Flunkyball

Schürmann, Klenke, Bodenbender, Hinrichs, Alexander Adolph. Wohlstandsblase

Foto: BR / Luis Zeno Kuhn
Foto Rainer Tittelbach

Franz, ein 17jähriger Einzelgänger, hat sich schockverliebt. Ausgerechnet in die hübsche, so tough wirkende Zoe. Alle in Franzens Familie sind begeistert von ihr. Doch dann kommt der sensible junge Mann dem Geheimnis seiner Liebsten rausch- und schmerzhaft auf die Spur…. „Flunkyball“ (ARD / Hager Moss Film) ist ein Coming-of-age-Drama, ein Film über Liebesleid, Süchte, Sehnsüchte und die verschiedenen Arten damit umzugehen. Von Autor-Regisseur Alexander Adolph wird dabei der soziale Blick mitgedacht, beiläufig, aber entscheidend für die Qualität dieses Fernsehfilms. Auch dem Publikum hält der zweifache Grimme-Preisträger den Spiegel vor. Was begrüßt die am Tropf des Kommerzes hängende Gesellschaft mit einem Lächeln und was passt nicht in ihr aufgeräumtes Weltbild? Flunkyball, das titelgebende, als cool geltende Gesellschaftstrinkspiel der Generationen Y und Z steht bei Adolph Pate für diese Gedanken. Ein wilder, feinfühliger, energetischer Film.

Jetzt hat es Franz (Laurids Schürmann) also auch erwischt. Der 17jährige Einzelgänger, der so schüchtern ist, dass er nicht nein sagen kann, hat sich innerhalb weniger Tage restlos verliebt. Oder ist es nur sein Helfersyndrom? Anfangs sieht es gar nicht danach aus, als ob die hübsche, so toughe Zoe (Lena Klenke) Hilfe brauchen könnte. Schließlich ist sie es, die als Einzige weiß, wie man mit überfordertem oder inkompetentem Klinikpersonal umgehen muss. Ja, in einem Krankenhaus haben sich die beiden kennengelernt. Es gibt sicherlich einen romantischeren Ort für den Beginn einer ersten Liebe. Aber es sollte wohl so sein. Schließlich geht es dank Zoe der Großmutter (Lisa Kreuzer) von Franz nach Fehldiagnose und falscher Medikation wieder besser. Vater Martin (Fabian Hinrichs) und Mutter Carolin (Silke Bodenbender) sind begeistert von dieser patenten jungen Frau, die ihr Spätzündersohn eines Nachts mit nach Hause bringt. Sogar Milli (Clara Vogt), Franzens größere Schwester, verfällt bald Zoes wilder Art. Nach einem gemeinsamen Freitagabend im Schoß der neuen Familie, den auch die mit ihrem Vater auf Kriegsfuß stehende Zoe zu genießen scheint, wartet die Großstadtnacht auf die drei Teenager. Als der Tag graut, ist der sensible Franz dem Geheimnis seiner Liebsten rausch- und schmerzhaft auf die Spur gekommen.

FlunkyballFoto: BR / Luis Zeno Kuhn
Endlich Freitagabend, und endlich hat sich der Sohn ein tolles Mädchen angelacht! Die Eltern von Franz (Silke Bodenbender und Fabian Hinrichs) sehen in ihrer Wohlstandsblase nur das, was sie sehen wollen. Zoe (Lena Klenke) ist’s zufrieden.

Der Zuschauer ahnt in „Flunkyball“ sehr viel früher, dass diese von Stimmungsschwankungen beherrschte junge Frau psychisch mehr als labil ist und dass sie möglicherweise eine andere Biographie hat als die, die sie mit spärlichen Informationen anbietet. Auch dass Alkohol und Drogen eine Rolle spielen im Leben der schönen Unbekannten ist kaum zu übersehen. Von ihren Aussetzern bekommt aber nur Franz etwas mit; die anderen sehen nur das, was sie sehen wollen, und sie hören gar nicht richtig zu, wenn ihnen ein anderer etwas sagen möchte. Dass Zoe ihn für ihre Zwecke ständig einspannt, kommt dem in Liebesdingen Unerfahrenen nicht weiter ungewöhnlich vor. Von seiner Familie kennt er schließlich nichts anderes: Jeder ist mit sich selbst beschäftigt, und am Ende macht’s der Franz. Der Vater ist ein Schwätzer und Schönredner, die Mutter will stolz auf ihre Kinder sein und damit ihren Selbstwert steigern („übrigens, der Franz hat ‘ne Freundin“), und Milli dreht sich nur um sich selbst. Unangenehme Aufgaben wie die Betreuung der Großmutter übernimmt Franz widerspruchslos. Und wenn er ein Versprechen gegeben hat, dann meint er es ernst. So gibt er – obgleich es ihm nicht guttut – bis zum bitteren Ende acht auf die unberechenbare Schöne.

FlunkyballFoto: BR / Luis Zeno Kuhn
Clubnacht auf Drogen. Auch Milli (Clara Vogt), Franzens größere Schwester, ist nach anfänglicher Skepsis bald ziemlich angetan von der hypercoolen Zoe (Lena Klenke).

