Ein „falscher“ Diamant, ein unbedarfter Detektiv & das Glück des Tüchtigen
Johann Friedrich von Allmen (Heino Ferch), privatisierender Lebemann mit akuten Geldsorgen, scheint seine Bestimmung gefunden zu haben. Gemeinsam mit seinem Butler Carlos (Samuel Finzi) hat er eine Agentur „für die Wiederbeschaffung schöner Dinge“ gegründet. Der erste Auftrag könnte mit einem Schlag den finanziellen Engpass des feingeistig hedonistischen Adelsspross’ beseitigen. Objekt der Suche ist ein 45 Millionen SFR wertvoller Diamant, der gestohlen und anschließend vom Dieb zum Rückkauf angeboten wurde – über einen Mittelsmann namens Solokov. Dieser ist mittlerweile untergetaucht. Allmen soll nun diesen Mann ausfindig machen und den Stein wiederbeschaffen, dann winken ihm 2,25 Millionen SFR. Carlos rät von dem Auftrag ab: „zu gefährlich“. Doch „Don John“ hat sich dank des großzügigen Vorschusses mit dem „Fall“ bereits angefreundet. Carlos soll Recht behalten. Allmen ist nicht der Einzige, der hinter dem Diamanten her ist – und die anderen haben schlechtere Manieren als er, dafür haben sie Schusswaffen. Zwar gelingt es ihm, Solokov (Daniel Wagner) in einem mondänen Hotel an der Ostsee aufzuspüren, aber er kann sich nur schwer vorstellen, dass dieser neureiche russische Prolet, IT-Experte und gleichsam naive Seelenmensch einen Diamantenraub begangen haben soll. Einen Flirt (Nora von Waldstätten) und einen Hotelzimmereinbruch später ist Solokov tot. Der rosa Diamant birgt in der Folge ein unerwartetes Geheimnis, wodurch Allmen, Carlo und die kolumbianische Haushälterin Maria (Isabella Parkinson) bald in höchster Lebensgefahr schweben.
Der Snob zeigt Moral & soziales Gewissen und die Spannung zieht ein wenig an
„Allmen und das Geheimnis des rosa Diamanten“, Episode 2 der Krimikomödien-Reihe im „Ersten“, besitzt mehr Zug in Richtung auf das Ende als sein etwas zufällig vor sich hin mäandernder Vorgänger. Durch die Gründung einer Agentur werden die Helden klarer auf eine detektivische Handlung hin festgelegt. Allmen & Carlos haben einen Wiederbeschaffungs-Auftrag und möglichst auch die Aufgabe zu bewältigen, dabei am Leben zu bleiben. Letzteres wird gelingen, sonst könnte die Hauptfigur nicht als Erzähler agieren. Und die im Bild vorweggenommenen Schüsse, die man auf die beiden abgibt, das doppelte Spiel des Auftraggebers, von dem nur der Zuschauer frühzeitig weiß, und Sätze wie „Wo eine lebende Beute lockt, wird der erfahrene Jäger stets davon ausgehen, dass er nicht der Einzige ist, der es auf diese Beute abgesehen hat“, sorgen für ausreichend Finalspannung. Hinzu kommt, dass die Hauptfiguren zunehmend so etwas wie Charakter bekommen. Allmen ist kein egomanischer Bonvivant; er ist offenbar reingerutscht in dieses Leben im Überfluss, und er hat als charmanter Dieb jahrelang dabei Glück gehabt. Jetzt stellt er sich auffallend häufig die Sinnfrage, legt geradezu Rührung an den Tag, als er mit der russischen Seele konfrontiert wird, und zeigt Anflüge von Moral und sozialem Gewissen. Das alles bringt dem Zuschauer diese Figur näher als den Nur-Snob aus der ersten Episode, dem es allein um die Verbesserung der eigenen finanziellen Lage ging. Durch den stärker konturierten Plot tritt nun die hochwohlgeborene Penetranz des Schweizer Adligen etwas mehr in den Hintergrund. Und dass der hohe Herr, um sein Leben zu retten, vor keiner Absteige Halt macht und auf einer Matratze gemeinsam mit Carlos nächtigt, dürften Allmens Sympathiewerte ansteigen lassen.
