Der Zürich-Krimi – Borchert und der Schlüssel zum Mord

Christian Kohlund, Klink, Schmid, Pfennigstorf, Jakoby, Roland Suso Richter. Aus und vorbei, für immer

01.12.2025 10:00 ARD-Mediathek Streaming-Premiere
04.12.2025 20:15 ARD TV-Premiere
05.12.2025 00:15 ARD
Foto: Degeto / Pascal Mora
Foto Tilmann P. Gangloff

In dem wie stets vortrefflich gefilmten „Zürich-Krimi“ (Degeto / Graf Filmproduktion, Mia Film) mit Christian Kohlund vertritt der Anwalt einen Bauunternehmer, der angeblich eine Stalkerin ermordet hat. Aufgrund eines emotionalen Ereignisses ist Borchert jedoch selbst neben der Spur. Die ganze Klasse von Regisseur Roland Suso Richter zeigt sich in einem perfekt platzierten Augenblick, der eine ganze Welt einstürzen lässt. Allerdings lässt ein ähnlicher Moment schon früh erahnen, wer hinter dem Komplott gegen den Unternehmer steckt.

Es ist nur ein winziger Moment, buchstäblich ein Augenblick, aber er genügt, um eine Welt zum Einsturz zu bringen und einen Menschen in den Tod zu treiben. Die enorme Wirkung dieser Zehntelsekunde, ein kurzes Zucken bloß, hat viel mit Ausstrahlung und Aura zu tun, ist aber nicht zuletzt eine Frage des richtigen Schnitts. Trotzdem braucht es jemanden vom Format und mit dem Charisma Christian Kohlunds, um dieses Verdikt zu verkörpern: Es ist aus und vorbei, für immer. Mit der eigentlichen Krimihandlung hat diese Szene im Grunde nichts zu tun, doch die Konsequenzen der Begegnung Thomas Borcherts mit seiner großen Liebe (Alexandra von Schwerin) aus „Borchert und die Sünden der Vergangenheit“ (2023) sind erheblich, auch für den Anwalt, denn der wird emotional kräftig aus der Bahn geworfen.

Hinzu kommt: Kanzleipartnerin Dominique Kuster (Ina Paule Klink) verweigert dem Kollegen ihre Unterstützung, weil sie intuitiv aversiv auf einen Mandanten reagiert. Der Jurist ist daher auf sich selbst gestellt, als Rick Spoery (Helgi Schmid) um Unterstützung bittet: Der Bauunternehmer ist Opfer einer Stalkerin. Am Tag zuvor hat er seiner Freundin Hannah (Sophie Pfennigstorf) einen Heiratsantrag gemacht. Sie hat hocherfreut ja gesagt und schwebt fortan im siebten Himmel, aber als sie am Abend wider Erwarten Zeit hat, weil ein beruflicher Termin verschoben worden ist, findet sie im Bett ihres Verlobten eine ziemlich unbekleidete Frau vor. Spoery kommt gar nicht erst dazu, den typischen Filmsatz „Es ist nicht so, wie du denkst“ auszusprechen. Auch für seine Beziehung zu Hannah gilt nun: aus und vorbei, für immer.

Der Zürich-Krimi – Borchert und der Schlüssel zum MordFoto: Degeto / Pascal Mora
Schock: Hannah (Sophie Pfennigstorf) findet Luisa (Barbara Prakopenka) nackt im Bett ihres Verlobten Rick (Helgi Schmid).

Für Dominique ist der Fall klar: Der Unternehmer hatte neben seiner großen Liebe ein Verhältnis und ist aufgeflogen, deshalb verspürt sie keinerlei Lust, den Mann zu vertreten. Tatsächlich hatte Spoery mal was mit seiner früheren Buchhalterin Luisa (Barbara Prakopenka), aber das ist zwei Jahre her und war lange vor Hannah. Die junge Frau wollte nicht wahrhaben, dass sie für Spoery bloß eine Affäre war und hat ihm so lange nachgestellt, bis die Polizei eine sogenannte Gefährderansprache durchgeführt hat; seither war Ruhe. Warum sie plötzlich wieder aufgetaucht ist, bleibt zunächst offen, aber jetzt wird sie ihren früheren Chef nie wieder belästigen: Sie liegt tot im leeren Aufzugsschacht auf Spoerys Baustelle. Die Obduktion schließt einen Suizid aus. Hauptmann Furrer (Pierre Kiwitt) zweifelt keine Sekunde daran, dass der Unternehmer seine ehemalige Mitarbeiterin umgebracht hat, zumal seine Verlobte aussagt, er habe ihr versichert, der Sache „ein für alle Mal ein Ende setzen“ zu wollen. Als sich aufgrund eines anonymen Hinweises herausstellt, dass Spoery mit Luisas Hilfe das Finanzamt hintergangen hat, kommt ein weiteres Motiv hinzu: Womöglich wollte er sich mit ihrer Ermordung auch der einzigen Zeugin seines Betrugs entledigen. Zu allem Überfluss hat er auch noch Schulden bei Typen, denen man besser nichts schuldig bleibt.