„Flunkyball“ ist ein Coming-of-age-Drama, ein Film über Liebesleid, Süchte, Sehnsüchte und die verschiedenen Arten damit umzugehen. Mitgedacht wird dabei vom zweifachen Grimme-Preisträger Alexander Adolph („München Mord“, „Der große Rudolph“) der gesellschaftliche Blick, beiläufig, aber entscheidend für die besondere Qualität dieses BR-Fernsehfilms. Das Fremde, das moralisch Böse, die Angst als Dauergast der Seele, diese sozialen Realitäten, von denen sich eine (Münchner!) Familie wie die von Franz für gewöhnlich problemlos abschotten kann, hält urplötzlich Einzug und trifft die Vier entsprechend unvorbereitet in ihrer Wohlstandsblase. Vordergründig sieht alles bei dieser Familie ganz „normal“ aus. Eben. Auch Zuschauer von öffentlich-rechtlichen Fernsehfilmen und Leser von TV-Kritiken gehören zu dieser (gehobenen) Mittelschicht. Adolph hält also auch uns, dem Publikum den Spiegel vor. Was gehört zum guten Ton? Was begrüßt die am Tropf des Kommerzes hängende Gesellschaft mit einem Lächeln und was passt nicht in ihr aufgeräumtes Weltbild? Was wird sanktioniert oder als ekelhaft empfunden? Der Grat zwischen beidem ist schmäler und die Doppelmoral näher: Flunkyball, das titelgebende, als cool geltende Gesellschaftstrinkspiel der Generationen Y und Z steht bei Adolph Pate für diese Gedanken.

FlunkyballFoto: BR / Luis Zeno Kuhn
Suff als legitimiertes Gesellschaftsspiel 2023: Flunkyball, das titelgebende, als cool geltende Trinkspiel der Generationen Y und Z. Doch was passiert alles jenseits dieser Spaßkultur? Jenseits dieser kleinen Kicks für die wohlbehüteten Kids?

Das Erzählte macht aus „Flunkyball“ ein Drama, der Tonfall, der ständige Wechsel der Stimmungslagen mindestens eine Tragikomödie. Auch das macht diesen Film so besonders, so wertvoll. 90 Filmminuten leicht und schwer wie das Leben. Klassisch komödienhaft die erste Hälfte. Molière lässt schön grüßen. Eine Familie lässt sich verführen: Die Eltern schwelgen in Erinnerungen an die erste Liebe („Es ist viel zu leise“), Kondom-Witze inklusive, der Vater präsentiert nostalgietrunken seinen „antikapitalistischen Lieblingskrach“, die Mutter strahlt, weil alle zufrieden sind, und die Fremde im Haus gibt die süße Unschuld, die allen Komplimente macht. Nur Franz, der Introvertierte, hätte Zoe am liebsten ganz für sich alleine. Seine Figur könnte Adolphs letzter Arbeit, der originellen ARD-Anthologie-Serie „Die nettesten Menschen der Welt“, entsprungen sein. Mit dem Unterschied, dass in dem 90-Minüter der Schrecken nicht aus dem Mystery-Genre, sondern der Wirklichkeit entspringt.

„Flunkyball“ ist nicht minder packend erzählt: Anfangs ist es der komödiantische, elliptisch rhythmisierte Flow, später sind es die Sprunghaftigkeit und die wechselnden Befindlichkeiten von Zoe, die der Geschichte ihre Richtung und dem Film seine atemberaubende Energie geben (in den explosivsten Momenten von „Maschin“, einem Song der Band Bilderbuch, angetrieben). Durchweg meisterlich ist die Art und Weise, wie Alexander Adolph Situationen erzählt: So wird die erste Nacht von Zoe und Franz durch die Schlafzimmerperspektive der Eltern mehr zu deren Wunschtraumprojektion. Elegant und klug (nicht!) dargestellt wird der Tod der Großmutter. Es wird nur das angedeutet, was für die vier Hinterbliebenen wichtig ist: Die Familie bei der Hausstandsauflösung, Trauer wird thematisiert, das Ableben aber nicht mal erwähnt (geschweige denn mit Sterbebett oder Friedhofsszene inszeniert). Solche vermeintlichen Nebensachen sind Gründe dafür, weshalb der Zuschauer mittendrin ist in der Geschichte, ganz nah bei den Figuren, obwohl sie nicht zu simpler Identifikation einladen.

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Fernsehfilm

BR

Mit Laurids Schürmann, Lena Klenke, Silke Bodenbender, Fabian Hinrichs, Clara Vogt, Lisa Kreutzer, Jule Ronstedt

Kamera: Patrick Orth

Szenenbild: Debora Reischmann

Kostüm: Martina Müller

Schnitt: Dirk Göhler

Musik: Christoph M. Kaiser, Julian Maas

Redaktion: Claudia Simionescu

Produktionsfirma: Hager Moss Film

Produktion: Anja Föringer, Kerstin Schmidbauer

Drehbuch: Alexander Adolph

Regie: Alexander Adolph

Quote: 3,64 Mio. Zuschauer (15% MA)

EA: 20.09.2023 20:15 Uhr | ARD

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