„Sie haben Ihre Seele verkauft, Frau Fuchs, schon vergessen?“ An den Humor ihres neuen Verbindungsoffiziers, ähm, ihrer neuen Vorgesetzten Larissa Hollig (Kim Riedle) muss sich Anne Marie Fuchs (Lina Wendel) erst gewöhnen. Die ehemalige Geheimagentin beim Ministerium für Staatssicherheit, die sich die letzten Jahre als Privatdetektivin durchs Leben schlagen musste, hat die Seiten gewechselt. Vergessen die zwei Jahre Haft, die ihr die Arbeit für die Stasi im Vereinten Deutschland eingebracht hat. Jetzt dient sie dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als „freie Mitarbeiterin mit Feldexpertise“. Ihr erster Job läuft unter strengster Geheimhaltung. Selbst ihr Detektei-Kollege Youssef El Kilali (Karim Chérif) weiß anfangs nicht, was hier gespielt wird. Aus einem internen Daten-Leck beim BfV wird ein handfester Spionagefall, der immer weitere Kreise zieht. Es beginnt mit einem toten Beamten in der Badewanne. War er der Spion, der geheime Informationen an einen russischen Konsulatsmitarbeiter (Pavlo Kostytsyn) weitergegeben hat? War es ein als Suizid getarnter Mord? Elisabeth Kantscheck (Ann-Kathrin Kramer), die Frau des Toten, und ihre Tochter Rosi (Marlina Mitterhofer) können das nicht glauben. War er wirklich ein so integrer Mann? Aber was macht dann der Slip einer Studentin (Aiken-Stretje Andresen) bei seinen Unterlagen? Und was hat der Leiter der Spionageabwehr (Christian Erdmann) damit zu tun?
Foto: WDR / Martin Rottenkolber
Vor zehn Jahren startete „Die Füchsin“ sehr unkonventionell für eine ARD-Donnerstagskrimi-Reihe. Eine ehemalige Stasi-Agentin, die in Düsseldorf von Hartz IV lebt und Bekannten bei der Suche nach einem verschwundenen jungen Mann hilft, war ein Einstieg nach Maß. „Eine vielversprechende Titelfigur, die sich wohltuend von anderen Ermittlerinnen abhebt: Sie ist undurchsichtig, clever und jenseits weiblicher Rollenklischees angelegt“, schrieb damals Thomas Gehringer in seiner t.tv-Kritik. In der Folgezeit erfüllten die Episoden mal mehr, mal weniger die Anfangserwartungen. Im Jahr 2024 hatte die erfolgreiche Reihe einen Endpunkt erreicht: Ihre Stasi-Vergangenheit schien Anne Marie Fuchs endgültig hinter sich gelassen zu haben und auch der horizontale Erzählstrang, die jahrzehntelange Suche nach dem Sohn, war ebenfalls beendet. Ein Relaunch der Reihe war die logische Folge. Die Rückkehr ins Agentenfach ist ein cleverer Schachzug. Spionagefälle haben in der Realität Hochkonjunktur oder werden zumindest von der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen. Aber auch narrativ sorgt das Sujet für Abwechslung. Das geht über die „Wo-waren-Sie-gestern-Abend?“-Fragen hinaus, auch über das Ermitteln nach Vorschrift. „Hatten Sie einen Beschluss?“, fragt der BfV-Abteilungsleiter. „Nein, einen Nachschlüssel“. Wanzen und Mini-Sender waren schon in der Düsseldorfer Privatdetektei von Fuchs & Youssef an der Tagesordnung. Und so heißt es: Zurücklehnen und lauschen, was die Verdächtigen einem verraten. Und ein MEK steht zum Einsatz bereit.
In „Der Spion“, der ersten Episode mit dem neuen Konzept, wird das Spionage-Thema konsequent auf mehreren Ebenen ausgespielt. Bereits in der ersten Szene, ein Einbruch mit Datenklau, ist eine Überwachungskamera online. Auch später sind solch technische Gerätschaften im Einsatz oder zumindest sichtbar; gehören sie doch längst vielerorts zum Stadtbild. Und weil hier jeder jeden überwachen kann, ergeben sich auch daraus erzählerische Möglichkeiten. Auf einmal steht Larissa Hollig mit einem MEK vor der Tür; die Frage 70 Filmminuten zuvor, ob Fuchs‘ Handy abhörsicher ist, hatte also einen Grund. Selbst die „Guten“ beschatten in diesem Film Menschen, die ihnen nahestehen: Youssef seine abtrünnige Kollegin oder die Tochter des Toten die eigene Mutter. Im Spionage-Genre ist es mit der strikten Unterscheidung von Gut und Böse ohnehin so eine Sache. Und kann mit einer Frau, die so coole Witze macht wie die neue Vorgesetzte von Fuchs, alles stimmen? Man kann nur hoffen, ja, denn Kim Riedle als BfV-Vorgesetzte, die das Klischee der grauen Beamten-Maus mit dem attraktiveren Klischee des scharfen Fegers ironisch beiseite kehrt, ist der heimliche Star dieser Episode. „Sie werden hier doch wohl nicht herumspionieren?“, strahlt sie Youssef bei ihrem ersten Aufeinandertreffen an. „Sie sind wirklich süß … Fahren Sie vorsichtig. Wäre ’n Schande, wenn ich Sie nicht wiedersähe.“ Dazu ein Mienenspiel, bei dem man nie sicher sein kann, was sich dahinter verbirgt. Wendels Fuchs macht es cool, mit Pokerface oder höchstens mit einem aufgesetzten Sekunden-Lächeln („Sie können mich auch vor den Bus schubsen“), Riedles Hollig macht’s dauerfreundlich, dazu Chérifs naiver Youssef: Das wäre ein perfektes Dreigestirn!
Foto: WDR / Martin Rottenkolber
Apropos Dreigestirn. Das Bundesamt für Verfassungsschutz sitzt in Köln. Der Umzug von der einen in die andere Karnevalshochburg lag also nahe. Und anders als bei vielen anderen Produktionen, die den Ort der Geschichte aus mehreren realen Städten zusammenbasteln, sind die (hoffentlich auch weiterhin) zahlreichen Outdoor-Szenen tatsächlich in der Domstadt entstanden. Die Beglaubigung dafür verspricht man sich allerdings offenbar nur, wenn die allzu bekannten Köln-Panoramen, die man aus jedem „Tatort“ oder „Marie Brand“-Krimi her kennt, ins Bild gerückt werden. Regie führt bei den beiden neuen Episoden Christoph Schnee („Goldjungs“), ein Mann mit einem Faible fürs Komische. Um den trockenen Humor des Urgespanns hervorzulocken, eine gute Wahl: So kann man sich auch weiterhin vom Allerweltskrimi-Einerlei abheben; und diesmal konnte Schnee auch noch Riedles Knaller-Figur gewinnbringend einsetzen. Geschrieben hat die beiden neuen Episoden Mike Bäuml (rbb-„Polizeirufe“); er hat Ralf Kinder beerbt, der alle ersten neun Drehbücher verfasst hat. Das neue Szenario legt nahe, dass es auch künftig in „Die Füchsin“ um Misstrauen, Täuschung und Verrat, um Lügen und internationale Feindseligkeiten gehen wird. Das klingt interessant, verspricht aber – ob der höheren Interessen – nicht immer Gerechtigkeit.

