Kissenschlachten sind immer lustig: Die Beteiligten hauen sich die Daunen um die Ohren, bis die Fetzen fliegen, aber niemand tut sich weh. In Komödien bilden sie gern den ausgelassenen Höhepunkt, zumal stets ausgespart bleibt, wer hinterher aufräumen muss. Julia Beckers Film fällt nicht nur in dieser Hinsicht aus dem Rahmen. Sollten die Mitwirkenden Spaß an der Szene gehabt haben, so lassen sie sich das jedenfalls nicht anmerken; offensichtlich hat die Regisseurin ihr Ensemble aufgefordert, möglichst grimmig dreinzublicken. Die Zeitlupe verstärkt den Effekt noch: Ein ganzes Lied lang („Tainted Love“ von Marilyn Manson) können zwei Familien endlich all’ die Wut rauslassen, die sich schon lange aufgestaut hat; bis eine Beinahetragödie das wütende Treiben beendet.
Foto: ZDF / Moritz Anton
Dabei hat die Geschichte ganz anders angefangen. Karo und Knut (Lucie Heinze, Helgi Schmid) leben in Leipzig und sind bereit für den nächsten Schritt: Heiraten und Kinder kriegen. Dann jedoch genügt der Inhalt eines versehentlich geöffneten Briefs, um die Liebe auf eine erhebliche Probe zu stellen. Gerade noch hat Knut liebevoll einen Antrag in die Wege geleitet, nun ist er am Boden zerstört. Ausgerechnet heute ist Karo beruflich unterwegs, sie wird auswärts übernachten. Als sie tags drauf endlich wieder da ist, will Knut sie zur Rede stellen, doch dazu kommt es nicht: Weil er morgen vierzig wird, hat Karo eine Überraschungsparty organisiert. Bei der Gelegenheit sollen sich auch die jeweiligen Eltern kennenlernen. Mit großem Geschick entwickelt Becker nun eine Dynamik, die immer sinistrer wird, bis die anfänglichen Sticheleien in ein Hauen und Stechen ausarten.
Die Idee eines Familienfests, das zum Tag der Abrechnung wird, ist nicht neu, aber Becker, die außerdem Karos Schwester Franziska spielt, vereinigt in ihrem Drehbuch gleich mehrere Handlungsstränge mit unterschiedlichen Vorzeichen. Schon allein die erste Begegnung der beiden Elternpaare böte genug Stoff für eine eigene Komödie. Das Potenzial offenbart sich, als Knuts trinkfreudige Mutter Uschi (Steffi Kühnert) und Karos Vater Bernhard (Matthias Brenner) am Fenster stehen und beim Blick auf die Straße ihren finsteren Vorurteilen freien Lauf lassen. Beide scheinen sich einig zu sein, bis Uschi dämmert, dass sie über zwei gänzlich unterschiedliche Gruppen sprechen: Sie lästert über „Asylanten“, er über „die Ossis“. Dieser Gegensatz ist neben dem Briefgeheimnis der zweite Motor der Handlung: Uschis Ex-Mann Helmut (Jörg Schüttauf) findet Bernhards Witze nicht lustig. Er revanchiert sich, indem er recht ungeniert mit dessen Frau flirtet.
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Damit widmet sich der ausnahmslos vorzüglich gespielte Film einem weiteren beliebten Thema von Tragikomödien: Die Paarzeit von Karos Eltern beschränkt sich nach vierzig Jahren auf gemeinsame Scrabble-Abende, aber Gilla (Victoria Trauttmansdorff) hätte gern noch mehr vom Leben; diese Sehnsucht manifestiert sich, als sie mit Helmut einen ziemlich eindrucksvollen Rock’n’Roll tanzt. Natürlich spielt Becker gerade auf dieser Ebene auch mit Klischees. Gilla zum Beispiel ist eine jene übergriffigen Nervensägen, die sich immer einmischen und alles besser wissen. „Feste feiern“ erzählt ohnehin auch von der Kluft zwischen den Generationen, wie „Bodyshaming“-Bemerkungen und Gender-Kommentare verdeutlichen. Anfangs ist die Stimmung noch prächtig, aber dann nehmen die Dialoge eine zunehmend verletzende Boshaftigkeit an, die irgendwann kaum noch komisch ist. Das gilt im Grunde auch für die selbstredend sinnbildlichen Kommunikationsprobleme zwischen Knut und Karo: Er kommt einfach nicht dazu, mit ihr über den Inhalt des Briefs zu sprechen; erst nimmt die Klingelei zu Beginn des Abends kein Ende, und später platzt ständig jemand in die Küche, als sich die beiden zum Reden zurückgezogen haben.
Für weitere Heiterkeiten sorgen Franziskas verzogener Sohn Malte, den sie immer noch stillt, obwohl er mindestens vier ist, oder die kleinen Konkurrenzmomente zwischen ihrem Mann Hannes (Mohamed Achour) und Knuts sarkastischem Bruder Karsten (Richard Kreutz), beides Ärzte. Mit Hilfe der Gäste lockert Becker die angespannte Atmosphäre immer wieder durch Slapstick-Einlagen und kleine Gags auf, die sich mitunter erst bei genauem Hinschauen offenbaren: Der Whisky, den Helmut seinem Sohn zum Geburtstag schenkt, hat er von Knut und Karo zu Weihnachten bekommen. Der Film spielt fast ausschließlich in der Wohnung, aber dank der abwechslungsreichen Handlung und der agilen Kamera (Moritz Anton) wirkt „Feste feiern“ nie wie ein Kammerspiel.
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