Die Füchsin – Treibjagd + Romeo muss sterben

Lina Wendel, Chérif, Kinder, Rensing. Eine Krimi-Reihe, die sich sehen lassen kann

Foto: WDR / Martin Rottenkolber
Foto Tilmann P. Gangloff

Während sich zum Beispiel die „Zürich-Krimis“ durch ein betont düsteres Blauschwarz auszeichnen, setzt Regisseur Marc Rensing in seinen beiden Beiträgen zur ARD-Reihe „Die Füchsin“ (WDR, Degeto / Odeon Fiction) ganz auf Grün: Die Farbe findet sich nicht nur auf Innenwänden und Fassaden, sondern auch in vielen Details. Die Bildgestaltung ist ohnehin von großer Sorgfalt und befindet sich damit auf ähnlich hohem Niveau wie die beiden clever konstruierten Drehbücher. In „Treibjagd“ entpuppen sich der Gefängnisausbruch von Florian, dem Sohn von Privatdetektivin Fuchs (Lina Wendel), sowie eine Entführung als zwei Seiten eines Verbrechens. „Romeo muss sterben“ konfrontiert die Titelheldin und ihren Partner (Karim Chérif) mit einem Pharmaskandal. In beiden Geschichten wird die Ermittlerin auch weiterhin von den Dämonen ihrer Vergangenheit als Stasi-Agentin heimgesucht. Der erste Film mündet in ein fesselndes Finale, und beim zweiten führt der Drehbuchautor und Reihenschöpfer Ralf Kinder nicht nur die Schurken, sondern auch das Publikum gekonnt an der Nase herum. Beide Filme sind treffend besetzt und durchweg gut gespielt.

Ein Schatz im Silbersee. „Treibjagd“
Es birgt immer ein gewisses Risiko, wenn ein Film plötzlich radikal den Tonfall ändert. „Treibjagd“, die sechste Episode der Krimireihe mit Lina Wendel als Privatdetektivin, beginnt höchst intensiv als Thriller: Eine Frau wird brutal durch ihre Wohnung gezerrt, ihr Sohn kommt heim und wird kaltblütig erschossen; soweit der Prolog. Dann wird’s lustig: Youssef El Kilali (Karim Chérif), Detekteipartner von Anne Marie Fuchs, zeigt ihr das neue „repräsentative“ Büro, das sich in einer heruntergekommenen Industriebrache befindet. Und weil sich die „Füchsin“ nach einer Mieterhöhung ihre Wohnung nicht mehr leisten kann, hat Youssef ihr auch gleich eine Unterkunft eingerichtet, die er als Loft im New Yorker Stil anpreist; tatsächlich handelt es sich um eine Fabrikhalle. Dieser abrupte Genrewechsel ist etwas irritierend, zumal sich die beiden auch noch einen witzigen verbalen Schlagabtausch liefern. In diesem Stil geht’s jedoch weiter: Die Krimiebene ist zum Teil knallhart, inklusive Folter, weiterer Leichen und einem spannend inszenierten Finale. Als Kontrast dienen die Dialoge zwischen Fuchs & Youssef sowie dessen Familienszenen: Ehefrau (Jasmin Schwiers) muss mit ihrem Café die Lokalität wechseln und ist im Renovierungsstress. Die Kombination der beiden heiter-herben Ebenen funktioniert zwar nicht ganz so überzeugend wie in „Nord bei Nordwest“ (ebenfalls eine Donnerstagskrimireihe), aber dort ist der Humor auch schwärzer.

Die Füchsin – Treibjagd + Romeo muss sterbenFoto: WDR / Martin Rottenkolber
Knallharte Krimi-Ebene. Ronald Kukulies, Dennis Schmidt, Christian Hockenbrink. Und das Ganze sieht auch noch gut aus.

