff auch die Bedürfnisse nach Action, Drama und Leidenschaft befriedigt – Helden sterben sieht kein Zuschauer gern. Doch nach dem phänomenalen Erfolg der “Herr der Ringe”-Trilogie im Kino schien auch für Siegfried & Co die Zeit gekommen. 20 Millionen Euro machte Sat 1 für das visuell sehr überzeugende Spektakel locker. Trotzdem wäre ohne die heutigen Möglichkeiten der digitalen Technik ein solcher Film nie zustande gekommen. Über 60 Prozent der Szenen liegen visuelle Effekte aus dem Computer zugrunde. Nicht nur der Drache wurde vollständig im Rechner zum Leben erweckt, auch viele Schauplätze wurden aus Versatzstücken realer Bauten, Landschaften und Fotografien kombiniert. Selbst die Drehorte hatten nichts mit den Originalschauplätzen der Sage zu tun: Südafrika wurde gewählt, weil man hier noch im Winter 12 Stunden am Tag drehen konnte. Nur so schaffte Edel die 180 Minuten in 54 Tagen.
Der Deutsche mit Wahlheimat USA, legte Wert darauf, das Drama nicht den Effekten zu opfern. Deshalb war es für ihn wichtig, einen wie Benno Fürmann zu verpflichten. Der war zunächst skeptisch. Denn für den Charakterdarsteller war der Siegfried “die erste Rolle, die innerhalb einer Dramaturgie funktioniert, die nicht aus dem Alltag gegriffen ist”. Auch der Kampf mit der blauen Wand, vor der er so oft agieren musste, war für Fürmann das, was für seinen Helden der Kampf mit dem Drachen war. “Ich hatte noch nie so wenig Übersicht am Ende eines Tages wie bei diesem Film.“ Doch Fürmann überzeugt. Sein Siegfried ist mehr als der strahlende Sieger-Typ vom Rhein. Kein tumber Koloss, wie ihn der Hammerwerfer Uwe Beyer in der 60er-Jahre-Verfilmung gab. Seiner Figur genähert hat sich der Schauspieler wie Siegfried einst dem Drachen: zupackend und unerschrocken. “Weniger denken, mehr machen und dadurch einfach sein”, war seine Devise. Kindlich habe er sich seiner Rolle und dem Genre des Ritterspektakels genähert. So wie Kinder Ritterspielen, so habe auch er sich das Wams übergeworfen und sich eingeredet: “Ich will die Prinzessin – deshalb muss der Drache weg!” Und auch jene Prinzessin ist stark in jeder Hinsicht. Kristianna Loken, die in “Terminator 3” Arnold Schwarzenegger vermöbeln durfte, gelingt mit der wilden Brunhilde die Darstellung einer spannungsreichen Figur von ungewöhnlicher Physis. Gegen sie und Fürmann kommen selbst die Hollywood-erfahrenen, unter Maske und Kostüm kaum erkennbaren Julian Sands, Samuel West und Götz Otto nicht an. (Text-Stand: 29.11.2004)