Wilsberg – Einer von uns

Lansink, Korittke, Jankowsky, Meeden, Bach, Rogall, Enlen. Tödliche Scharade

Foto: ZDF / Thomas Kost
Foto Tilmann P. Gangloff

Die Einheit von Zeit und Raum war eine Spezialität von Agatha Christie. An diesem Muster orientiert sich auch die 73. „Wilsberg“-Episode „Einer von uns“ (ZDF / Warner): Während eines Wochenendseminars in einem alten Schloss verschwindet ein Teilnehmer. Verschiedene Hinweise lassen einen Mord vermuten; die Tat kann nur von einer der anwesenden Personen begangen worden sein. Die Bildgestaltung lässt von Anfang an keinen Zweifel daran, dass hier irgendwas nicht stimmt; clever eingesetzte Horrorfilmelemente sorgen gemeinsam mit der Musik für die nötige Spannung. Regisseur Martin Enlen macht sich auch die Gegebenheiten des Handlungsortes mit seinen verwinkelten Gängen weidlich zunutze. Sehenswert ist der auf Burg Bergerhausen in Kerpen gedrehte Film nicht zuletzt wegen Patricia Meeden als neues Ensemblemitglied; aber auch Anwältin Tessa gehört zum Kreis der Verdächtigen.

Das Szenario könnte auch aus einem Roman von Agatha Christie stammen: eine Handvoll Menschen, ein abgelegenes Wasserschloss, eine düstere Botschaft, ein mutmaßlicher Mord und gegenseitige Verdächtigungen; die Tat muss von einer der anwesenden Personen begangen worden sein. Geschickt nutzt Drehbuchautor Stefan Rogall den Rahmen der Handlung, um dennoch eine typische „Wilsberg“-Geschichte zu erzählen: Ein elitärer Netzwerkclub hat zum Wochenendseminar geladen. Kommissar Overbeck (Roland Jankowsky) will gerade einen Vortrag über das Gewaltmonopol des Staates halten, als auf dem Monitor hinter ihm eine Nachricht erscheint: „Ich weiß, was Sie getan haben. Und bald wird jeder Ihre dunklen Geheimnisse kennen.“ In der folgenden Nacht hört Anwältin Tessa Tilker (Patricia Meeden) einen Schrei. Sie entdeckt eine blutige Schleifspur, aber bis die anderen kommen, ist das Blut verschwunden. Am nächsten Morgen fehlt einer der Teilnehmer. Die Juristin bittet Wilsberg (Leonard Lansink) um Hilfe. Der Privatdetektiv und sein Freund Ekki (Oliver Korittke) entdecken Hinweise, die nur einen Schluss zulassen: Enthüllungsjournalist Nielsen (Martin Butzke) ist ermordet worden. Alle Anwesenden hätten ein Motiv, wie sich dank Nielsens Rechercheergebnissen rausstellt: der Unternehmensberater (Christoph Bach) ebenso wie der PR-Spezialist (Lasse Myhr) und die ehrgeizige junge Assistentin aus der Staatskanzlei (Julia E. Lenska). Die Leiche bleibt allerdings unauffindbar, und als sich der Journalist scheinbar aus dem Jenseits meldet, fragt sich Overbeck endgültig, ob sie nicht alle einer makabren Scharade aufsitzen. Doch dann entdeckt Wilsberg im Zimmer der Juristin unwiderlegbare Beweise, die nur einen Schluss zulassen: Sie hat den Mann ermordet.

Wilsberg – Einer von unsFoto: ZDF / Thomas Kost
Jemand hat einer Seminarteilnehmerin (Julia E. Lenska) ein blutiges Messer in ihr Kopfkissen gerammt. Von einer Leiche fehlt jedoch jede Spur. Roland Jankowsky

