Johann Friedrich von, sein Diener, eine Schöne & die Jagd nach den „Libellen“
Geld hat Johann Friedrich von Allmen (Heino Ferch) nie viel bedeutet. Das behauptet der feingeistige Privatier jedenfalls. Deshalb hat er es wohl auch stets mit vollen Händen ausgegeben. Was nun zur Folge hat, dass er völlig mittellos und hoch verschuldet ist. Zwar wohnt er noch in einem prachtvollen Anwesen; das allerdings gehört längst der Bank. Der Umzug ins Gartenhaus, das er für sich und seinen treuen Diener Carlos (Samuel Finzi) retten konnte, steht bevor. Da ein grobschlächtiger Wucherer (Peter Kurth) nicht länger auf sein Geld warten will, muss sich der Hochwohlgeborene für diesen rabiaten Gläubiger etwas einfallen lassen. Und er hat Glück. Zufällig lernt er Joelle „JoJo“ Hirt (Andrea Osvárt) kennen, die Tochter eines der reichsten Männer der Schweiz. Da es sie nicht zu interessieren scheint, ob sich jemand an den Reichtümern im Hause ihres Vaters vergreift, nutzt Allmen mehrfach die Gunst der postkoitalen Stunde und lässt einige kostbare Schalen aus der Kunstsammlung von Hirt senior (Hanns Zischler) mitgehen. Und noch jemand scheint sich für diese sogenannten „Libellen“ zu interessieren: Terry (Ben Becker), ein Werenbusch, ebenfalls eine Familie mit Namen, aber ohne Benehmen, den Allmen noch aus alten Internatstagen kennt. Wenig später gibt es einen Toten – und auch auf den Adelsspross wird geschossen. Offenbar sind diese Schalen nicht nur zig Millionen wert, sondern sie haben auch eine kriminelle Vergangenheit. Wenn es Allmen geschickt anstellt, könnte er sogar doppelt abkassieren.
Ein Hedonist alter Schule, besorgt um den Erhalt seines gewohnten Lebensstils
Endlich mal raus aus der Krimiwelt des schnöden Alltags, aus dem Grau der Großstädte, den mörderischen Dramen hinterm Deich, am See oder auf dem Berg. Endlich mal keine digitale Bedrohung, kein Hackerangriff, der Identitäten vernichtet. Kein Kommissar, kein starkes Team, kein LKA-Profi. Sondern ein hedonistischer Held, der irgendwo zwischen Dieb, Hochstapler und Detektiv seinem genussvollen Tagwerk nachgeht. Johann Friedrich von Allmen ist ein Gentleman alter Schule, ein Gelegenheitskriminaler, der weniger um die Moral besorgt ist als um den Erhalt seines gewohnten Lebensstils. Diesem Mann mag Geld nichts bedeuten, aber die Annehmlichkeiten, die es einem bereiten kann, auf die möchte der Adelsspross nicht verzichten. Der Schweizer Romancier Martin Suter („Lila, Lila“) hat diesen Charakter erdacht. Zwar spielt „Allmen und das Geheimnis der Libelle“ im Heute, doch die Anmutung der dargestellten Welt und der Umgangston, den die Hauptfigur vorgibt, verweisen auf einen Lebensstil vergangener Tage. „Allmen ist ein Gentleman durch und durch – das beginnt mit seiner vorzüglichen Höflichkeit und endet bei seiner erstklassigen Garderobe“, betont sein Darsteller Heino Ferch. Ihm loyal und bescheiden zur Seite steht Carlos, den Samuel Finzi („Flemming“) als vergleichweise pragmatischen Menschen mit einem sarkastischen Blick auf die Welt verkörpert. Überhaupt, Ironie ist beider zweiter Vorname.
