25 Jahre „Wilsberg“: Das ist ein imposantes Jubiläum, wenn auch nicht für Leonard Lansink, denn der Schauspieler hat die Hauptrolle erst 1998 übernommen; im ersten Film (1995) ist der Privatdetektiv aus Münster von Joachim Król verkörpert worden. Es ist ohnehin inkonsequent vom ZDF, den Jahrestag jetzt zu begehen: Beim zweiten Dauerbrenner unter den Samstagskrimireihen, „Ein Starkes Team“, ist das Jubiläum kürzlich 25 Jahre nach Ausstrahlung des zweiten Films gefeiert worden, weil die Entscheidung, aus dem Pilotfilm eine Reihe zu machen, erst 1995 gefallen sei. All’ das aber ist angesichts der offenkundigen Schwächen von „Wellenbrecher“ ohnehin zweitrangig. Die vor wenigen Wochen gezeigte 66. „Wilsberg“-Episode „Bielefeld 23“ war im Vergleich von ganz anderem Kaliber und nicht nur wegen des Wiedersehens mit Heinrich Schafmeister ein Fest für die Freunde der Reihe; „Bielefeld 23“ wäre ein weitaus würdigerer Jubiläumsfilm gewesen.
Daran kann auch die Neuauflage der ganz speziellen Konstellation aus „Morderney“ (2018) nichts ändern. Damals hat Autor Stefan Rogall den Detektiv und Kommissarin Springer (Rita Russek) nach Norderney in den Urlaub geschickt. Der besondere Reiz des Films lag in den Gastauftritten des „Friesland“-Ensembles; die Reihe wird ebenfalls von ZDF-Redakteur Martin R. Neumann betreut. Das war ziemlich witzig, weil Rogall viel Kapital aus den jeweiligen Eigenarten der Figuren schlagen konnte, zumal sich durch die gegenseitigen Anti- und Sympathien ganz neue Möglichkeiten ergaben. Die „Crossover“-Idee war so verblüffend, dass die Krimiebene fast zur Nebensache wurde. Leider gilt das für „Wellenbrecher“ ebenfalls; Rogalls Drehbuch wirkt wie ein zweiter Aufguss. Auch diesmal spielt die Geschichte auf Norderney, erneut hält sich die Originalität in Grenzen: Weil ein vermögender Verstorbener kurzfristig sein Testament geändert und seine Sekretärin zur Haupterbin gemacht hat, sind die beiden erwachsenen Kinder überzeugt, die Frau habe den letzten Willen gefälscht, weshalb nun das aus vielen ähnlichen Krimigeschichten bekannte Hauen und Stechen einsetzt.
Foto: ZDF / Thomas Kost
Schon die Teilnahme des Privatdetektivs wirkt konstruiert: Die mit dem Pflichtanteil abgespeisten Geschwister Folkerts (Sinja Dieks, Patrick Güldenberg) haben ausgerechnet eine Strafrechtexpertin (Patricia Meeden) aus Bielefeld beauftragt, die wiederum Wilsberg als Spezialist für Erbrecht mitbringt. Dass auch Kommissar Brockhorst (Felix Vörtler) auf der Insel auftaucht, ist hingegen plausibel: Er hält Tanja Steinthal, die Sekretärin (Stephanie Eidt), für eine Erbschleicherin, konnte ihr bislang aber nichts nachweisen. Weil er Wilsberg mit der attraktiven Anwältin sieht, hält er die beiden für ein Liebespaar und informiert die Kommissarin. Prompt eilt die eifersüchtige Springer herbei, um die ohnehin nicht existente Beziehung zu ihrem ewigen Mitstreiter zu beenden; dabei hatte sie eigentlich eine Senioren-WG mit ihm gründen wollen. Wilsberg wiederum erliegt tatsächlich weiblichen Reizen, allerdings jenen der Sekretärin; zumindest liegen die beiden leichtbekleidet unter einer Decke, nachdem die Dame den Detektiv als Bodyguard engagiert hat. Sie glaubt, die Geschwister hätten den eigenen Vater auf dem Gewissen und trachteten nun auch ihr nach dem Leben. Brockhorst und Springer landen ebenfalls gemeinsam im Bett, bleiben aber angezogen.
Vermutlich hätte aus dem Geschichtchen trotzdem ein ganz passabler Film werden können, dessen Schwerpunkt wie bei „Morderney“ in erster Linie die komödiantische Ebene gewesen wäre, aber nicht mal das hat geklappt: Viel zu viele potenziell witzige Wortwechsel sind allzu deutlich auf den Gag hin geschrieben und inszeniert; die Nebendarsteller haben zudem teilweise hörbare Schwierigkeiten, ihre Dialoge nicht aufgesagt klingen zu lassen. Die Umsetzung erfolgt ohne jeden Pfiff und ist filmsprachlich eher schlicht. Das ist auch deshalb schade, weil Regisseur Sven Nagel für seine erste szenische Regiearbeit, die Dokusoap-Parodie „Diese Kaminskis – Wir legen Sie tiefer!“ über drei schräge Bestatterbrüder, 2014 fast einen Grimme-Preis in der Kategorie Unterhaltung bekommen hätte. Seine „Friesland“- Episode „Asche zu Asche“ (auch nach einem Rogall-Drehbuch) war ebenfalls eine gerade mal durchschnittliche Krimikomödie, weil die Figuren nicht aus ihren Schablonen durften.
Das gilt in „Wellenbrecher“ angesichts des umfangreichen Ensembles erst recht, denn auf der Insel finden sich unter weiteren Vorwänden nicht nur Hobby-Kriminalistin Insa Scherzinger (Theresa Underberg) und Springers Mitarbeiter Overbeck (Roland Jankowsky), sondern auch dessen Widersacher Drechshage (Stefan Haschke) ein. Der „Wachtelmeister“ aus Münster und der „Kriminalkasper“ aus Bielefeld haben sich in den Episoden „Ins Gesicht geschrieben“ und „Bielefeld 23“ (beide 2019) famose Dialogduelle geliefert; davon ist hier nur ein müder Abklatsch geblieben. Einige Schauspieler, die schon bewiesen haben, dass sie auch ganz anders können, agieren zudem mitunter auf dem Niveau einer Nachmittagsserie. Aus dem Rahmen fällt der Film im Grunde nur wegen der diversen Paarungen, die allesamt wie Altmännerträume anmuten: Gleich mehrfach dürfen sich ältere Herren erfolgreich an deutlich jüngere, deutlich ansehnlichere und nicht zuletzt deutlich schlankere Frauen ’ranmachen.