Foto: Degeto / Hardy Brackmann
Stimmige Balance zwischen den Genres & Tonlagen: Der Weg bleibt das Ziel
Es hat auch den Eindruck, als würden die durchaus reizvollen, aber gleichzeitig die Handlung ausbremsenden Konversationen zwischen Allmen und Carlos nicht mehr ganz so viel Raum einnehmen. Immer mal wieder trennt sich das Paar. So recherchiert Allmen allein an der Ostsee, derweil sich Carlos seiner Herzdame Maria widmet. Die gelegentliche Distanz zwischen den beiden tut auch dem Erzählfluss gut: So müssen sie sich nicht mehr ständig gegenseitig (die kulturelle bzw. die pragmatische) Welt erklären. Überhaupt, in „Allmen und das Geheimnis des rosa Diamanten“ gelingt die Balance zwischen Gespräch und Handlung, zwischen Ironisierung und „Kriminalisierung“ sowie zwischen Ich-Erzählung und Dialog sehr viel besser als im Eröffnungsfilm. Die Kommentare des Erzählers erscheinen nicht mehr als bloßer Selbstzweck oder als falsche Ehrfurcht vor dem Autor, sie fungieren mal als ironischer, den Helden gleichsam charakterisierenden Einwurf, mal erfüllen sie eine dramaturgische Funktion, indem sie etwas andeuten und damit die Spannung erhöhen. Ein Stück von diesem literarischen, sicherlich gewöhnungsbedürftigen Touch hat Drehbuchautor Martin Rauhaus auch für den zweiten Film beibehalten: gemäßigt wie hier ist das gut so. Gemessen am Mainstream-Krimi-TV ist die „Spannungsmache“ dieser Retro-Gaunerkomödie immer noch zurückhaltend. Noch immer erkennbar ist der Hang zum Beiwerk, zur schönen Nebensache (ein kleiner Flirt), zum stilvoll eingesetzten Accessoire. Nicht umsonst schwärmt Allmen einem Hoteldiener vor von „einem sicher gewählten Accessoire“, spricht’s und schenkt demselben eine Krawatte, anstatt ihm Trinkgeld zu geben. Überträgt man diese Lust am Randständigen auf die Handlung, ergibt sich daraus das Prinzip: Der Weg ist das Ziel.
Die Lust an Spiel, Sprache, Ironie und Stil sollte der Zuschauer schon mitbringen
So wie Allmen ein Mann von Geschmack ist, so dürfte das Gefallen/Missfallen der Filme nach den Romanen von Martin Suter auch ganz besonders eine Frage des persönlichen Geschmacks sein. Für den vollen „Allmen“-Genuss sollte man ein Faible mitbringen für altmodische Detektivgeschichten, für eine „uneigentliche“ Sprache, für euphemistisches Reden, für Spielereien und Zierrat aller Art, für Geplauder und Kultur (welcher andere Held weiß schon um Levi-Strauss, Nestroy oder Stendhal?!), für ein stilvoll elegantes Aus-der-Zeit-Gefallensein, für edle Locations (vergessen wir ihren Preis), für einen europäischen Vintage-Look (im Gegensatz zu den bunten US-Komödien der Sixties) und für den Lifestyle dieses Helden, der das Leben als eine Art Glücksspiel begreift und gern Kluges zitiert („Wenn die Jugend wüsste, wenn das Alter könnte“). Dass die Rollen für Heino Ferch und Samuel Finzi passen wie zwei Maßanzüge, das sollte selbst denen nicht entgehen, denen Ferchs stark zurückgenommenes Spiel (beispielsweise in der Ausnahme-Reihe „Spuren des Bösen“) unverständlicherweise Anlass zur Kritik gibt. Die Ironie steht beiden Schauspielern prächtig. Sie überzeichnen aber nicht, sondern treffen den richtigen Ton zwischen dezenter Stilisierung und manieristischer Rhetorik. Ansonsten sollte man mehr Lust verspüren, die spielerischen Momente zu genießen, als der Krimihandlung Sinn geben zu wollen. Das Realitätsprinzip wird ohnehin ein ums andere Mal ausgeschaltet. Diesmal wendet sich der Souverän über die Fakten noch etwas häufiger direkt an den Zuschauer; dennoch kann sich Rauhaus nicht entscheiden, diesem komödiantischen In-die-Kamera-Sprechen über den Gag hinaus Struktur und Sinn zu geben (in der zweiten Filmhälfte lässt Allmen den Zuschauer links liegen). Auch Allmens (Sprach-)Spiel mit dem schönen Geschlecht fällt unter die Lust-Kategorie. „Wirklich schade, dass Sie in Eile sind“, weiß die steinreiche Erbin, die Nora von Waldstätten spielt. „Nun, Eile ist ein recht dehnbarer Begriff“, wirft Allmen äußerst galant ein. Das hört die Schöne gern. „Dann sollten wir ihn unbedingt ein bisschen dehnen.“ (Text-Stand: 13.4.2017)