Foto: Degeto / Hardy Brackmann
Elegant, stilvoll, geschliffen, geistreich, ironisch, aber auch ein bisschen langweilig
„Allmen und das Geheimnis der Libellen“, dieser Film, dessen Drehbuch Autor Martin Rauhaus aus der Suter-Vorlage kondensierte und dem Regisseur Thomas Berger die nötige optische Eleganz voller edler Interieurs & stilvollen Designs verlieh, kann Laune machen, aber er kann ebenso leicht auch etwas langweilen. Voraussetzung, um ihn genießen zu können: Man darf keinen spannenden Krimi erwarten, allenfalls eine dezente, sich in allen Genrefarben zurückhaltende Gaunerkomödie. Man muss sich gewöhnen an die filmische Erzählung, die so vielversprechend flott, cool und verspielt beginnt (wo sich der Mann mit den feinen Manieren höflich und direkt an den Zuschauer wendet), die bald aber einen sehr viel gemächlicheren Ton anschlägt. Die Konversationen sind das Herzstück des Films; Graf Yoster scheint sich die Ehre zu geben. Auch Carlos darf sich mehr noch als Serien-Diener Johann in den Sixties treffende Bemerkungen erlauben. Die gedrosselte Geschwindigkeit ist wohl die Kehrseite der geschliffenen Sprache und der ebenso geistreichen wie ausschweifenden Kommunikation: Diese ist raumgreifend und nimmt sich Zeit, was einem temporeichen Filmrhythmus im Wege steht. An die 60er Jahre erinnert auch ein wenig der Score mit seinen Verweisen auf den Meister des Kino-Easy-Listening Henri Mancini („The Pink Panther“). Ein bisschen daneben gegriffen hat Regisseur Berger mit den Referenzen, auf die er im ARD-Presseheft verweist: erfreulicherweise haben die Dialoge, die Ferch und Finzi sprechen müssen, wenig gemein mit den Albernheiten von Tony Curtis und Roger Moore in „Die Zwei“; noch weniger haben sie zu tun mit den Buddys der „Ocean“-Reihe. Und leider hat dieser Fernsehfilm anno 2017 erwartungsgemäß so gar nichts von den durchschnittlich 80 Jahre alten Kriminalkomödien der „Dünner-Mann“-Reihe mit William Powell und Myrna Loy. Denn diese hatten eben das, was „Allmen“ nicht hat: Tempo, Witz, Esprit und beißende Ironie. Ein ständig betrunkenes amerikanisches Ehepaar kommuniziert eben frecher & frischer als der Schweizer Adel. Vielleicht sollten Allmen und sein Diener sich öfter mal einen hinter die feine Binde kippen.
Zu viel Literatur und zu wenig Kino-Referenzen? Mehr Blake Edwards bitte sehr…!
Apropos: Ein Gläschen Wein könnte auch beim Sehen dieses Filmes nicht schaden. Dann hört man dem literarischen Erzähler vielleicht nicht mehr so genau zu. Diese vermeintlich ironische Ebene erweist sich einmal mehr in einer „Literaturverfilmung“ als ziemlich überflüssig und sorgt für einen Plauderton, der seinerseits eine weitere Handbremse darstellt für einen angemessenen Erzählrhythmus. Überhaupt, diese Ehrfurcht vorm literarischen Werk ist der Sargnagel für einen richtig guten Film. Immer will man es dem „großen Schriftsteller“ recht machen, will vielleicht auch die Leser nicht verprellen, die den Roman kennen. Und so müssen in „Allmen und das Geheimnis der Libelle“ immer wieder Kommentare aus dem Off her, die nicht mehr als barocker Verbalnippes sind, während andere der Geschichte ihre Richtung geben müssen („Dass aber der Versuch, meine temporäre Zahlungsunfähigkeit zu korrigieren, die uralten Mächte von Gewalt und Gier auf den Plan rufen würden, ahnte ich hier noch nicht“). Zum Schluss sollte auch die Frage erlaubt sein, ob Suter überhaupt ein guter Vorlagengeber ist für eine TV-Kriminalkomödie: Was die Charaktere angeht, ist man bei ihm auf der sicheren Seite. Was den Plot betrifft, wohl eher nicht. Beschaulichkeit, Selbstreflexionen und eindimensionale Handlungsführung sind das dramaturgische Ergebnis. Man mag das stilsicher, elegant oder angenehm altmodisch nennen, auf jeden Fall ist es wenig aufregend. Dagegen hätten ein paar deutlichere Sixties-Referenzspuren dem Film als Film nur gut tun können. Mehr Blake Edwards, weniger vermeintliche Hochkultur. Andrea Osvárt war zumindest schon mal ein Versprechen in die richtige Richtung. Wenn dann noch der Titel gebende Dandy mit seiner Haarsträhne weniger auf Lord und mehr auf Bryan Ferry gestylt würde, wäre einiges gewonnen. Besser als der Tote im Teich und der Mörder auf dem Deich ist dieser verarmte Blaublüter im Gartenhaus allemal und seine künftige Agentur „für die Wiederbeschaffung schöner Dinge“ ist ein weiteres Versprechen… (Text-Stand: 30.3.2017)