Die Geschichte ist dafür umso besser, denn Ralf Kinder, der bislang alle Drehbücher für „Die Füchsin“ geschrieben hat, konfrontiert sein Düsseldorfer Ermittlerduo mit einem zunächst völlig undurchsichtigen Rätsel. Bei der Frau aus dem Prolog handelt es sich um die Gattin eines Polizeirats, der gerade erst in den Nachrichten war: Bachmann (Peter Trabner) hat kürzlich einen im Kollegenkreis sehr geschätzten Beamten suspendiert; der Hauptkommissar hatte zuvor bei einer Personenkontrolle einen angeblich bewaffneten arabischstämmigen Mann erschossen. In einer Pressekonferenz hat sich Bachmann kritisch über den Korpsgeist bei der Polizei geäußert; Kinder hat zum Teil fast im Wortlaut vorweggenommen, was NRW-Innenminister Herbert Reul im Herbst 2020 über rechtsextreme Chatgruppen von Polizisten gesagt hat (der Film ist im Sommer 2020 gedreht worden). Kein Wunder, dass Bachmanns Schwiegertochter (Picco von Groote) der Polizei misstraut und das Detektivbüro beauftragt; sie glaubt, dass der suspendierte Patzel (Christian Hockenbrink) hinter der Entführung steckt und von seinen Kollegen gedeckt wird. Der Kommissar entpuppt sich zwar in der Tat als äußerst unsympathisch, aber das Duo geht davon aus, dass er sich, wenn überhaupt, an Bachmann selbst rächen würde. Zur gleichen Zeit gelingt Florian (Florian Bartholomäi), dem wegen des Mordes an seinem Vater zu lebenslanger Haft verurteilten Sohn von Fuchs, die Flucht aus dem Gefängnis, und selbstredend hat das eine nur scheinbar nichts mit dem anderen zu tun, weil Kinder die beiden Stränge clever miteinander verknüpft. Und auch diesmal schleicht die Stasi-Vergangenheit der Heldin wie ein hässliches Gespenst durch die Handlung und sorgt mit einem schockierenden Erlebnis dafür, dass ein altes Trauma wieder aufbricht, was in einer späteren Szene zu einem effektvoll geschnittenen Gänsehautmoment führt.

Die künstlerische Laufbahn von Regisseur Marc Rensing war bislang ähnlich wechselhaft wie der Auftakt zu „Treibjagd“: Auf sein rasantes Erstlingswerk „Parkour“ (2010, Kino) folgten unter anderem zwei mittelmäßige „Wilsberg“-Episoden, ein kurzweiliger Beitrag zu „Friesland“ (beide ZDF) sowie die zu Herzen gehende weihnachtliche Tragikomödie „Der Wunschzettel“ (ein ARD-Freitagsfilm); zuletzt hat er mit „Gegenströmung“ einen zweiten sehenswerten „Friesland“-Krimi gedreht. Seine erste Regiearbeit für „Die Füchsin“ zeichnet sich neben einer bemerkenswerten Bildgestaltung (Sebastian Bäumler) nicht zuletzt durch das mit eindrucksvoller Konsequenz durchgezogene Farbkonzept aus: „Treibjagd“ ist ein Fest in Grün. Das gilt nicht nur für die Außenaufnahmen, die einen zarten Grünstich haben, sondern auch für Kleidung und Ausstattung. Wände, Fliesen, Möbel, selbst die Büro-Utensilien in der Detektei: alles grün, in unterschiedlichsten Tönen und Schattierungen; die Autos natürlich auch. Das passt zum Showdown im Wald, als sich alle Beteiligten gegenseitig am Silbersee bei Ratingen auflauern, weil dort tatsächlich ein Schatz versteckt ist; und natürlich bleiben dabei einige auf der Strecke. Rundum gelungen ist auch die glaubwürdige Besetzung der Nebenfiguren mit markanten Typen sowie Rensings Arbeit mit dem Ensemble, aus dem Elif Kardesseven hervorsticht. Sie spielt eine junge Frau, die sich unsterblich in Florian verliebt hat und spontan bereit ist, mit ihm auf den Balkan zu fliehen; es wird sich zeigen, ob es für die beiden eine gute oder schlechte Nachricht ist, dass die Reihe sie nicht aus den Augen verliert.

Die Füchsin – Treibjagd + Romeo muss sterbenFoto: WDR / Martin Rottenkolber
Anne (Lina Wendel) macht sich Sorgen um ihren Sohn Florian (Florian Bartholomäi), der verwundet ist und sich vor der Polizei verstecken muss.

Tod eines Engels. „Romeo muss sterben“
Der zweite Film ist vom selben Team und zur gleichen Zeit gedreht worden, weshalb er nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch an „Treibjagd“ anknüpft. Da Rensing und Bäumler auch ihrem ästhetischen Konzept treu bleiben, kann man sich einen Spaß draus machen, nach weiteren grünen Farbtupfern zu suchen: Fensterläden, ein Mülleimer, die grün lackierten Fingernägel von Youssefs Nichte Saida (Sara Fazilat). Bislang stand die technisch ungemein beschlagene junge Frau dem Duo stets zur Seite, wenn es darum ging, sich mehr oder weniger illegal Zugang zu Informationen zu verschaffen. Diesmal wird sie unversehens zur Auftraggeberin: Eben noch hat ihr Freund Hagen den beim Schusswechsel im Wald schwer verletzten Florian verarztet, nun liegt er erschlagen in Saidas Wohnung.

