Für immer Freibad

Tyrell Otoo, Anouk Elias, Fürmann, Roggan, Matschenz, Evans, Ritter, Laura Fischer. Hormone statt Paragrafen

19.06.2025 10:00 ZDF-Stream Streaming-Premiere
14.08.2025 20:15 ZDF TV-Premiere
Foto: ZDF / Xiomara Bender
Foto Rainer Tittelbach

Planung ist das halbe Leben. An der anderen Hälfte schnuppert Simon nach dem Abitur, im Sommer 1999. Daraufhin schießt er sein Jurastudium für die Liebe und ein anderes Leben in den Wind. „Für immer Freibad“ (good friends) ist ein sympathischer Wohlfühlfilm, der locker und luftig Elemente einer Coming-of-Age-Dramedy mit der klassischen Dramaturgie einer Romantic Comedy verbindet. Und so geht es in der ZDF-Komödie nicht nur um das leicht-lockere Sommer-Feeling, die ersten Schmetterlinge im Bauch, sondern auch um das, was die Charaktere im Innern bewegt. Und weil die Jahrtausendwende ansteht, diskutiert die coole Freibad-Belegschaft, die zu Simons Ersatzfamilie wird, auch immer wieder über Träume und Lebensziele. Wie das gut besetzte Ensemble den Komödien-gemäß typisierten Figuren „Glaubwürdigkeit“ verleiht, und wie es Regisseurin Laura Fischer gelingt, mit einfachen Mitteln (zeitgeschichtliche) Gefühlswelten sinnlich zu erschließen, das kann sich sehen lassen – und macht Laune.

Sommer 1999. Simon (Tyrell Otoo) hat gerade sein Abitur gemacht, ein Jahr früher als normal. Planung ist das halbe Leben. So sieht es sein pflichtbewusster Vater Rainer (Benno Fürmann), der die Zukunft für den Jungen klar vor Augen hat: Karriere als Anwalt, Heirat, Familie, Eigenheim … Damit Simon alsbald der Welt seinen Stempel aufdrücken kann, wie es sein Sicherheits- und Arbeitsschutzprüfer-Vater begeistert ausdrückt, steht bereits im Sommer ein Juravorbereitungskurs auf dem Programm. Doch dann sieht Simon Mira (Anouk Elias), trifft im Freibad einen Kumpel (Max Schimmelpfennig), der dort als Aushilfskraft arbeitet und ist sofort angetan von der lockeren Stimmung, die hier unter den Kollegen herrscht: Da sind Leiterin Katja (Pheline Roggan), Bademeister, Ex-Schwimmer und Frauenschwarm Robbe (Jacob Matschenz), Kiosk-Faktotum Gundolf (Matthias Komm), seine Hilfskraft Rico (Moayad Alsahli), Maniküre-Fan Lydia (Kirsten Block) an der Kasse und – welch ein glücklicher Zufall – Mira, aus der bald mehr wird als nur das Mädchen seiner Träume. Eine solche Gemeinschaft kann sein Zuhause Simon nicht bieten. Seine Mutter ließ sich früh scheiden, und sein gut meinender Vater und seine konsumgeile neue Partnerin (Jeannine Michaelsen) sehen ihn nicht. Und so schießt Simon Papas Pläne und Paragrafen in den Wind und hört ganz auf seine Hormone.

Für immer FreibadFoto: ZDF / Britta Krehl
Obwohl die beiden auf die 40 zugehen, scheinen ihre Lebensziele fürs neue Jahrtausend nicht kompatibel zu sein. Während Katja (Pheline Roggan) versucht, ihr Team zu motivieren, zieht Bademeister Robbe (Jacob Matschenz) gern seine eigene Show ab.

