Wohnt jedem Aufstieg unweigerlich der Abstieg inne? Anwältin Hannah (Lisa Maria Potthoff), Politikergattin Annabelle (Felicitas Woll) und die schöne Elisabeth (Antje Traue) wollen es nicht wahrhaben, dass ihre Zeit im Münchener Nobelviertel Herzogpark bald vorbei sein könnte. Über das Schicksal der drei Grazien entscheiden nicht die Männer an ihrer Seite, weder ein dekadenter Adelsspross (Lukas Spisser), ein Möchtegern-Bürgermeisterkandidat (Trystan Pütter) noch ein arroganter Kanzleichef (Francis Fulton-Smith), nein, viel schlimmer, ein einziger Mann hat sie in der Hand: Nikolaus van der Bruck (Heiner Lauterbach), ein halbseidener Emporkömmling, ein Bau-Mogul, der vom Mauscheln, Bestechen & Erpressen mehr versteht als vom Baugewerbe. Um sein Prestigeprojekt, den Herzog-Tower, zu realisieren, würde er alles tun. Was das heißt, hat Maria (Heike Makatsch) erfahren müssen. Fix ein paar Drogen untergejubelt – und schon saß sie über zwei Jahre im Knast. Kann sie vergessen, kann sie diesem notorischen Falschspieler vergeben? Nikolaus ist mittlerweile in den Hafen der Ehe eingefahren, das Geschäft seines Lebens: Die steinreiche Helene van der Bruck (Jeanette Hain) lässt ihn in der Welt der Schönen und Reichen vom Herzogpark ganz oben mitspielen. Die gewonnene Macht bekommen nun Hannah, Annabelle, Elisabeth und bald auch Maria zu spüren. Die vier Frauen müssen handeln, und sie schließen einen Pakt.
Foto: RTL / Marc Reimann
Das Damenquartett der äußerst amüsanten RTL-Serie „Herzogpark“ besteht aus vier ganz und gar unterschiedlichen Frauen. Annabelle ist naiv, sexy & stillos, Elisabeth schön, schüchtern & katholisch; dagegen wirken die beiden anderen smart, clever & gerissen, wobei Hannah das zynische Karrierebiest gibt, während die weitaus erwachsenere Maria im falschen Moment ihres Lebens emotional schwach und verhängnisvoll gutgläubig gewesen ist. Der Wunsch nach Anerkennung und gesellschaftlichem Aufstieg scheint sich zumindest für die drei Herzogpark-Damen erfüllt zu haben, doch das schöne Leben entpuppt sich bald als Fassade. Schulden, unerfülltes Privatleben und eine unrühmliche Vergangenheit plagen die weißblauen Beautys. Der männliche Gegenspieler weiß um diese emotionalen und pekuniären Defizite. „Wer in diesem Raum hat keine Geheimnisse vor Menschen, die ihm nahestehen?“, fragt er im Hause des Bürgermeisterkandidaten die verdutzte Abendgesellschaft, um sich wenig später mit dem Herrn des Hauses zu prügeln. Der Satz gibt eine Vorahnung auf die Strategie dieses „Cretins“. Die feine Gesellschaft will nicht viel mit Nikolaus van der Bruck zu tun haben – es sei denn, die wohlhabende Gattin lädt zur Spendengala für syrische Flüchtlinge. Bei diesem Event wollen sich Hannah, Elisabeth und Annabelle beim Gastgeber „revanchieren“ für dessen Demütigungen und Erpressungen. Auch Maria ist anwesend; sie macht das Catering, und sie hat eine Waffe dabei. Der Abend endet allerdings ganz anders als geplant.
