Eins der vielen bösen Bonmots von W.C. Fields könnte auch das Motto dieses Films sein: „Ein Mensch, der Kinder und Hunde hasst, kann nicht ganz schlecht sein.“ Tatsächlich hatte der Komiker keine Skrupel, in seinen Filmen Kinder zu schlagen und Hunde zu treten. Seiner enormen Beliebtheit tat das keinen Abbruch, im Gegenteil. Eltern würden das gerade heutzutage niemals öffentlich zugeben, aber Kinder können eine echte Landplage sein; außerdem kosten sie Nerven und jede Menge Geld. Auf der Basis dieser stillen Übereinkunft bewegt sich die Komödie „Die Kinderschwindlerin“ nach einem Drehbuch von Daniel Scotti-Rosin. Der Grundgedanke ist zunächst ganz einfach: Weil eine traumhaft preiswerte, gut gelegene und auch sonst in jeder Hinsicht perfekte Wohnung nur an eine Familie vergeben wird, gibt Nina (Laura Storz) Nichte und Neffen kurzerhand als ihre eigenen Kinder aus. Der Vermieter ist angetan, Nina kriegt die Wohnung, und alle könnten glücklich und zufrieden sein.
Foto: ZDF / Frank Dicks
Natürlich ist das nicht das Ende der Geschichte, sondern im Gegenteil ihr Anfang: Die vierzehnjährige Frieda (Holle Kirck) ist nicht nur genauso durchtrieben wie ihre Tante, sondern auch eine notorische Schwänzerin; deshalb hat die Schule ihren Eltern einen blauen Brief geschickt. Den hat Frieda allerdings abgefangen, und nun soll sich Nina beim Gespräch mit der Klassenlehrerin (Lorna Ishema) und dem Schulpsychologen (Denis Moschitto) als ihre Mutter ausgeben; also tischt sie den beiden ein herzergreifendes Märchen auf. Frieda ist derart begeistert, dass sie Nina nicht nur zur Lieblingstante, sondern auch zu ihrem Vorbild kürt. Am liebsten würde sie bei ihr einziehen, weil sie so „saucool“ und völlig anders ist als ihre Spießermutter Ariane (Jasmin Schwiers). Nina ist darob allerdings nur mäßig begeistert, und nun kommt W.C. Fields ins Spiel: Sie kann Kinder nicht ausstehen.
Anders als die Misanthropen, die der Amerikaner bevorzugt verkörperte, muss die „Rabentante“ (wie der Arbeitstitel des Films lautete) zwar eine gewisse Läuterung durchlaufen, aber immerhin verraten Scott-Rosin und Regisseurin Tini Tüllmann ihre Hauptfigur nicht. Das wäre auch völlig unglaubwürdig, denn schon Ninas Einführung lässt keinen Zweifel an ihrer Haltung: Auf die Geburtstagsfeier bei Ariane und ihrem Mann Jörg (Tristan Seith) hat sie vor allem der Kinder wegen absolut keinen Bock. Entsprechend argwöhnisch beobachtet sie, wie ihr ohnehin stets gutgelaunter Freund Sammy (Ekrem Bora alias Eko Fresh) einen Riesenspaß mit den Kids hat. Prompt vermutet sie, dass er auch ihr eins unterjubeln will, obwohl sie von vornherein klargemacht hat, dass sie keine Kinder will, und beendet die Beziehung.
Foto: ZDF / Frank Dicks
Später reicht das Drehbuch eine Erklärung für die Aversion nach, aber zunächst erfreut der Film vor allem durch kleine Bosheiten: Nina hatte offenbar schon so lange keinen Kontakt mehr zu Arianes Familie, dass sie die Namen der Kinder vergessen hat. Als sie sich die Party lustig trinken will, nimmt Frieda Revanche und klaut den Korkenzieher, was im Rahmen des nun folgenden Gerangels zur Folge hat, dass die im Garten aufgebaute Hüpfburg sang- und klanglos in sich zusammensackt. Die Schuld kann Nina gerade noch einem kleinen Jungen in die Schuhe schieben. Sonderlich sympathisch ist sie anfangs im Gegensatz zu Sammy ohnehin nicht.
Bühnenschauspielerin Laura Storz hat nur wenig Kameraerfahrung, was sich nach diesem Film ändern dürfte, zumal sie es vermeidet, für die „letzte Reihe“ zu spielen: Nicht Nina, sondern die Situationen, in die sie aufgrund ihrer diversen Lügen fortwährend gerät, sind lustig. Ihre Dialoge sind allerdings ziemlich witzig. Eine weitere Entdeckung ist Holle Kirck, zumal sie ähnlich wie Storz in verschiedene Rollen schlüpfen darf: Der Grund für Friedas Schwänzen ist der zwei Jahre ältere Ben (Jarno Mindner), der sich irgendwann ziemlich schamlos auch an Nina ranmacht; und nun entwickeln sich die Dinge noch mal in eine ganz andere Richtung.
Foto: ZDF / Frank Dicks
Soundtrack: Lizzo („Juice“, Iggy Azalea („Bounce“), Jace Everett („Bad Things“), The Clash („Should I Stay Or Should I Go”), Tito Puccio („Via con me”), Joan Jett („Reputation”), Carpenters („Close To You”), The Pointer Sisters („I’m So Excited”), Blondie („Heart Of Glass”), KC & The Sunshine Band („I’m Your Boogie Man”), Dan Hartman („Relight My Fire”), Faith No More („I Startet A Joke”), London Grammar („Bittersweet Symphony”), The White Stripes („Seven Nation Army”), Taylor Swift („I Knew You Were Trouble”)
Optischer Höhepunkt des Films ist eine Siebzigerjahre-Party, die mit einem Eklat endet, als eine verbitterte Nachbarin (Doris Kunstmann), die sich auf junges Leben im Haus gefreut hatte, den Betrug auffliegen lässt. Jenseits all’ der Heiterkeiten enthält „Die Kinderschwindlerin“ aber auch einen ernsten Kern. Scotti-Rosin deutet ihn gleich zu Beginn an, als Nina ihrem Freund den eigentlichen Grund gesteht, warum sie den Besuch bei Ariane schon im Voraus bereut: weil sie keine Lust hat, sich dafür zu rechtfertigen, dass ihr Lebenssinn nicht darin besteht, Kinder in die Welt zu setzen.