Der König von Köln

Bock, Kaya, Król, Husmann, Huber. Karneval + Korruption = Kölscher Klüngel

Foto: WDR / Frank Dicks
Foto Rainer Tittelbach

Ralf Husmann  hat nach „Vorsicht vor Leuten“ mit dem Fernsehfilm „Der König von Köln“ (WDR / Zeitsprung Pictures, Dreamtool Entertainment) mal wieder eine Gesellschaftssatire allererster Güte geschrieben. „Politik heißt, alles so lange im Ungefähren zu halten, bis es nicht mehr zu ändern ist.“ Wie das System aus Gefälligkeiten und gezieltem Wegschauen funktioniert, das führt der Autor an der Geschichte eines an sich moralischen Mannes vor, der etwas blauäugig in den Strudel der Korruption gerissen wird. Auch sein ehemaliger Chef hatte einst Bedenken – „aber gegen den Zweifel hat der liebe Gott das Kölsch erfunden.“ Die Einzeiler sitzen, alle Charaktere dieses durchweg wunderbar besetzten Ensemblefilms haben eine eigene Note und eine spezielle Humor-Tonlage. Husmanns induktive Dramaturgie und seine satirische Handschrift ohne jede Didaktik gehören zum Qualitätskonzept dieses Films, genauso wie der stimmige, mit der Handlung korrespondierende kölsche Soundtrack, Richard Hubers flüssige Inszenierung und seine Schauspielerführung, die trotz der unterschiedlichen Figurenfarben (es gibt schließlich auch zwei ehrenwerte Figuren) diese ARD-Komödie zu einem stimmigen Ganzen macht. Ein seltener Lichtblick in Zeiten des Krimi-Wahnsinns.

„Hilfst du dem Polier, dann hilft der Polier auch dir.“ Beim Karneval macht Baudezernent Stüssgen (Joachim Król) den Köln-Neuling Andrea di Carlo (Serkan Kaya) mit den Gepflogenheiten seiner Heimatstadt vertraut. Helfen und sich helfen lassen. Und so hat der Mann mit den italienischen Wurzeln bald nicht nur keine Probleme mehr mit dem Denkmal-Schutz seines Häuschens, sondern kann sich bald auch freuen über einen schmucken Anbau fürs Kinderzimmer. Zu verdanken hat er das jenem „Polier“, dem Bauunternehmer und Finanzier Jupp Asch (Rainer Bock), der in Köln alles und jeden kennt. Nachdem sich Stüssgen im Puff krankenhausreif kopuliert hat, wird nun kurzerhand di Carlo als sein Nachfolger inthronisiert. Zu verdanken hat er das Asch und der erwartet nun eine Gegenleistung. Weshalb den Bauantrag für die neue Stadtverwaltung mit einer Ausschreibung verlangsamen, wo doch „der Polier“ sofort loslegen könnte!? Als später die Staatsanwaltschaft auf den Vorgang aufmerksam gemacht wird, lösen die Beamten das Problem auf kölsche Art: Sie setzen eine Frau, nicht aus Köln und neu im Amt, an den Fall: Alina Behrens (Eva Meckbach). Doch die recherchiert den Skandal zu gründlich, woraufhin die Akte im Archiv landet und Behrens in der Pampa. Jetzt kann nur noch ein schlechtes Gewissen etwas zum Guten hin bewirken.

Der König von KölnFoto: WDR / Frank Dicks
Vorschläge in Umschlägen. Vieles in Köln wird unter der Hand geregelt. Bescherung! … und dann ist der der Neue mit dem Frauennamen (Serkan Kaya) Baudezernent. Dank Asch (Rainer Bock). „Ich kann eigentlich immer was tun.“

