Dieses Schlitzohr hat ständig was am Laufen. Knud Lühr ist von Haus aus Krabbenfischer. Doch da der Job kaum noch was einbringt, bessert er sein Einkommen auf als Buchmacher für illegale Sportwetten und mit diversen anderen Tricksereien. Lügen und Betrügen ist das, was dieser Mann immer schon am besten konnte. So sieht es sein Sohn Lenny. Der hat vor zehn Jahren fluchtartig das Dithmarsche in Richtung Hamburg verlassen und dort als Friseur Karriere gemacht – auch, weil er die leichtlebige und gedankenlose Art seines Erzeugers nicht mehr ertragen konnte. Bis heute herrschte Funkstille zwischen den beiden. Dass Knud kein einziges Mal den Weg nach Hamburg gesucht hat, bestätigt Lenny in seinem Eindruck, dass er diesen Vater vergessen könne. Mittlerweile hat der junge Mann – was keiner weiß – seinen Friseursalon längst in den Sand gesetzt. Zurückgekehrt ins heimatliche Küstenkaff ist er nur, um sich sein Banjo abzuholen, ein altes Erbstück. Doch das hat sein Vadder längst verzockt.
Foto: Degeto / Georges Pauly
Weil Volker Krappen (Buch) und Lars Jessen (Regie) auf die große Handlung verzichten, mussten sie besonderen Wert auf die Feinabstimmung legen. Neben der passgenauen Besetzung waren da alle Gewerke gefordert. Und sie laden den Zuschauer 90 Minuten ein, etwas genauer hinzuschauen (und hinzuhören). Natürlich wird die norddeutsche Atmosphäre besonders in den Zwischenbildern und stimmungsvollen Montagen eindrücklich zum Leben erweckt. Aber es ist auch das Szenenbild, das einen gelegentlich im Geiste Standbild rufen lässt: die Dorfkneipe beispielsweise, die den coolen Charme der späten 50er Jahre versprüht, oder der (Kamera-)Blick in Richtung Auslagefenster des Tankstellenkiosks, aber auch Lennys Kinderzimmer erzählt kleine Geschichten. Offensichtlicher ist selbstredend das, was die Schauspieler anbieten. Da ist Prahl, der sein Filou nie überzeichnet: Jener Knud übernimmt den aktiveren Part, muss aber auch reagieren – wenn echte Beziehung eingefordert wird. Von seinem Herzblatt kennt er das schon, jetzt muss er auch gegenüber seinem Sohn Farbe bekennen. Jonas Nay ist in seinen jungen Jahren bereits ein Meister des verzögerten Spiels. Da er vornehmlich junge Männer verkörpert, die noch nicht immer wissen, was sie wollen, hatte er jahrelang reichlich Gelegenheit, diese feinen mimisch-gestischen Leerstellen zu perfektionieren. „Wie magst du deine Eier?“, fragt Vadders Neue. Woraus andere eine Zote gemacht hätten, das touchiert Nay in Unterhose mit einem kaum merklichen Blick unter die Gürtellinie. Ansonsten spiegeln Mimik (sein Augenblinzeln, nicht nur wegen der Sonne) und Körpersprache den Satz, den er auch mal ausspricht: „Ich komm grad nicht so richtig mit.“
Soundtrack:
Green Day („Wake Me Up When September Ends“ / „American Idiot“), Blur („Tender“), Wilco („Pick Up The Change“)
Foto: Degeto / Georges Pauly
Für einen solchen Film war es ein Glücksfall, dass das Wetter bei den Dreharbeiten keine Kapriolen schlug, keine Anschlussfehler verursachte, sondern im Gegenteil, die beabsichtigte Tonalität der Geschichte nie beeinträchtigte und den Bildern quasi ein stilechtes und einheitlich stimmungsvolles Passepartout verpasste. Und Musik kann Berge – oder zumindest Sandburgen – versetzen. Dass die Musikbegeisterung von Vater und Sohn für die Geschichte – sprich: die Versöhnung der beiden – eine entscheidende Rolle spielen wird, nachdem sich ja an der Musik („Du hast mir das Musikmachen ausgetrieben“; das verzockte Banjo) der alte Konflikt entzündet hat, dürfte nicht nur von Wohlfühlfilm-Experten erwartet werden. Aber auch der Score von Jakob Ilja (Element of Crime) begnügt sich nicht mit dem in diesem Genre häufigen gefälligen Zugesülze der Bilder und Situationen. Die Instrumente, allen voran das handlungstragende Banjo, sind fein akzentuiert und lassen sich sehr gut heraushören. Und in der Schlussszene kann man dem „sich gut fühlen“ quasi bei dessen musikalischer Entstehung zuschauen. Das, was für die Musik gilt, lässt sich im Übrigen auf die Dramaturgie übertragen. Auch hier sind es – wenn man so will – Motive, Metaphern, Stimmungen, also narrative Töne, die angeschlagen werden. Im Großen mag der Film eine jener vielen Heimkehrer-Dramödien sein, im Detail aber funktioniert er eher wie ein sparsam arrangiertes und instrumentiertes Folksong-Konzept-Doppelalbum, das Lücken für sein Publikum lässt. Also eher wie ein Album von Neil Young als von den Eagles. (Text-Stand: 11.9.2017)