Ohne Kaffee geht in Krimis bekanntlich nichts. Heerscharen von Kommissaren standen schon fluchend vor störrischen Automaten, insofern muss man die kuriose Einführung der „Füchsin“ wohl als ironisches Zitat verstehen. Anne Marie Fuchs (Lina Wendel) lebt allein in einem tristen Hochhaus von Hartz IV und lässt in dem Café von Simone Papst (Jasmin Schwiers) anschreiben. Die eigene Kaffeemaschine zu Hause ist 20 Jahre alt und qualmt Besorgnis erregend. Als letzte Chance bleibt die Reparatur im Laden von Simones Mann Youssef (Karim Cherif), wo sich Fuchs nebenbei den ersten Auftrag als Privatdetektivin angelt. Das Honorar: eine neue, von Youssef überschwänglich gepriesene Kaffeemaschine.
Foto: WDR / Martin Rottenkolber
Simones Bruder Sebastian, der in einem besetzten Haus in Düsseldorf lebt, ist verschwunden. Außerdem ist die Leiche eines ermordeten Freunds von Sebastian am Rheinufer gefunden worden. Die überaus besorgte Simone nimmt daher das Angebot von Anne Marie Fuchs an, Sebastian zu suchen. „Ich hab‘ Erfahrung in Polizei-Arbeit“, sagt die „Füchsin“. Da ahnt man als Zuschauer dank erster Rückblenden schon, dass sie mal eine DDR-Agentin war. Nach und nach decken die Rückblenden in diesem ersten Film der neuen Reihe mehr über die Vergangenheit der Titelfigur auf. Regisseurin Samira Radsi („Deutschland 83“) blendet jedoch nicht einfach Erinnerungen ein, die fein säuberlich getrennt bleiben vom realen Geschehen: In den Flashbacks der „Füchsin“ verschwimmen vielmehr Vergangenheit und Gegenwart. Der gestalterische Kniff erweckt den Eindruck einer traumatisierten Persönlichkeit. Als sie noch vor der Wende aussteigen wollte, hatte das Regime der „Verräterin“ das Kind weggenommen.
Ihren alten Job – ein Mal Agentin, immer Agentin? – beherrscht die „Füchsin“ erstaunlicher Weise auch 30 Jahre später noch perfekt. Sie ist wandlungsfähig und clever, luchst der Polizei und dem Geschäftsführer einer Sicherheitsfirma dank ihres sicheren Auftretens in unterschiedlicher Maskerade Informationen ab. Nebenbei hält sie in einem Container im Niemandsland einen Stasi-Oberst a.D. gefangen, um eine Antwort auf ihre wichtigste Frage zur eigenen Vergangenheit zu erpressen: „Wer gab den Befehl?“ Anne Marie Fuchs ist eine widersprüchliche Frau, eine einsame Außenseiterin, ernst und schweigsam, und gleichzeitig eine raffinierte und immer handlungsfähige Agentin wie aus einem Genrefilm. Da bleiben noch viele Fragen offen: Zum Beispiel, was aus dem Kind geworden ist? Oder was die „Füchsin“ als Stasi-Agentin und in den Jahren seit der Wende getrieben hat? Um so besser, dass diese Rolle nicht mit einer Schauspielerin aus der ersten Reihe weiblicher Kino- und Fernseh-Stars besetzt wurde. Lina Wendel („Silvi“) dürfte für viele Zuschauer ein unbeschriebenes Blatt sein – was auch eine voreilige Einordnung der Figur erschwert. Ihr unaufgeregtes, nuancenreiches Spiel als strenge „Füchsin“, die weibliche Reize eher versteckt und nur ganz gezielt einsetzt, ist jedenfalls eine Klasse für sich.
Foto: WDR / Martin Rottenkolber
Als Sidekick ist der sympathisch-geschwätzige Youssef eine gelungene Ergänzung. Im Schlagabtausch zwischen Ex-Agentin und ihrem leicht reizbaren „Assistenten“, der überall Rassismus wittert („Bloß weil ich Araber bin, kann ich jetzt Autos knacken?“), erhält der Film eine komödiantische Note. Und die Titelfigur, die sich nicht gerade als Sympathieträgerin aufdrängt, gewinnt etwas Humor und Leichtigkeit. Das Spiel mit den Klischees bleibt dabei lockere Nebensache und drängt sich nicht in den Vordergrund. Witzig auch Youssefs Nichte (Sara Fazilat) im grässlichen Teenager-Outfit, die als oberschlauer Computer-Nerd bei den Ermittlungen als Hackerin aushilft. Heutzutage kann jeder jeden ausspähen!
Aber die Besten sind immer noch die Leute von der Stasi. Fuchs‘ Ex-Kollege Ruhleben (Torsten Michaelis) hat eine eigene Firma in einem schicken Düsseldorfer Glaspalast und rühmt sich, über mehr Möglichkeiten als die Polizei zu verfügen. Das Szenenbild in seinem Büro unterfüttert diese Behauptung nicht unbedingt, dafür birgt auch diese Figur einige Abgründe und Geheimnisse. Zu Beginn versucht Ruhleben, die „Füchsin“ als Mitarbeiterin zu gewinnen, doch die lehnt ab. Andererseits nimmt sie bei der Suche nach Sebastian Ruhlebens Hilfe in Anspruch. Eine alte Stasi-Seilschaft auf der Seite der Guten? So einfach wird es sich die Reihe wohl nicht machen, das ist dank der düsteren Rückblenden absehbar. Das Thema Überwachung zieht sich passenderweise wie ein roter Faden durch den Film. „Sicherheit – das wird uns allen noch mal zum Verhängnis“, lautet einer dieser ironischen Dialogsätze. „Unsere gesellschaftliche Utopie ist den Bach runter gegangen“, sagt die desillusionierte „Füchsin“, das Prinzip Überwachung dagegen ist zeitlos und System-übergreifend. Dass man heute viel weiter als damals die Stasi ist, spiegelt sich vielfach. Bereits die Flashbacks der „Füchsin“ sehen aus wie Videos von Überwachungskameras, und auch in der Krimi-Handlung spielen „Sicherheitstechnik“ und verdeckte Operationen eine große Rolle. Man darf gespannt sein, ob die Reihe diesen hintergründigen Umgang mit dem Thema fortführt.
Da möchte man es dem Film nachsehen, dass es in dem ziemlich konventionellen Fall dann doch an Logik und Spannung hapert. So taucht der Strippenzieher, der zu Beginn auftritt, als Figur völlig ab. Der Polizeikommissar (Robert Dölle) ist nur ein Klischee im Trenchcoat, einzig dazu da, der cleveren „Füchsin“ hinterher zu hecheln. Und das Düsseldorfer Rhein-Panorama wird in verschiedenen Variationen derart häufig bemüht, als habe der städtische Verkehrsverein seine Finger im Spiel gehabt. (Text-Stand: 16.11.2015)