„Die nachfolgenden Geschehnisse sind frei erfunden. In Wahrheit war alles noch viel schlimmer …“ Autor Ralf Husmann („Stromberg“) hat nach „Vorsicht vor Leuten“ mit dem Fernsehfilm „Der König von Köln“ mal wieder eine Gesellschaftssatire allererster Güte geschrieben. Der gebürtige Dortmunder lebt ebenso wie Produzent Michael Souvignier, der die Idee zu dem Film hatte, seit langem in der Stadt, die der Korruption mit dem Wörtchen „Klüngel“ so einen niedlichen Beigeschmack gegeben hat. Aber nicht nur für die karnevalsverrückte Stadt am Rhing gilt, was er seinem Baudezernenten in den Mund legt:  „Politik heißt, alles so lange im Ungefähren zu halten, bis es nicht mehr zu ändern ist.“ Wie das funktioniert, das bekommt man von Husmann an der Geschichte eines Mannes vorgeführt, der schon allein ob seines italienischen, vermeintlichen weiblichen Vornamens als „Opfer“ im Kölner Club der Männer prädestiniert ist. Dieser „ekelhaft netten“ Hilfsbereitschaft kann er sich einfach nicht erwehren – ist er doch nur ein kleines Rädchen im großen Getriebe. Sein moralischer Kompass hat ihn verlassen. Zwar plagt ihn das schlechte Gewissen, doch selbst seine Frau, die seinen berufsbedingten Besuch im Bordell noch schmallippig verurteilt hatte, rät ihm gegen seine Selbstzweifel: „Denk doch einfach an das Zimmer von Luca.“ Auch sein ehemaliger Chef, nach einem Herzinfarkt im Krankenstand, hatte vor Jahrzehnten noch Bedenken – „aber gegen den Zweifel hat der liebe Gott das Kölsch erfunden.“

„Wir bauen große Projekte … Das kontrolliert keiner.“ – „Klingt illegal.“ – „Nur kölsch.“ Natürlich braucht der windige Asch für sein riesiges Bauvorhaben millionenschwere Geldgeber. Steinreich, exzentrisch und keine Ahnung, wohin mit dem Geld, das ist die beste Voraussetzung – und daher die menschenscheue Kaufhauserbin Valerie Dickeschanz (Judith Engel) wie gemalt für Aschs großen Coup. Vom egozentrischen Nikolaus von Hoppenheim (Ulrich Brandhoff), Sohn des preußisch rabiaten Privatbankiers Alfred von Hoppenheim (Ernst Stötzner), wird die feine Dame weichgekocht, dann zu riskanten Finanz- und Personalmanövern überredet, und schließlich wird die Kaufhauskette dem smarten Allround-Manager Tom Middeldorf (Jörg Hartmann) zum Fraß vorgeworfen. Am Ende gewinnt nur die Bank, vor allem aber Asch, der mit seinem ausgefuchsten Bauherrenmodell doppelt kassiert. „Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld?“, fragt der kölsche Gassenhauer zu Beginn des Films. Am Ende bekommt man die Antwort: „Für die enormen entstandenen Kosten kommt wie immer der Steuerzahler auf. In Köln und überall. Aber in Köln ist bald wieder Karneval.“

Der König von KölnFoto: WDR / Frank Dicks
Staatsanwältin Alina Behrens (Eva Meckbach) arbeitet nicht auf kölsche Art. Aber der Oberstaatsanwalt regelt das. Frauen haben es schwer beim kölschen Klüngel. Und wenn man dann auch noch neu ist in Köln. „Wer neu ist, ist nicht wichtig.“ (Stüssgen)

Soundtrack: u.a. Jupp Schmitz („Wer soll das bezahlen“), Marco Armani („E la vita“), Bernd Stelter („Mahatma Glück, mahatma Pech, Mahatma Ghandi“), Brings („Poppe, Kaate, Danze“ / „Dunmer ne Jefalle“ / „Su lang Mer noch am Lääve sin“), Bläck Fööss („Mer lasse d’r Dom en Kölle“ / „Drink noch ene met“), Prince („Cream“), Barry White („Can’t Get Enough Of Yor Love, Babe“), Donna Summer („Love To Love You Baby“), Willy Millowitsch („Als der Rhein noch rein war“ / „Kölsche Jung“), James Last („Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung“), De Höhner („Viva Colonia“ / „Die Karawane zieht weiter“), Diana Krall („Besame Mucho“), L.S.E („Limbo Italo“), Ray Conniff & The Singers („“I’d Like To Teach The World To Sing“), Peter Alexander („Einmal am Rhein“), Tommy Engel („Die Stadt“ / „Leck ens am Arsch“)

