“Darf man über die Nazis lachen?” Vor zweieinhalb Jahren (2000) stellte eine große Programmzeitschrift diese Frage an seine Leser. Die Mehrheit antwortete mit “nein“. Anlass waren damals die Dreharbeiten zur Nazi-Satire “Goebbels und Geduldig”. Da war es beinahe verständlich, dass sich die Programmplaner der ARD in Geduld übten, was eine Ausstrahlung im Ersten anging. Zunächst schickte der Südwestrundfunk die mit Ulrich Mühe, Dagmar Manzel, Eva Mattes, Katharina Thalbach, Dieter Pfaff und Katja Riemann überaus prominent besetzte Zwei-Millionen-Euro-Produktion auf Festivals um die ganze Welt. Erst nachdem der Film von Drehbuchautor Peter Steinbach (“Heimat”) und Kai Wessel (“Klemperer”) im Ausland reüssierte, gab es endlich grünes Licht für die Ausstrahlung zur Prime-Time.
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In “Goebbels und Geduldig” geht es um den Propagandaminister des Dritten Reichs und seinen Doppelgänger. Der heißt Harry Geduldig und ist ausgerechnet Jude. In einem Lager wird er seit zehn Jahren verborgen gehalten, offenbar auf Befehl von Heinrich Himmler: Geduldig als mögliche Wunderwaffe gegen Goebbels?! Der muss also auf der Hut sein. Ein Doppelgänger könnte Himmlers Marionette spielen. Aber auch ein Doppelgänger in der Hand der Kriegsgegner könnte allerhand anrichten. Kein Wunder also, dass sich der nach einem Attentat ohnehin leicht verstörte Reichspropagandaminister seine Zweitausgabe mal aus nächster Nähe besehen will. Beim Zusammentreffen der beiden kommt es dann zur Verwechslung. Und so rollt Harry mit Nazi-Tross zur Nürnberger Parteiversammlung, während der echte Goebbels in der Zwangsjacke schwitzt.
“Wir erzählen eine Verwechslungsgeschichte, die den ganzen diktatorischen Apparat der Nazis ins Lächerliche zieht”, bringt der in der Doppelrolle glänzende Ulrich Mühe. Als Höhepunkt wird dem Zuschauer ein bizarres Endspiel der Macht präsentiert, von hysterischen NS-Oberen, die, auf dem Obersalzberg sitzend, längst den Kontakt zur Geschichte verloren haben. “Die Machtstrukturen des Dritten Reichs sind auf ein Kammerspiel zusammen geschrumpft, bei dem die Trivialität der terroristischen Herrscher mit gespenstischer Obszönität zutage tritt“, umschreibt NS-Film-Experte Georg Seeßlen den Clou des Films.
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Doch nicht nur der innere Verfall der Machthaber wird in Kai Wessels Film vorgeführt. Es werden auch Nazis aus der Küchenperspektive gezeigt. Der ach so menschliche KZ-Kommandant Haase, gespielt von Dieter Pfaff, liebt seine Familie, aber er mordet ebenso kaltblütig. “Überlebende der Lager erzählten mir immer wieder, dass die schlimmsten ihrer Peiniger scheißnormal aussehende Spießbürger waren”, sagt denn auch Autor Peter Steinbach. Die Privatseite der historischen Figuren zu zeigen fand besonders Wessel spannend. Ein wenig scheinen diese Bilder von falscher Friedfertigkeit dem Stil der historischen 16mm-Filme mit Eva Braun auf dem Obersalzberg nachempfunden zu sein.
“Darf man über die Nazis lachen?” Das ist auch eine Frage der Qualität des Lachens. Chaplins “Der große Diktator”, Lubitschs “Sein oder Nichtsein” & Benignis “Das Leben ist schön” sind die drei großen Kinokomödien über die Nazis. Auch “Goebbels und Geduldig” missbraucht die Gräueltaten von Hitler & Co nicht, um daraus billige Lacher zu ziehen. Steinbach hat eine Satire geschrieben, keine Klamotte. “Wir wollten die Komik in groteskere, absurdere und auch erschreckendere Richtungen lenken”, so Kai Wessel. Ihm, dem Autor und den vorzüglichen Darstellern ist das aufs Vortrefflichste gelungen. So sollte man über Nazis lachen dürfen.