Die Sache mit Annabelle und dem Geschmack. Es geht um das grüne Etwas, in dem die Gattin des Bürgermeisterkandidaten am Abend ihre Gäste empfängt. „Und was meinen Sie?“, fragt Annabelle den Boutique-Verkäufer. „Mann muss es tragen können“, antwortet der. „Ja, kann ich es tragen?“, insistiert sie weiter. „Das können nur Sie wissen.“ Und sie weiß es und sie nimmt das Kleid. Am Abend dann, die Haustür geht auf. Hannah: „Tolles Kleid!“. Annabelle: „Ach, das freut mich! Ich war mir wirklich nicht sicher.“ Hannah: „Das kann ich verstehen. Das kann auch wirklich nicht jeder tragen. Was meinst du, Liesl?“ Elisabeth: „Eine Sensation!“ Hannah: „Eine grüne Exposion.“ Annabelle: „Um den Effekt ging’s mir.“ Am Ende des chaotisch verlaufenden Abends fragt Annabelle Cateringchefin Maria: „Darf ich Sie noch eine Sache fragen? Diese Kleid…“ Maria: „Absolut grauenhaft.“
Foto: RTL / Marc Reimann
„Herzogpark“ mag weder die Brillanz von „Kir Royal“ noch die gesellschaftliche & narrative Komplexität der Wiener „Vorstadtweiber“ besitzen, in Zeiten überdehnter und dramaturgisch nicht immer ausgereifter Serien-Ideen, gehen die viereinhalb Champagner-beseelten Stunden aber flüssig, ohne saure „Aufstößchen“ runter. Die Charaktere sind rasch umrissen, Marias Knastaufenthalt wird als „Rätsel“ ins überaus edle Szenenbild gestellt, und die wegweisende Politik der klaren Sätze („In 24 Stunden sind wir erlöst“ – „oder in der Hölle“) sorgt für das nötige Interesse an diesem affektierten Schickimicki-Gehabe. Außerdem agieren die Schauspielerinnen in bester „Desperate Housewives“-Manier, gewollt überzogen, aber nicht zu überpointiert, immerhin haben zwei der vier weiblichen Hauptfiguren außer keuscher Schönheit und ständiger Sex-Bereitschaft geistig wenig zu bieten. Lisa Maria Potthoffs Hannah gibt den Ton an, sie ist das Maul der Gruppe; Antje Traue wirkt wie eine ikonisch erstarrte Jungfrau, Felicitas Woll verkörpert den drallen Gegenentwurf, die Bild gewordene Versuchung. Dagegen wirkt Heike Makatschs Maria geradezu intellektuell, auffallend normal, nachdem sie durch die Knasterfahrung auf dem Boden der Realität aufgeschlagen ist. Sie war nicht immer so, auch Maria kannte das glamouröse Leben. Doch sie hat es sich einst selbst erarbeitet – erspielt! Entsprechend ist Makatsch die Einzige, die für ihre Darstellung keine Manierismen benötigt. Ganz anders: Heiner Lauterbach. Das nervt gelegentlich, gehört aber zu dessen passioniertem Falschspieler-Typus. Und Jeanette Hain darf mal wieder eine grandiose Miniatur eines geradezu übernatürlichen Wesens geben: in zärtlich wie doppeldeutig hingehauchtem Bairisch („I werd di vermissen.“) gibt sie lächelnd den Ton an. Und wenn ihr Liebster ihr Hab und Gut verzocken sollte, hat sie ja immer noch seine Lebensversicherung.
Foto: RTL / Oliver Oppitz
Soundtrack: Manu Chao („Me Gustas Tu“), Crazy Town („Butterfly“), Ariande Grande („Bloodline“), Pink („Get The Party Started“), The Housemartins („Caravan Of Love“), Peggy Lee („It’s A Good Day“), Them („It’s All Over Now, Baby Blue“), Prince („Sexy Motherfucker“), Michael Bublé („Feeling Good“)
Dramaturgisch clever sind vor allem die ersten drei Folgen strukturiert. Bereits in Folge eins der von Annette Simon und Regina Dietl als Head-Autorinnen konzipierten RTL-Serie wird ein Mordplan geschmiedet und auf den Weg gebracht, bis er am Abend der besagten Gala bei van der Brucks wenige Sekunden vor der Ausführung steht. In Folge zwei springt die Handlung erst einmal zwei Wochen zurück, um neunzig Minuten, bis zum Ende von Folge drei, die Hintergründe für den geplanten Mord darzulegen. Zur Halbzeit hat die Stunde der Wahrheiten geschlagen: „Wir planen einen Mord“, sagen die einen. „Ich war Callgirl“, sagt die Dritte – und danach springt die Handlung wieder nach vorn zu jenem gesellschaftlichen Event, auf dem nicht nur dem Herzog-Tower, diesem „Scheiß-Penisturm“, der Todesstoß versetzt werden soll. In der zweiten Serienhälfte besitzen Handlung und Dramaturgie zwar weniger Stringenz, dafür ist man nun mit den Charakteren bestens vertraut, sodass man ihnen interessiert folgt – in die heiligen Hallen der bayerischen Luxus-Gastronomie, in den Beichtstuhl oder in einen Wellnesstempel nach Südtirol. Davor unterhält ein Mädelsabend unter freiem Himmel, bei dem Maria – filmisch unterstützt von launigen Rückblenden – zum Besten gibt, was van der Bruck ihr angetan hat. Die Folge sechs ist dann eine wilde Revue skurriler Situationen auf dem Weg zur Schlusspointe. „Herzogpark“ ist ein von Jochen Alexander Freydank und Anca Miruna Lazarescu – dem Stoff adäquat – elegant & formschön in Szene gesetztes Gesellschafts- und Gaunerstück, dem es zwar an satirischem Biss fehlt, bei dem aber trotz Serien-Spieldauer weder Langeweile noch finale Reue aufkommen.