Mona ist 14 Jahre alt. Das Nesthäkchen der Lessings hat noch nie Probleme gemacht. Doch jetzt ist Mona im vierten Monat schwanger. Auf dem Schulhof macht die Nachricht schnell die Runde. Ausgerechnet die kleine Lessing, deren Vater, von Beruf Gynäkologe, an der Privatschule seiner Kinder Sexualkunde unterrichtet. Die Eltern machen sich Vorwürfe, immer öfter auch gegenseitig. Mit der Ehe der Lessings steht es schon länger nicht zum Besten. Die Mutter geht in der ihr jahrelang zugedachten Rolle als Hausfrau nicht mehr auf und dem Vater fehlt es am nötigen Fingerspitzengefühl. Der ist jetzt doppelt der Dumme – für seine Schüler ist er nur noch eine Witzfigur. Während die Anderen vornehmlich die eigenen Wunden lecken, fühlt sich Mona zunehmend allein gelassen von ihrer eigenen Familie. Sie zieht aus, sucht Unterschlupf bei dem Kindsvater. Zwischen beiden ist zwar keine Liebe, aber ein bisschen wächst ein Gefühl von Verantwortung heran. So langsam begreift Mona, was es heißt, ein Kind zu bekommen. Sie stellt sich der Aufgabe und hofft insgeheim, dass auch ihre Eltern ihre Hausaufgaben machen. Denn sie weiß: nur zusammen können sie das Kind schaukeln.
Der ARD-Fernsehfilm „Mona kriegt ein Baby“ beginnt mit einer überaus sinnlich-symbolhaften Szene. Die 14-Jährige beim Turmspringen, ein graziler Abgang, ein eindringliches Unterwasserbild: Mona geht in Embryonalhaltung und lässt sich sanft im sprudelnden Wasser treiben. Das ist ein Wunschbild, aber es nimmt auch die Handlung vorweg: Die werdende Mutter ist selbst noch ein Kind, das sich nach (mütterlichem) Schutz sehnt. Auch die kurze Überblendung auf eine idyllische Kleinstadt gibt einen Ausblick: in diesem Umfeld wird es eine minderjährige Mutter nicht leicht haben. Da müssen die unmittelbar Betroffenen, die Liebsten der Schwangeren, zusammenhalten. Entsprechend stoßen Autorin Sarah Schnier und Regisseur Ben Verbong im nächsten Bild die Tür zum Haus der Lessings auf: der Schoß der Familie wird zum Zentrum der Geschichte. Gelingt es dem überforderten Vater zu Beginn noch nicht, eine Familienkonferenz einzuberufen, weil alle im ersten Moment nur an sich denken, hat sich nach einigen Wochen die Lage entspannt. Eines Nachts finden sich Eltern und Kinder in der häuslichen Küche ein. Einer nach dem anderen schlurft zur spontanen Familienkonferenz mit Keksen und Tee. Ein sehr emotionales, aber völlig kitschfreies Bild für den Zusammenhalt einer modernen Familie, in der dem ganz natürlichen Egoismus zum Trotz jeder weiß, wo er steht, wenn es wirklich drauf ankommt.
Ein Sozialdrama ist „Mona kriegt ein Baby“ nur am Rande. Die Schule macht den Lessings zwar gelegentlich Druck, aber weder der Vater noch die Tochter nehmen die „guten Ratschläge“ der Direktorin an. Auch auf Kommentare von Nachbarn und Kleinbürgern verzichtet der Film. Das ist gut so. Auf diese Weise rückt neben der Familie, die, um die es geht, die minderjährige Mona, in den Mittelpunkt. Wie das wohlbehütete, schüchterne Mädchen langsam in ihre Rolle als werdende Mutter hineinfindet, bringt einem der Film auf ungewöhnliche Weise näher. Da läuft nichts mehr nach (Familien-)Plan, nichts mehr nach Schema F. Auch die Eltern haben für diese Situation keine Gebrauchsanweisung. Die Lösungen sind entsprechend offen. Die Wochen bei dem Kindsvater sind eine erfahrungsreiche Zeit – auch für den Rest der Familie. „Mona kriegt ein Kind“ beschreibt einen möglichen Weg aus der Krise. Auch der Ehekrise. Das am Ende die Harmonie siegt – das sind die Macher der tapferen, überaus zähen und mit wachsendem Bauch immer selbstbewusster werdenden Hauptfigur schuldig, aber auch dem „Realismus“ einer mit leiser Ironie erzählten Alltagsgeschichte, die deutlich kein (bedeutungs)schweres Drama sein will und die die Türen zu den verschiedensten Tonlagen öffnet: da sind viel Verunsicherung und Sprachlosigkeit, da sind Ernsthaftigkeit und Problembewusstsein im Spiel, bei den Eltern auch mal Sarkasmus und bei Mona kindlicher Übermut, beispielsweise wenn sie und ihre Freundinnen den Laden mit Babykleidung in Beschlag nehmen oder einen Apotheker mit Monas Bauch in Verlegenheit bringen. Diese Szenen deuten auch den Entwicklungsweg der Heldin an: die Schwangerschaft stärkt Monas Ego. „Ich denke, dass ich jetzt mal dran bin, dass ich entscheide, wer ich bin, nicht ihr“, so ihre Worte nach dem Auszug bei den Eltern.
„Mona kriegt ein Baby“ ist nach „Nur für Feiglinge“ der bislang zweite herausragende ARD-Freitagsfilm im Jahre 2014 – problembewusst und zugleich mit leichter Hand geschrieben und inszeniert, ein vorbildlicher filmischer Balanceakt zwischen Ernst und Komik. Die Kamera geht nah an die Schauspieler – und bei denen gibt es einiges zu sehen: Dominic Raackes Figur, ein Sexualaufklärer in der Theorie, der in der Praxis lächerlich scheitert, bewegt sich auffallend im komischen Bereich, und Barbara Auer agiert als Ehefrau bestimmt und als Mutter zunehmend sanftmütig und verständnisvoll. Das ist von beiden großartig gespielt. Für eine geradezu mimisch-gestische Sensation sorgt dagegen die jugendliche Hauptdarstellerin: Stephanie Amarell (wie Kindsvater-Darsteller Enno Trebs in Michael Hanekes „Das weiße Band“ zu sehen) gibt ihrer Figur und damit auch dem Film eine ganz eigene Note. Sie versucht nicht zu spielen; leise, unauffällig, klein mit ganz feinen Regungen gibt sie ihre Mona, anfangs ein Mädchen, das sich am liebsten verkriechen würde. Zurück in den Mutterleib. Ein bisschen weltfremd, introvertiert, sich eine eigene Welt erschaffend – eine Figur mit einer eigenen Poesie. Irgendwann öffnet sich ihr Gesicht. Sie kommuniziert ganz sachte mit der Welt, mit dem Kindsvater, doch viele Worte macht sie noch immer nicht. „Du musst nicht für uns sorgen“, beruhigt sie den Jungen, der nur ein einziges Mal mit ihr geschlafen hat. Und die Mutter bekommt ein Lächeln von ihr: „Ich schaff das schon“, sagt Mona und geht still ihren Weg – demonstrativ bauchfrei. (Text-Stand: 6.3.2014)