Pack schlägt sich, Pack verträgt sich: Die Redensart ist zwar auf sogenannte bildungsferne Familien gemünzt, passt aber auch zu Gerald und Gundula Bundschuh sowie ihrer Sippschaft perfekt; selbst wenn sie ehrenamtliche Bürgermeisterin und er Oberfinanzdirektor ist. Seit vielen Jahren befindet sich das ursprünglich von Andrea Sawatzki als Romanfiguren erdachte Ehepaar nun schon im Dauerkrisenmodus, weil Gerald sein eigener Fixstern ist und sich nicht im Geringsten für die Bedürfnisse seiner Frau interessiert. Dass sie zudem mit einem Bruder geschlagen ist, dessen Larmoyanz nur noch von seinen Fähigkeiten als Schmarotzer übertroffen wird, macht ihr Dasein nicht leichter. Im neunten Film zieht sie endlich die Konsequenzen und kontaktiert eine Scheidungsanwältin.
Foto: ZDF / Adrian Gross
Erst mal schickt Drehbuchautor Stefan Kuhlmann das Paar jedoch zum Camping: Der Gatte hat die Signale erkannt und will die „Reset-Taste“ drücken. Der Rest der Mischpoke – Bruder Hadi nebst Ehefrau Rose sowie Geralds Mutter – trifft später ebenfalls ein, aber das eigentliche Thema der Komödie ist ein anderes: Der Beamte (Axel Milberg) hat nicht im Mindesten vor, an der Beziehung zu arbeiten, denn wie es der „Zufall“ will, verbringt auch der Vorgesetzte (Gustav Peter Wöhler) seinen Urlaub auf dem Gelände, und natürlich braucht Gundula nicht lange, um herauszufinden, was das eigentliche Motiv ihres Mannes für den Ausflug ist. Während er bloß davon faselt, ein paar Tage „im Einklang mit der Natur“ verbringen zu wollen, lebt sein Chef Manfred dieses Motto in vollen Zügen. Genüsslich sorgt Gundula dafür, dass Gerald, alles andere als ein Naturbursche, mitten in der Nacht aufstehen muss, um Manfred zum Angeln zu begleiten. Gemeinsamem Frühsport oder gar fröhlichem Nacktbaden kann er noch weniger abgewinnen, aber da muss er durch.
„Wir machen Camping“ ist Kuhlmanns drittes Drehbuch für die Reihe, und endlich dürfen die Frauen gegen ihre Rolle als Dulderin rebellieren. Zu Beginn des Films macht Gundula den „Großen Trennungstest“ im Internet („Bleiben oder Gehen?“). Das Resultat ist eindeutig: „Nix wie weg!“ Die Großmut ihrer zutiefst religiösen Schwägerin Rose (Eva Löbau) grenzt zwar fast an Märtyrertum, aber die angehende Pastoralreferentin ist in der Ehe mit Hadi ohnehin ganz eindeutig das starke Geschlecht, selbst wenn er sie die ganze Arbeit machen lässt und dabei auch noch gönnerhaft wirkt. Wie Stephan Grossmann den Kontrast verkörpert, ist unnachahmlich: Im Grunde ist der hünenhafte Hadi bloß ein Wicht. Weil Gerald und Gundula versehentlich sein Romanmanuskript mitgenommen haben, kommt es auf dem Campingplatz zur Wiedervereinigung der Familie; Gundulas Schwiegermutter (Judy Winter) ist selbstverständlich mitgefahren, sieht aber überhaupt nicht ein, dass sie die Nächte in einer „Schlaftonne“ verbringen soll, und lässt sich stattdessen zu entsprechenden Kosten in der „Safari-Lodge“ verwöhnen.
Foto: ZDF / Adrian Gross
Der Rest sind Gags. Weil Kuhlmann die Ereignisse mehr oder weniger unverbunden aneinanderreiht, wirkt die Handlung fast zwangsläufig sehr episodisch. Zur Auflockerung streut Regisseurin Franziska Meyer Price, die auch den letzten „Bundschuh“-Film gedreht hat („Bundschuh vs. Bundschuh“, 2023), immer wieder mal typische Zeltplatzimpressionen ein. Hin und wieder sorgen besondere Blickwinkel für optische Abwechslung (Kamera: Nicolay Gutscher), aber ansonsten konzentriert sich die Inszenierung auf Ensemble und Pointen. Manche Scherze funktionieren auch ohne Worte, doch über weite Strecken besteht die Handlung aus den Wortgefechten zwischen den beiden Ehepaaren. Die sind wie stets von zuweilen erlesener Bosheit, aber im Grunde tragisch, weil Gundulas Bemühungen, die Ehe zu retten, samt und sonders an Geralds Egozentrik zerschellen: Die Filme zeigen fast schon schmerzlich, wie toxisch sich eine von Miss- und Verachtung geprägte Beziehung entwickelt.
Damit aus der Komödie kein Drama wird, hat Kuhlmann die Geschichte um viele heitere Momente ergänzt. Dabei handelt es sich meist um pure Situationskomik, gern im Zusammenhang mit dem luxuriösen Wohnmobil, samt und sonders gut gespielt und mit dem richtigen Tempo erzählt, oft erwartbar und trotzdem witzig. Aber es gibt auch andere Szenen, die mitunter beredter sind als die Dialoge: Als Rose auf Hadis Literaturagentin (Monika Oschek) trifft, genügen wenige Eindrücke, um die Seelenverwandtschaft der beiden Frauen zu offenbaren. Kurz vor Schluss resümiert der Film die Ehe der Bundschuhs mit kompilierten Rückblenden, die fast schon tragisch verdeutlichen, wie unterschiedlich zwei Menschen wahrnehmen, was sie gemeinsam erlebt haben.
Foto: ZDF / Adrian Gross