„Diese Filmsatire ist inspiriert von tatsächlichen Ereignissen. Sie ist aber Fiktion, die handelnden Figuren sind frei erfunden“, stellt ein Insert zu Beginn von „Der König von Köln“ klar. Korruption hat viele Gesichter. Alle Städte haben ihre Skandale. Was für Berlin der neue Flughafen ist, das ist für Bonn das World Conference Center. Und doch funktioniert Korruption immer gleich: als ein System der Gefälligkeiten und des Wegschauens. Köln machte mit der Spendenaffäre um die Müllverbrennungsanlage Niehl in den 90er Jahren, der Opern-Sanierung mit ihren Planungsfehlern und dem Einsturz des Stadtarchivs durch U-Bahnarbeiten in den letzten zwei Jahrzehnten seinem Namen als Klüngel-Hochburg alle Ehre. Als Blaupause für übelste wirtschaftliche Machenschaften hat sich Husmann für den Film (die Namen Dickeschanz, Middeldorf, Hoppenheim, Asch) machen es deutlich – aber vor allem bei der Karstadt-Quelle Pleite bedient.

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Asch (Rainer Bock) hilft gern, der „Polier“kennt in Köln Hinz und Kunz – und wenn es sein muss, packt er auch schon mal selber an. „Macht kommt von Machen“, sagt er.

„Wir müssen schon tätig werden, aber es darf nichts dabei herauskommen.“ So knackig und präzise auf den Punkt waren die Einzeiler von Husmann lange nicht mehr. Neben dem Schmunzeleffekt besitzen die Dialoge aber immer auch einen hohen Informationsgehalt. Ohne Scheu vor deftiger Komik geraten sie nie ins unangenehm Schlüpfrige, da sie den Figuren typengerecht zugeordnet werden. Und die sind nun mal so, wie sie sind. Ob Stüssgen, Asch, Middeldorf oder Dickeschanz – jeder ist ein ganz eigener Charakter und jedem hat Husmann eine spezielle Humor-Tonlage verpasst. Der Baudezernent am Ende seiner Berufslaufbahn schmettert seine Zoten gemütlich-altväterlich: Der Westfale Joachim Król gibt dieses kölsche Unikum grandios. Der, der jedem gern, aber völlig ohne Helfersyndrom, unter die Arme und für den Herrn von Hoppenheim auch schon mal in die Toilette greift, fällt gern mit der Tür ins Haus und juxt auf die trocken-bissige Art: Klasse, wie Rainer Bock, seit Jahren einer unserer besten Nebendarsteller (hier endlich in einer Hauptrolle!), die Ambivalenz von Asch zum Ausdruck bringt – gerade noch verbindlich und freundlich, dann plötzlich unnachgiebig streng, geradezu brutal. Spielerischer geht Jörg Hartmann die Rolle seines halbseidenen Managers an: Mit messerscharf-ätzender, zynischer Rhetorik redet der „gelackte Strahlekasper“, wie ihn di Carlos Frau nennt, seine Gegenüber mundtot. Und bei der Kaufhausketten-Erbin hat es den Anschein, als ob sie an ihrem Reichtum erkrankt sei. Eine Frau, die sich gern von Männern führen lässt, um Zeit zu haben, sich um ihre Käthe-Kruse-Püppchen zu kümmern: Judith Engel spielt das tieftragisch-komisch, zum Niederknien. Außerdem sind da noch die von Hoppenheims, Ernst Stötzners Privatbankier aus Kruppstahl und sein schöngeistiger Sohn, gespielt von Ulrich Brandhoff, der es nicht schafft, sich gegen den Vater durchzusetzen und lieber den Druck seines alten Herren nach unten weitergibt. Gegen diese sechs komischen Rollen haben es die zwei nicht jecken Figuren nicht leicht, sich zu behaupten; die Besetzung ist dennoch überzeugend, insbesondere von Eva Meckbach dürfte nach ihrer Hauptrolle in der Netflix-Serie „Criminal“ noch einiges zu erwarten sein.

Der König von KölnFoto: WDR / Frank Dicks
Die Eleganz von Tom Middeldorf (Jörg Hartmann) täuscht. Die Gangart wird rauer. Jetzt brauch Asch (Rainer Bock) sogar schon Personenschutz. Und dass Andrea di Carlo (Serkan Kaya) aussteigen will, geht natürlich gar nicht. Sowas von undankbar!

