Irgendwann müssen Eltern lernen, loszulassen. In der Regel endet ihr Einfluss auf den Nachwuchs, wenn sich die Kita-Tür geschlossen hat; es sei denn, die Tagesstätte ist ihr eigenes Projekt. Das war, radikal reduziert, der Inhalt der ursprünglich für TNT-Comedy entwickelten und mit der zweiten Staffel vom ZDF übernommenen Serie „Andere Eltern“ (2019/2021): Im Gewand einer öffentlich-rechtlichen Reportage-Reihe schaute die Realsatire einigen Müttern und Vätern aus Köln-Nippes dabei zu, wie sie sich bei der Gründung und Führung einer Kita nach allen Regeln der Kunst blamierten, weil sich ihr übersteigertes Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit allzu oft als aufgesetzt entpuppte. Nun hat Lutz Heineking jr. (Regie und Koautor) die Ereignisse filmisch zur Trilogie vollendet: Die Kinder kommen in die Schule. Spätestens jetzt beginnt für Eltern der Ernst des Lebens: Lehrkräfte lassen sich erfahrungsgemäß nur ungern in ihre Arbeit reinreden. Das Helikoptergeschwader hat jedoch erneut einen Weg gefunden, die Fäden in der Hand zu halten: Die Rektorin einer finanziell vor dem Abgrund stehenden freien Schule ist heilfroh über die unerwartete Unterstützung, muss allerdings in Kauf nehmen, dass die Väter und Mütter auch den Unterricht übernehmen.
Foto: ZDF / Frank Dicks
Formal orientiert sich die Komödie an den beiden Serienstaffeln: Zentrale Figur ist erneut Journalistin Ini (Johanna Gastdorf), die mit ihrem Filmteam dokumentieren will, wie sich das Projekt weiterentwickelt. Dessen Gründerin ist allerdings nicht mehr dabei. Der Beitrag von Serien-Hauptdarstellerin Lavinia Wilson beschränkt sich auf zwei Kurzauftritte: Inis Tochter Nina hat ein Buch über die Kita-Erfahrungen geschrieben und tingelt nun durch die Talkshows. In den Vordergrund rücken daher Anita (Nadja Becker) und Malte (Daniel Zillmann). Sie ist tatsächlich Lehrerin, allerdings mit äußerst autoritären Prinzipien, er ist Schauspieler und somit prädestiniert dafür, die Inszenierung des weihnachtlichen Krippenspiels zu übernehmen.
Der Clou der Serie und nun auch des Films ist der heilige Ernst, mit dem alle Mitwirkenden ihre Figuren versehen: Der komische Effekt entsteht durch die Konfrontation der übergroßen Egos mit den schulischen Rahmenbedingungen, die ihnen gewisse Grenzen setzen. Gerade Zillmann, sonst oft „over the top“ (wie Malte sagen würde), passt perfekt zu seiner Rolle als cholerischer Regisseur, der zwar akzeptieren kann, dass die Kinder nicht als Sascha Hehn auf die Welt gekommen sind, aber ein bisschen Lars Eidinger müsste doch drin sein. Wer nicht pariert, den degradiert er zum Schaf. Der Film ist wie auch die beiden Staffeln ohne vorgegebene Dialoge entstanden; allen Beteiligten gelingt das Kunststück, dass die Improvisation nie als solche zu erkennen ist.
Foto: ZDF / Frank Dicks
Davon abgesehen hat das Drehbuch (Chefautor ist diesmal Ben Braeunlich) einige neue Reizpunkte gesetzt; Anitas Mann Lars (Sebastian Schwarz) zum Beispiel, auch zuvor schon kein Sympathieträger, ist zwischenzeitlich in Richtung Rechtsaußen abgedriftet. Außerdem gibt es ein Wiedersehen mit Paula (Maike Jüttendonk): Die Erzieherin aus der Serie hat ein Grundschulstudium absolviert und trifft nun schockiert auf just jene Eltern, vor denen sie einst entnervt geflohen ist. Fels in der Brandung der Ereignisse ist die von Veronica Ferres angenehm unaufgeregt verkörperte Rektorin, die schließlich zur Verwunderung aller mitten im Elternabend wegen eines höchst ungewöhnlichen Delikts verhaftet wird. Johanna Gastdorfs Spiel ist ähnlich sachlich angelegt. Ein kurzer Blick in die Kamera, wenn die Lehrkräfte ihren Dilettantismus mal wieder auf die Spitze treiben, genügt als Kommentar völlig.
Eine der wenigen weiteren wirklichen Erwachsenen ist eine Abgesandte der Schulbehörde (Bettina Lamprecht). Sie soll einer Beschwerde nachgehen, wird aber erst ernst genommen, als sie die Schließung der Schule ankündigt. Ausgerechnet das Krippenspiel stellt die letzte Chance auf eine Rettung dar. Die Sprechrollen werden mittlerweile allerdings allesamt von den Eltern gespielt, womit das Stück sinnbildlich für den Film steht: Die Kinder, um die es doch angeblich geht, dienen nur als Statisterie; ein beredter Seitenhieb auf die Eltern, die in ihren Hubschraubern ohnehin nur um sich selbst kreisen. Witzig ist auch ein Slapstick-Disput im Kollegium, der eskaliert, als Anita von daraufhin zweckentfremdeten „Mohrenköpfen“ spricht. Insgesamt wirkt der Film jedoch weniger bissig als die beiden Serienstaffeln. Dynamik entsteht, wenn überhaupt, nur durch den Schnitt, als habe Heineking mit Blick aufs ZDF-Publikum den Fuß vom Gas genommen.
Foto: ZDF / Frank Dicks