Natürlich machen sich Regisseur Martin Enlen und sein bevorzugter Kameramann Philipp Timme die Gegebenheiten des Handlungsortes weidlich zunutze. Wie es sich für ein ehrwürdiges Gemäuer dieser Art gehört, gibt es eine Vielzahl verwinkelter dunkler Gänge und sogar eine Geheimtreppe. Die Kamera streift zwar auch mal durch den großzügigen Park, aber ansonsten trägt sich die Handlung größtenteils drinnen zu. Die in der Längsachse gekippte Kamera und die Weitwinkelaufnahmen lassen keinen Zweifel daran, dass hier irgendwas nicht stimmt; die gute Musik (Matthias Weber) liefert die passende Thriller-Atmosphäre. Die gern als Filmkulisse genutzte Burg Bergerhausen in Kerpen (in der Nähe von Köln) ist der perfekte Schauplatz für diesen Krimi, der trotz eines zweiten Mordes eher dem Christie-Prinzip „Mord im Orientexpress“ als „Und dann gabs keines mehr“ (früher als „Zehn kleine Negerlein“ bekannt) folgt. Gerade die Einheit von Zeit und Raum macht den Reiz der Geschichte aus. Enlen, der in den letzten Jahren einige vorzügliche „Wilsberg“-Filme gedreht hat, darunter auch die zumindest vom Handlungsrahmen her ähnlich konzipierte Episode „Gottes Werk und Satans Kohle“ (2019), sorgt mit Hilfe moderat eingesetzter Horrorfilmelemente für effektvolle Spannungshöhepunkte. Nicht zu Unrecht weist der besorgte Overbeck gleich zweimal darauf hin, dass niemand allein sein sollte, wenn ein verrückter Killer sein Unwesen in einer alten Burg treibt; aber natürlich stromert ständig jemand auf eigene Faust durchs Gemäuer.

Rogall war in der Vergangenheit ähnlich oft an „Wilsberg“ beteiligt wie Enlen; trotzdem ist „Einer von uns“ ihre erste Zusammenarbeit. Der Autor hat, Weitsicht oder Zufall, bereits sechs Folgen zuvor beim ansonsten eher schwachen zweiten Norderney-Gastspiel der Reihe („Wellenbrecher“, 2019) eine Figur eingeführt, die nun als Nachfolgerin von Alex (Ina Paule Klink) zum festen Ensemble gehört. In Wilsbergs Beschreibung klingt das so: „klug, schlagfertig, hat Humor, sieht ganz gut aus.“ Zumindest der letzte Punkt ist eine maßlose Untertreibung, doch nicht nur deshalb ist Patricia Meeden als Anwältin eine echte Verstärkung für die Reihe: Ekki und Alex waren befreundet, aber zwischen Ekki und Tessa knistert es gleich, zumal sie ihn mit Komplimenten überschüttet. Der Rest ist „Wilsberg“-Routine, aber auf hohem Niveau. Overbeck darf sich zwar wieder mal mit seiner „Ich lös’ den Fall auf jeden Fall“-Attitüde blamieren, hat aber wie stets einige wunderbare Einzeiler (unter anderem bezeichnet er Wilsberg und Ekki als „die zwei Fragezeichen“) und bricht zudem eine Lanze für den Journalismus, selbst wenn in Nielsens Kleiderschrank eine Zeitungsente hockt; eine witzige Variation des neben der Erwähnung von Bielefeld zweiten „running gags“ der Reihe.

Wilsberg – Einer von unsFoto: ZDF / Thomas Kost
Der Vortrag von Overbeck (Roland Jankowsky) auf dem Schloss hat nicht gerade viel Publikum angezogen: Christoph Bach, Lasse Myhr, Martin Butzke & Julia E. Lenska

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Reihe

ZDF

Mit Leonard Lansink, Oliver Korittke, Roland Jankowsky, Patricia Meeden, Rita Russek, Christoph Bach, Lasse Myhr, Julia E. Lenska, Martin Butzke

Kamera: Philipp Timme

Szenenbild: Oliver Mugalu

Kostüm: Sonia Bouabsa

Schnitt: Monika Abspacher

Musik: Matthias Weber

Soundtrack: Stretch („Why Did You Do It?”, Vorspannlied), Frank Sinatra („Call Me Irresponsible”)

Redaktion: Martin R. Neumann

Produktionsfirma: Warner Bros. ITVP Deutschland

Produktion: Anton Moho

Drehbuch: Stefan Rogall

Regie: Martin Enlen

Quote: 7,39 Mio. Zuschauer (24,7% MA)

EA: 11.12.2021 20:15 Uhr | ZDF

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