„Für immer Freibad“ ist ein sympathischer Wohlfühlfilm, der locker und luftig Elemente einer Coming-of-Age-Dramedy mit der klassischen Dramaturgie einer Romantic Comedy verbindet. Emotionales Zentrum ist die Liebesgeschichte. Die Nähe, die sich zwischen dem unsicheren Simon und der aufgeweckten und zugleich nachdenklichen Mira entwickelt, beruht anfangs auf einem Missverständnis, das aufzuklären, dem Jungen einfach nicht gelingen will. Ihr Vater ist vor nicht langer Zeit gestorben, und Simon erzählt immer so seltsam von seinem Vater, dass Mira irgendwann annimmt, dass auch er tot ist. Statt die Sache sofort zu klären, spielt der Jurist in spe das Lügenspiel mit. Das typische Komödienmuster also, das die Liebe kurz vor dem finalen Happy-End auszubremsen droht. So pur und ungebrochen hat man eine solche komödiantische Romanze schön länger nicht mehr erzählt bekommen, nachdem sich nach Teenager-Komödien-Sender Pro Sieben auch Sat 1 Ende der 2010er Jahre aus dem TV-Movie-Geschäft zurückgezogen hat. Die dramaturgische Naivität fällt allerdings bei dieser ZDF-Produktion kaum störend ins Gewicht, da andere Einrücke überwiegen: Diesem „süßen“ Pärchen wünscht man von Anfang an nur das Beste. Dass den Zuschauer:innen „The first cut is the deepest“-Erinnerungen kommen könnten, liegt vor allem an Tyrell Otoo und Anouk Elias – zwei frische Gesichter, denen man diese Liebesgeschichte abnehmen kann, auch wenn Simon in seiner Unbeholfenheit mitunter wie ein Teenager vom anderen Stern wirkt. Sein ungewöhnlicher Aufzug wird allerdings auch clever narrativ genutzt: So missversteht Mira Anzug und Krawatte als eine Reminiszenz an den Vater.

Soundtrack:
Eiffel 65 („Blue“), Bill Withers („Leon On Me“), Genesis („I Can’t Dance“), Ricky Martin („Livin‘ la Vida Loca“), Lou Bega („Mambo No. 5“), Wolfgang Petry („Verlieben, Verloren, Vergessen, Verzeih’n“), Will Smith („Wild Wild West“), Bachstreet Boys („Everybody“), TLC („Waterfalls“), Sixpense None the Richer („Kiss Me“), Tom Jones (Sex Bomb“), Prince („Purple Rain“), Moby („Flower“), Scooter („How Much Is The Fish?“), Madonna („Frozen“), Udo Jürgens & Jenny („Liebe ohne Leiden“)

Für immer FreibadFoto: ZDF / Britta Krehl
„The First Cut Is The Deepest“. Diesem „süßen“ Pärchen wünscht man als Zuschauer nur das Beste. Das liegt vor allem auch an Anouk Elias & Tyrell Otoo, zwei frische Gesichter, denen man diese schön nostalgische Liebesgeschichte abnehmen kann.

Dass die Drehbuchautoren Will Evans und Christof Ritter den Tod als Movens für das obligatorische Komödien-Missverständnis verwenden und ihn zum retardierenden Moment auf dem Weg zum Glück machen, dürfte eine wohlüberlegte Entscheidung gewesen sein und erweist sich als äußerst klug: So geht es in „Für immer Freibad“ von Anfang an nicht nur um das leicht-lockere Sommer-Feeling, die ersten Schmetterlinge im Bauch, sondern auch um das, was die Charaktere im Innern bewegt. Das Paar tauscht nicht nur erste Küsse aus, sondern auch intime Gedanken. „Das hat gutgetan, mal mit jemandem zu reden, der das kennt“, sagt denn auch Mira und ist sehr angetan von Simons Sensibilität. Wären nur diese Lügen nicht! Auch die Nebenfiguren geben zunehmend mehr von sich preis. Gelebte Gemeinschaft geht bald über gemeinsames Chillen hinaus. Der nächtlichen Sause zu Simons 18. Geburtstag folgen auch ernsthafte Gespräche, bei denen der junge Mann von den Älteren so allerlei gute Ratschläge bekommt. Und weil nach der Sonnenfinsternis noch die Jahrtausendwende ansteht, wird auch immer wieder über Träume und mögliche Lebensziele diskutiert. Den Jungen fällt dazu wenig ein. Selbst Robbe, Ende 30, gibt den Berufsjugendlichen und redet sich sein Leben schön. Klarer ist da schon Katja, die Enttäuschungen erlebt hat, aber immer noch etwas will vom Leben, auch wenn die Optionen deutlich abnehmen. All diese Gedanken sind Nährstoff für Simons Entwicklung – und sie helfen ihm mehr als die einengenden Pläne seines Vaters. Das Freibad also als Ort eines Reifungsprozesses, als Schule des Lebens. Und am Ende gehen sogar dem Vater die Augen auf, als er erfährt, dass sein Sohn ihn für tot erklärt hat: was für ein Sinnbild!

