Das hat Alex (Sebastian Fräsdorf) noch gefehlt. Seit Jahren hat er keinen Kontakt mehr zu seinem Vater Fred (Uwe Rohde) – und nun soll er dem alten Stinkstiefel Unterhalt bezahlen. Ausgerechnet jetzt, wo Alex endlich beruflich Land sieht. Aber weil er ein guter Junge ist, wartet er damit, sein Erspartes in die IT-Firma zu stecken, die er gerade mit einem Freund (Patrick Abozen) in Hamburg gegründet hat. Angekommen in seinem Geburtsort wird er gleich mächtig eingespannt. Denn ein Unfall auf seinem Kutter hat den Alten außer Gefecht gesetzt, vorübergehend, wie Alex annimmt. Und so springt er – widerwillig – ein als Pfleger und Fischer, bekommt dabei allerdings auch Unterstützung von seiner Jugendfreundin Marie (Cornelia Gröschel) und deren Bruder Ole (David Simon). Geschockt ist Alex allerdings, als er erfahren muss, dass Freds Auszeit „für immer“ sein wird: Der leidenschaftliche Fischer ist querschnittsgelähmt. Die einzige Rettung, um sich die Zukunft nicht völlig zu verbauen, sieht Alex im Verkauf des Hauses. Doch da gibt es ein Problem: Stresund. Der Küstenort stirbt langsam aus. Außer Marie gibt es hier keine Frauen mehr im heiratsfähigen Alter. Nur die Männer sind geblieben: Fitje (Stefan Lampadius), Lüthi (Juri Raphael Senft) oder Rolf (Anton Weber). Um sein Elternhaus zu verkaufen, muss Alex Stresund für Neubürger attraktiv machen und hat auch gleich eine Idee: Speed-Dating für heiratswillige Großstädterinnen.
Foto: Degeto / George Cifteli
Fischer sind jedoch ähnlich schwer vermittelbar wie Landwirte. Jedenfalls die, mit denen es der Held in der ARD-Freitagskomödie „Fischer sucht Frau“ zu tun hat. Die Jungs sind schon recht eigen. Einer versteht partout alles falsch, ein anderer hat immer ein unpassendes Gedicht parat, wieder ein anderer wartet noch immer sehnsüchtig auf sein erstes Mal, und für alle vier sind Frauen & Flirten ein völlig unbekanntes Terrain und von körperlicher Hygiene haben sie auch noch nicht viel gehört. Autorin Judith Westermann („Zimmer mit Stall – Berge versetzen“) hat den Fischern, allesamt tragende Nebenfiguren, Typenmerkmale und Sätze ins Drehbuch geschrieben, die mit der falschen Besetzung ins Peinliche hätten kippen können, aber mit Schauspielern, deren Gesichter man vielleicht schon mal gesehen hat, deren Namen aber kaum einem Zuschauer geläufig sind, gelingt ein augenzwinkernder Authentizitätseffekt, den man sich gern gefallen lässt. Darsteller und Zuschauer schmunzeln quasi gemeinsam über diese döspaddeligen Fischer. Ausgelacht werden sie nicht; denn es liegt immer auch eine gewisse Tragik über den privaten Geschichten dieser Übriggebliebenen. Gleiches gilt für den Vater-Sohn-Konflikt. Als Alex von der Lähmung seines Vaters erfährt, zerreißt es ihm förmlich die Brust, denn er versteht nur zu gut, was für einen Schmerz das für seinen Vater bedeuten muss. Und auch dieser ist nicht der typische Kotzbrocken, wie ihn zahlreiche Fernseh-Dramödien in der ersten Filmhälfte etablieren. Bei Uwe Rohdes Brummbär schwingt immer ein Stück weit der Grund mit, weshalb er so nörgelig ist: ein Fischer, ein Mann, der in seinem Leben stets alles allein gemeistert hat, von eben auf gleich im Rollstuhl – in der Realität nimmt so einer Psychopharmaka, im Film mault er eben den Sohnemann an.
