Gefühle im Sturm

Muriel Baumeister und die Gewissheit, dass das Happy End kein Happy End ist

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Foto Rainer Tittelbach

Der Titel täuscht. „Gefühle im Sturm“ ist ein gut gespieltes und vor allem geschmackssicher und von Jungregisseurin Anna Justice überraschend unkonventionell inszeniertes Melodram. Und im Kopf des Zuschauers könnte sogar noch ein zweiter Film ablaufen, “Gefühle im Sturm II”, und der könnte von einem dornenvoll-dramatischen Rosenkrieg handeln.

“Gefühle im Sturm” ist weit weniger schlimm, als der Filmtitel erwarten lässt. Gezeigt wird dem Zuschauer eine Frau, die große Erwartungen an die Liebe hat. Das Glück sieht anders aus. “Es ist alles so verfahren”, jammert die junge Gräfin und weint in die handgestickten Kissen. An ihr Anwesen hat sie sich gewöhnt, an den zunehmend lieblosen Ehemann nicht. Die Heldin will mehr vom Leben, mehr als nur die Frau von André von Nauenstedt zu sein.

Sorgenfrei leben und repräsentieren allein genügen jener Stefanie von Nauenstedt nicht. Sie ist unausgefüllt. Als sie ihre einstmals große Liebe, den Bruder ihres Mannes, nach zehn Jahren wiedersieht, glaubt sie, dass ihr in ihrer Ehe jene Leidenschaft fehlt, die das kurze Glück mit David von Nauenstedt (Francis Fulton-Smith) auszeichnete. Auch heute fühlt sich die junge Frau jenem Abenteurer-Typ näher als ihrem kontrollsüchtigen Ehemann (Pierre Besson). Nachdem er sie im sicheren Gefühl, nur die zweite Wahl zu sein, verlässt, erkennt Stefanie, dass da wohl doch noch so etwas wie Liebe ist. Oder ist es nur der Mangel an Alternativen?

Ein Grund, weshalb diese Ehe-Schmonzette mehr Charme ausstrahlt als vergleichbare Fernsehfilme, liegt bei der Regie von Anna Justice, die sich selbst auf dem auf Hochglanz polierten TV-Parkett sehr sicher bewegt. Immer wieder schneidet sie geschickt in die Szenen hinein, oder sie experimentiert mit Zeitlupenbildern. So entsteht Dynamik und so erdrücken die großspurigen Schauplätze und die üppige Ausstattung die an sich kleine Geschichte nicht.

Wenn die Nauenstedts am Ende wieder zusammen kommen, dann spürt der Zuschauer durch die vorangegangenen 90 Minuten, dass das Ende dieser Beziehung vorherprogrammiert ist, so wie laut Statistik etwa jede zweite Ehe. Damit bekommt der gefühlsintensive Film – vielleicht unbeabsichtigt – den Dreh ins Realistische. Wie bei den Screwball-Comedies, in denen das Paar spielend und ein wenig verrückt zum doppelbödigen Happy End schlittert, ist mit diesem romantisch aufgesetzten Schlussakkord das glückliche Ende keineswegs besiegelte Sache. Im Kopf des Zuschauers könnte ein zweiter Film ablaufen, “Gefühle im Sturm II”, und der könnte von einem dornenvoll-dramatischem Rosenkrieg handeln. (Text-Stand: 7.6.2002)

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Muriel Baumeister, Pierre Besson, Francis Fulton-Smith, Walter Kreye

Kamera: Andreas Doub

Schnitt: Florentine Bruck

Musik: Thomas Osterhoff

Produktionsfirma: Aspekt Telefilm

Drehbuch: Gerlinde Wolf

Regie: Anna Justice

EA: 07.06.2002 20:15 Uhr | ARD

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