Ein Chatverlauf verrät das Motiv: Hagen hat mit Drogen gehandelt und ist von einem Kunden erschlagen worden; das ist zumindest die Überzeugung von Kommissar Eisner (Robert Dölle). Saida glaubt das natürlich nicht. Hagen hat für eine gemeinnützige Organisation gearbeitet, die Medikamente nach Afrika liefert, und war stets zur Stelle, wenn jemand Hilfe brauchte. Womöglich gab es dennoch eine Seite, von der Saida nichts ahnte, denn Fuchs und Youssef entdecken, dass er seit einigen Wochen eine zweite Freundin hatte. Jenny Ahrens (Sina Ebell) sagt, Hagen sei ein Engel gewesen, und beauftragt sie ebenfalls mit der Klärung des Mordes. Sie arbeitet in der Forschungsabteilung des Pharma-Unternehmens, das Hagens Verein mit einem Aids-Medikament beliefert, und dem Duo dämmert, dass diese Beziehung womöglich rein taktischer Natur war, wie auch der Titel andeutet: Er spielt auf die Stasi-Methode an, Agenten als Liebhaber auf alleinstehende Frauen in wichtigen Positionen anzusetzen. Als Fuchs und Youssef einem Geheimnis auf die Spur kommen, das durch Hagens Ermordung vertuscht werden sollte, geraten sie prompt selbst in Gefahr.

Die Füchsin – Treibjagd + Romeo muss sterbenFoto: WDR / Martin Rottenkolber
Interessant sind diesmal auch die Geschichten und die (durchgängigen) Charaktere aus der zweiten Reihe: Kommissar Eisner (Robert Dölle) und Saida (Sara Fazilat)

Erneut hat Kinder seine Geschichte so raffiniert konstruiert, dass lange offen bleibt, was der Kern der Story ist. Auch der Nebenstrang mit Florian ist schlüssig integriert. Eine besondere Rolle spielt dabei Kommissar Eisner. Er hatte den Fuchs-Sohn nach der Schießerei am Silbersee laufen lassen, was ihn seine Beförderung gekostet hat, und versorgt die Mutter nun mit dezenten Hinweisen. Die Figur hat sich vom Rollenbild der ersten Filme emanzipiert. Anfangs entsprach sie dem typischen Krimiklischee des etwas begriffsstutzigen Kommissars, der immer einen Schritt zu spät kommt. In „Romeo muss sterben“ gönnt ihm Kinder sogar eine allerdings sehr subtil umgesetzte Romanze mit Fuchs, zumal die Bildgestaltung den Mann einige Male sehr verloren erscheinen lässt; er selbst versichert, er sei allein, aber nicht einsam. Auch Dölle dürfte großen Anteil an der Entwicklung des Polizisten haben; das gilt besonders für die Art, wie er Eisners mitunter etwas speziellen Humor vermittelt.

Davon abgesehen ist die heitere Seite im zweiten Film wesentlich überschaubarer. Es gibt ein paar witzige Momente, weil sich Youssef mit kriminalistischen Sachbüchern versorgt hat und deren Ratschläge umgehend anwendet, was nicht immer im Sinne des Erfinders funktioniert. Mittlerweile fährt er auch nicht mehr aus der Haut, wenn jemand Vorurteile gegenüber seinen arabischen Wurzeln erkennen lässt, sondern reagiert ironisch; das steht ihm viel besser. Ansonsten haben die beiden Hauptfiguren diesmal jedoch nichts zu lachen, zumal Fuchs in kurzen Erinnerungsschüben weiterhin von den Dämonen ihrer Vergangenheit geplagt wird, was stellenweise ein bisschen gruselig ist, zumal sie sogar ein echtes Gespenst sieht. Nicht nur, aber auch wegen dieser kleinen Momente zeichnet sich die Bildgestaltung immer wieder durch optische Besonderheiten aus. Das Drehbuch bedient sich dagegen einiger bewährter Krimikonventionen: Kaum hat das Ermittlerduo einen konkreten Verdacht, wird die Person ermordet, vom obligaten Ablenkungsmanöver mit Hagens korruptem Kompagnon (Ronny Miersch) ganz zu schweigen. Ansonsten jedoch sorgt Kinder für diverse Überraschungen, und zum Finale führt er nicht nur die Schurken, sondern auch das Publikum an der Nase herum.

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Reihe

ARD Degeto, WDR

Mit Lina Wendel, Karim Chérif, Robert Dölle, Sara Fazilat, Florian Bartholomäi, Elif Kardesseven, Jasmin Schwiers

Episodenrollen: (1) Peter Trabner, Ronald Kukulies, Picco von Groote, Christian Hockenbrink; (2) Theresa Scholze, Karoline Bär, Sina Ebell, Ronny Miersch

Kamera: Sebastian Bäumler

Szenenbild: Ralf Mootz

Kostüm: Martina Korte

Schnitt: Sebastian Bonde

Musik: Dürbeck & Dohmen

Redaktion: Götz Schmedes (WDR), Katja Kirchen (Degeto)

Produktionsfirma: Odeon Fiction

Produktion: Andrea Jedele

Drehbuch: Ralf Kinder

Regie: Marc Rensing

Quote: (1): 5,16 Mio. Zuschauer (15,3% MA); (2): 4,86 Mio. (14,7% MA)

EA: 25.02.2021 20:15 Uhr | ARD

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