Soundtrack: Passenger („Let her go„), Portugal. The Man („Feel it still„), Hildegard Knef („Für dich soll’s rote Rosen regnen„); diverse Freddy-Lieder; Connie Francis („Where the Boys are„), Tim Neuhaus („As Life found you„)
„Humor und Tragik liegen dicht beieinander, und die situative Hilflosigkeit im Spiel findet den schmalen Grat zwischen Freud und Leid. Der Spannungsbogen in ‚Fischer sucht…‘ ist ausgeglichen, so wie es bei Ebbe & Flut ist.“ (Uwe Rohde)
Foto: Degeto / George Cifteli
Auch wenn einem die Dramaturgie sehr vertraut vorkommt und jeder Zuschauer wissen dürfte, welchen (Aus-)Gang die Geschichte nehmen wird, hat man bei „Fischer sucht Frau“ nie den Eindruck, es mit einem konventionellen, schlichten Unterhaltungsfilm inklusive der immergleichen Läuterungslösung zu tun zu haben. „Was ist, wenn die Frauen uns trotzdem nicht mögen und wir einsam sterben?“, fragt sich auf der Zielgeraden nicht nur einer der Fischer. Die Beiläufigkeit, mit der in dieser Komödie Witz und Ängste kurzgeschlossen werden, ist bemerkenswert. Westermann und Regisseur Sinan Akkus loten beide Stimmungs-Pole aus. Gute-Laune-Szenen wechseln mit Momenten voller tiefer Gefühle. Die Geschichte besitzt einen schicksalhaft-tragischen Unterboden und sie entwickelt zugleich einen enormen komödiantischen Wohlfühlflair. Das alles vereint sich stimmig in der Hauptfigur und dem Spiel von Sebastian Fräsdorf. Adrett frisiert geht der Schauspieler, der gern als der etwas andere Freund im Wartestand („Weingut Wader“ oder „Familie ist kein Wunschkonzert“) besetzt wird und der in der Um-die-40-Comedy „Nix Festes“ (ZDFneo) an der Seite von Josefine Preuß die Hauptrolle spielte, in seiner Rolle Alex als kapitaler Schwiegermutter-Schwarm durch. Dieser Typ weiß, wie Frauen ticken – und doch ist er kein Großstadtschnösel. Trotz seines Kalküls, Stresund aufzupeppen, um das Elternhaus bestmöglich zu verkaufen, wirkt er sympathisch, und er ist letztendlich doch ein Stresunder geblieben. Auch sein Herzblatt verzichtet beim Wiedersehen bald auf das übliche Herumgezicke, das so (TV-)typisch ist für die in der Jugend im Heimatort zurückgelassene Liebe. Vielmehr will sie wissen, wie es ihm ergangen ist: ob er seinen Abgang bereut und warum er sich nie gemeldet habe? Und Cornelia Gröschel ist das Pendant zu Fräsdorf: der Schwiegervater-Schwarm.
Auch filmisch überzeugt „Fischer sucht Frau“. So wird trotz warmem Sommerlichts und einiger vermeintlich romantischer Situationen, die nicht zu kitschigen „Magic Moments“ werden, die norddeutsche Küstenlandschaft nur selten als Feelgood-Ambiente für den Zuschauer eingesetzt, sondern sie besitzt vor allem eine narrative Funktion. Wenn Fräsdorfs Alex sich auf dem Kutter eines Freundes seiner – im Zorn über den Vater – verlassenen Heimat nähert, ist es der Blick des Heimkehrers, in dem sich das Alltägliche mit der inneren Anspannung der Figur verbinden. Auch später ist die Natur Stimmungsgeber und Spiegel der jeweiligen Interaktion. Wenn die drei Hauptfiguren Ausflüge aufs Meer machen, entstehen Situationen leiser Zärtlichkeit. Nach den ersten ehrlichen Worten zwischen Vater und Sohn gibt es eine solche Schifffahrt – und Alex‘ Geste zeigt Wirkung bei seinem Vater. In solchen Szenen beweisen Regisseur Akkus und seine Schauspieler Mut zum Gefühl. Später werden noch Sturzbäche von Tränen fließen. Und damit sind wir wieder bei der Besonderheit dieses Films: dem stufen- & bruchlosen Miteinander von launiger Komik und tiefer Tragik.