Dass die Handlung 1999 spielt, gibt „Für immer Freibad“ einen wunderbar nostalgischen Touch – und mehr noch: ist Voraussetzung, dass die Geschichte so gut funktioniert. In den 2020er Jahren gibt es zwar auch noch (eine ganze Menge sanierungsbedürftiger) Freibäder und den Wunsch nach Gemeinschaft jenseits von Social Media, aber in der Zeichenwelt der Gegenwart würde das romantische Motiv Freibad aus der Zeit gefallen wirken. Und auch wenn man dem Film im ZDF-Stream viel junges Publikum wünscht, so wird er doch für die meisten eine Reise in die Vergangenheit sein. Wie das gut besetzte Ensemble den Komödien-gemäß typisierten Figuren „Glaubwürdigkeit“ verleiht, und wie es Regisseurin Laura Fischer und ihren Gewerken gelingt, mit einfachen Mitteln (zeitgeschichtliche) Gefühlswelten sinnlich zu erschließen, das kann sich sehen lassen – und macht Laune. Beiläufige Gags wie das Schild „Dieser Betrieb ist seit … Tagen unfallfrei“ (als Simon zu Beginn „gerettet“ wird, steht da eine „0“), der „Apocalypse now“-lässt-grüßen-Satz „Ich liebe den Geruch von Chlor am Morgen“ oder die schöne Metapher der „Rettungsschwimmerin“ (Mira rettet den begabten Zeichner Simon vor einer drögen Zukunft als Jurist) wären natürlich noch schöner, wenn die 1990er Jahre und besonders 1999 bessere Hits hervorgebracht hätten.

Für immer FreibadFoto: ZDF / Britta Krehl
Es musste ja so kommen. Vater Rainer (Benno Fürmann) überrascht Simon (Tyrell Otoo), den er im Juravorbereitungskurs wähnt, bei seinem Job im Freibad. Und was er Katja (Pheline Roggan) und Basti (Max Schimmelpfennig über den Zustand der Anstalt zu sagen hat, ist niederschmetternd. Doch Simons Vater zeigt am Ende, dass er über seinen Spießer-Schatten springen kann.

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Tyrell Otoo, Anouk Elias, Benno Fürmann, Pheline Roggan, Jacob Matschenz, Max Schimmelpfennig, Matthias Komm, Moayad Alsahli, Jeannine Michelsen, Amira Demirkan, Kirsten Block, Axel Schreiber

Kamera: Jakob Creutzburg

Szenenbild: Jörg Baumgarten

Kostüm: Silke Faber

Schnitt: Martin Wolf

Musik: Tim Neuhaus

Redaktion: Jasmin Verkoyen

Produktionsfirma: good friends Filmproduktion

Produktion: Ursula Pfriem, Moritz von der Groeben

Drehbuch: Will Evans, Christof Ritter

Regie: Laura Fischer

EA: 19.06.2025 10:00 Uhr | ZDF-Stream

weitere EA: 14.08.2025 20:15 Uhr | ZDF

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