„Ich bin als Angsthase geboren und ich werde als Angsthase in die Grube fahren“, gestand Edgar Selge unlängst der „Bunten“. Die Angst sei seine Urluft, aus dem sich sein Verhalten speise. „Sie ist das Grundgefühl, mit dem ich aufwache und das mich jeden Morgen fragen lässt: Wirst du diesen Tag bewältigen können?“ Der „Zeit“ sagte er einmal: „Angst ist ein Gefühl, das ich gut abrufen kann.“ In „TV Spielfilm“ vertiefte er diesen Gedanken. Für die Therapierung seiner Ängste sei das Spielen angstbesetzter Situationen leider nur bedingt zu gebrauchen und der Effekt von kurzer Dauer. „Dinge, vor denen ich Angst habe, kann ich nur in einer Rolle überwinden, in der Haut eines anderen.“ Und hinterher ist alles beim Alten.
Edgar Selge ist die ideale Besetzung für die Hauptrolle in „Angsthasen“, einer Tragikomödie, in der Phobien das Sagen haben und auf einen einzigen Urgrund zurückgeführt werden: die Angst vor dem Tod. Den Versicherungsvertreter Adrian Zumbusch plagen alle erdenklichen Ängste. Er meidet Fahrstühle, Tunnel, Menschenansammlungen, neue Herauforderungen. Er hat Angst vorm Fliegen, vor seinem Chef, vor Frauen. Erst als der penible Hypochonder von seiner Ärztin erfährt, dass er nur noch wenige Wochen zu leben hat, fallen alle Phobien von ihm ab. Auf einmal wird aus dem Mann, der jahrelang von Vermeidungsstrategien beherrscht wurde, einer, der das Leben genießen kann. Er verliebt sich sogar. Nichts kann ihn mehr bange machen. Er bezieht eine Luxuswohnung, balanciert über die Dächer von München, geigt seinem Chef die Meinung, spielt vor vollem Haus den singenden Entertainer und lernt sogar, Angstlust zu genießen. Das Leben könnte so schön sein, wenn es bald vorbei wäre.
Natürlich kommt auch die Liebe zu ihrem Recht in diesem wunderbaren Fernsehfilm, der so leicht daher kommt und in dem es gleichzeitig um so viel geht. Der Neurosenkavalier verliebt sich in seine Ärztin. Und auch die hat seelische Probleme. Sie flüchtet nicht, wenn Referate bei Versammlungen anstehen, sie flüchtet, wenn ihr ein Mann zu nahe kommt. Einer, der bald ins Gras beißen wird, ist also für sie der ideale Partner. Kann unter diesen Voraussetzungen die Liebe zwischen dem Phobiker und der bindungsschwachen Frau Doktor Bestand haben?
Bereits mit seinem Kommissar Tauber im „Polizeiruf 110“ gab Selge den vermeintlich kleinen Ängsten und Marotten ein menschliches Antlitz. In einer Folge der zuletzt zweifach Grimme-Preis-gekrönten Krimireihe wurde „Taubers Angst“ sogar zum Filmtitel erhoben. In dem Film von Franziska Buch kaspert er nun valentinesk durch die Münchner Szenerie. Leiser zwischen Freude und Schmerz pendelt Nina Kunzendorf: das kongeniale Pendant! Das Lachen bleibt einem nur selten im Halse stecken – und trotzdem wirkt nichts in dieser tragischen Komödie weichgespült. Die ARD-Komödie „Angsthasen“ dringt in ein Phänomen ein, das nicht nur ein paar Wenige angeht. Selge: „Angst ist ja nur ein Begriff für einen Grundzustand. Wovor man konkret Angst hat, das kann bei jedem anders aussehen.“ (Text-Stand: 26.9.2007)