Drehbuchautor Wolf Jakoby hat mittlerweile mehr als die Hälfte der „Zürich-Krimis“ geschrieben; „Borchert und der Schlüssel zum Mord“ ist der 22. Fall, wenn man den Zweiteiler „Borchert und die Stadt in Angst“ (2024) als einen Film zählt. Regie führte Roland Suso Richter, er hat nahezu alle Jakoby-Vorlagen verfilmt. Für die Bildgestaltung war fast jedes Mal Max Knauer verantwortlich. Der Kameramann setzt ohnehin seit vielen Jahren Richters Visionen um. Diesmal ist er den Mitwirkenden in ausgewählten Dialogszenen mit seinem Arbeitsgerät derart auf die Pelle gerückt, dass deren Nasen bei 3D-Fernsehen mitten ins Wohnzimmer ragen würden. Die Nahaufnahmen sind so nah, dass bei Einstellungen, die das Profil zeigen, selbst der äußere Teil des Gesichts unscharf bleibt, vom Hintergrund ganz zu schweigen. Das wirkt einerseits aufdringlich, sorgt aber andererseits dafür, dass die Gespräche etwa mit der Mutter des Opfers oder mit Luisas Therapeut, der die Ursachen des Staling-Phänomens erläutert, eine besondere Bedeutung bekommen.

Der Zürich-Krimi – Borchert und der Schlüssel zum MordFoto: Degeto / Pascal Mora
Aufgrund eines emotionalen Ereignisses neben der Spur. Trotzdem sucht Borchert (Christian Kohlund) den Schlüssel zum Mord.

Richter und Knauer haben der Reihe zudem einen unverwechselbaren kühlen Look gegeben, der auch diesen Film prägt. Die einzigen Momente, in denen Knauer im Zusammenspiel mit dem Szenenbild für eine warme, behagliche Atmosphäre gesorgt hat, spielen in der angesagten Werbeagentur, für die Hannah arbeitet; aber selbst dieser Schein ist trügerisch. Leider lässt ein weiterer Augenblick, auch diesmal im doppelten Wortsinn, in Kombination mit einer entsprechenden Besetzung viel zu früh erahnen, was auch Borchert schließlich schwant: Spoery ist das Opfer eines heimtückischen Komplotts.

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ARD Degeto

Mit Christian Kohlund, Ina Paule Klink, Helgi Schmid, Sophie Pfennigstorf, Pierre Kiwitt, Max Urlacher, Alexandra von Schwerin, Robert Hunger-Bühler, Barbara Prakopenka, Susi Banzhaf, Yves Wüthrich, Nele Rosetz, Mathias Max Herrmann

Kamera: Max Knauer

Szenenbild: Detlef Déto Provvedi

Kostüm: Mirjam Muschel

Schnitt: Achim Seidel

Musik: Michael Klaukien

Redaktion: Diane Wurzschmitt, Katja Kirchen

Produktionsfirma: Graf Filmproduktion, Mia Film

Produktion: Klaus Graf, Livia Graf-Bechler, Annemarie Pilgram, Michal Pokorný

Drehbuch: Wolf Jakoby

Regie: Roland Suso Richter

EA: 01.12.2025 10:00 Uhr | ARD-Mediathek

weitere EA: 04.12.2025 20:15 Uhr | ARD

tittelbach.tv ist mir was wert

Sie lesen die Seite regelmäßig?

Damit t.tv so bleibt, wie Sie die preisgekrönte Fernsehkritik-Website kennen, also weiterhin unabhängig & frei zugänglich, wäre eine (regelmäßige) Unterstützung hilfreich, gern auch von denen, die die Seite beruflich nutzen und denen sie persönlich zugutekommt, den Kreativen, den Redakteuren, den Journalisten …