„Wer weiterkommen will muss feiern können.“ Die komischen Charaktere sind ambivalent. Das aber weniger bezogen auf ihr Wesen als auf die Wirkung für den Zuschauer. So besitzt eine Figur wie Kotzbrocken Asch, in Kombination damit, wie vielgesichtig Bock ihn verkörpert, auch etwas Faszinierendes, wobei er kein so charismatischer Verführer ist wie beispielsweise Ulrich Tukur in Dieter Wedels „Gier“. Das aber liegt auch an der Geschichte. Zwar heißt der Film von Grimme-Preisträger Richard Huber „Der König von Köln“, dennoch handelt es sich weniger um eine Hochstapler-Komödie, noch hat der Autor wie in „Vorsicht vor Leuten“ den Plot in eine klassische Protagonisten-Antagonisten-Dramaturgie verpackt. Geschickt gelingt es Husmann und Huber, ihr Panoptikum an Arschlöchern ohne einen richtigen klassischen Helden auszustatten und sie verzichten vor allem auf die typischen Aufräumarbeiten einer moralischen Instanz. Auf diese Weise wird das absurde System des Kölschen Klüngels durchschaut und satirisch aufgespießt, ohne vom aufrechten-Retter-Motiv verwässert zu werden. Das wäre auch unpassend, denn natürlich blüht die Korruption weiter.

„Ich scheiß dich sowas von zu mit meinem Geld.“ Gesellschaftssatiren sind in der Nach-Wedel-Dietl-Ära im deutschen Fernsehen noch seltener geworden, als sie ohnehin immer schon waren, und im Kino ist nach „Schtonk“ auch nicht mehr viel gekommen. Während zuletzt, vor fünf Jahren(!), „Bornholmer Straße“ den Mauerfall und jene Nacht der Nächte fast schon zur Groteske machte, gelang Alexander Adolph im letzten Jahr mit „Der große Rudolph“ eine Tragikomödie mit hohem Gesellschaftssatire-Anteil. Wurde hier der oberflächliche Zeitgeist der 80er Jahre und wurden dort die Apparatschiks an der DDR-Grenze durch den Kakao gezogen, ist es in „Der König von Köln“, diesem „Mix aus Karneval, Bordell und Betonmischer“ (Huber), das Porträt einer Schickeria-Welt, die völlig anders ist als die Münchner Bussi-Gesellschaft – und doch muss man bei dieser Komödie TV-geschichtlich vor allem an eine legendäre ARD-Serie aus der weißblauen Landesmetropole denken: an „Kir Royal“ (1986) von Helmut Dietl. In beiden Produktionen werden lokale Besonderheiten mit satirischem Biss, urkomisch, gelegentlich bis zur Karikatur überspitzt und zeitlos gültig dargestellt. Wie auch bei den beiden anderen genannten Filmen steht (im Gegensatz zu Wedels späteren Satiren) im Zentrum das Kleine, auf ein paar wenige, überschaubare Interaktionen reduziert, aus welchem sich durchaus Größeres, eine gesellschaftliche Wahrheit möglicherweise, ableiten lässt. Diese induktive Dramaturgie und die satirische Handschrift Husmanns, die Regisseur Huber kongenial mit den Schauspielern umsetzt und bei der beide sowohl auf Didaktik als auch auf plumpe Effekte verzichten, gehören zum Qualitätskonzept dieses Films, an den man sich auch noch in ein paar Jahren (sehr gern) erinnern wird.

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Fernsehfilm

WDR

Mit Serkan Kaya, Rainer Bock, Joachim Król, Judith Engel, Jörg Hartmann, Ulrich Brandhoff, Eva Meckbach, Ernst Stötzner, Jörn Hentschel, Felix Vörtler, Katrin Röver

Kamera: Robert Berghoff

Szenenbild: Irene Piel

Kostüm: Kerstin Westermann

Schnitt: Knut Hake

Musik: Dürbeck & Dohmen

Redaktion: Nina Klamroth

Produktionsfirma: Zeitsprung Pictures, Dreamtool Entertainment

Produktion: Michael Souvignier, Till Derenbach

Drehbuch: Ralf Husmann – nach einer Idee von Michael Souvignier

Regie: Richard Huber

EA: 11.12.2019 20:15 Uhr | ARD

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