Wendland – Stiller und der Teufelssauger

Ulrich Noethen, Burchard, Rosmair, Schüttler, Schnier, Grass. Zwischen Höhenrausch und Absturz

12.03.2025 10:00 ZDF-Mediathek Mediathek-Premiere
19.03.2025 20:15 ZDF TV-Premiere
Foto: ZDF / Georges Pauly
Foto Tilmann P. Gangloff

Im sehenswerten vierten „Wendland“-Krimi aus der guten ZDF-Reihe mit Ulrich Noethen muss sich der ins Wendland versetzte Kommissar mit einem vermeintlichen Fall von Vampirismus befassen: Der Leichnam der ermordeten Leiterin des Heimatmuseums enthält keinen Tropfen Blut mehr. Die stellenweise gruseligen Erzählungen der als „Märchentante“ bei den Kindern beliebten Frau ziehen sich durch den ganzen Film, weshalb „Stiller und der Teufelssauger“ (Network Movie) stellenweise etwas textlastig ist, aber das Drehbuch erfreut durch eine vielschichtige Geschichte, zumal sich herausstellt, dass der halbe Ort ein Mordmotiv hätte.

Am Ende platzt angesichts des „Vampirzinnobers“ selbst dem besonnenen Stiller der Kragen. Der pragmatische Kriminalist hat ohnehin nie daran geglaubt, dass tatsächlich ein untoter Blutsauger sein Unwesen im beschaulichen Wendland treibt. Rätselhaft ist der Fall trotzdem: Der Leiterin des örtlichen Heimatmuseums ist das Genick gebrochen worden. Bei der Obduktion stellt sich raus, dass der Leichnam keinen Tropfen Blut mehr enthält. Prompt erinnert sich der abergläubische Teil der Bevölkerung an die Sage vom „Teufelssauger“: Wenn Mütter Zwillinge zur Welt bringen, kann es vorkommen, dass eins der Kinder das andere ausstechen will. Der Satansbraten, munkelt der Volksmund, werde nicht nur die Mutter, sondern die komplette Familie aussaugen.

Wendland – Stiller und der TeufelssaugerFoto: ZDF / Georges Pauly
Heute Befragung statt „Let’s Dance“-Einlage. Ulrich Noethen, Katharina Schüttler & Johann von Bülow im 4. „Wendland“-Krimi

Es hat immer einen besonderen Reiz, wenn Reihen wie „Erzgebirgskrimi“ oder „Die Toten vom Bodensee“ (beide ZDF) Bräuche und Legenden ihrer Region aufgreifen. Für „Wendland“ ist der Ansatz allerdings neu. Abgesehen vom Auftakt („Stiller und die Geister der Vergangenheit“, 2022), als es um die einstigen Gorleben-Proteste ging, erzählten die bisherigen Filme typische Krimigeschichten aus der Provinz: Der Star war nicht die Story, sondern Hauptdarsteller Ulrich Noethen. Diesmal hat sich der Status etwas verschoben, weil Sarah Schniers Drehbuch den ins Wendland versetzten Kommissar mit einer Vielzahl von Verdächtigen konfrontiert. Im Haus des Opfers entdeckt Stiller zufällig einen versteckten Raum, der sich als Archiv entpuppt: Die scheinbar unbescholtene Lubina hat Dossiers über ihre Mitmenschen angelegt. Weil die Akten auch diverse Fehltritte enthalten, konnte sich die Dame allerlei Gefälligkeiten erpressen; und natürlich gibt es nun eine ganze Menge Verdächtige. Trotzdem konzentrieren sich die Ermittlungen auf Zwillingsschwester Lenka (Judith Rosmair): Sie hat Lubina im Rahmen eines erbitterten Erbstreits seit vielen Jahren gepiesackt und unter anderem in blutroten Lettern „Teufelssauger“ an die Wand des Heimatmuseums und früheren gemeinsamen Elternhauses gemalt.

Schnier hat zuletzt fürs ZDF „Die zweite Welle“ (2023) geschrieben, eine fesselnde Dramaserie über eine Freundesgruppe, die seit dem Tsunami 2004 durch ein düsteres Geheimnis verbunden ist. Die Handlung von „Stiller und der Teufelssauger“ ist nicht ganz so komplex, aber ähnlich vielschichtig, es geht unter anderem um Corona-Impfungen und die Frage, was Fledermäuse zur Krebsforschung beitragen können. Auf der Krimiebene rückt das Drehbuch neben der aggressiven Schwester zwei weitere interessante weibliche Figuren in den Vordergrund: Über die Familie von Stillers Vermieterin gibt es ebenfalls einen Ordner, den der Kommissar allerdings unterschlägt, weil ihn mit Silke Landauer (Helene Grass) eine besondere Beziehung verbindet. Und dann ist da noch die einzige Hausärztin weit und breit: Olda Nolde (Katharina Schüttler) wirkt ein bisschen überdreht und legt zu Beginn, als Silke und Stiller zum Abendessen gekommen sind, mit dem Gatten (Johann von Bülow) eine Tanzdarbietung aufs Parkett, als seien ihre Gäste die „Let’s Dance“-Jury. Auch sie hütet ein Geheimnis: Die Allgemeinmedizinerin ist eine Frau zwischen Höhenrausch und Absturz.

Wendland – Stiller und der TeufelssaugerFoto: ZDF / Georges Pauly
Eine Frau, die nicht zu den Verdächtigen zählt: Stiller (Ulrich Noethen) und seine Kollegin Kira Engelmann (Bettina Burchard)

Die „Wendland“-Episoden beginnen stets mit einem Zitat Stillers aus seinem jüngsten Werk, schließlich pflegt der Kommissar seine Fälle schriftstellerisch zu verarbeiten. Diesmal muss er sich die akustische Ebene jedoch mit Lubina teilen: Die Museumsleiterin hat ganze Kindergenerationen mit ihren Erzählungen von einheimischen Märchen fasziniert. Stillers Kollege Klasen (Malte Thomsen) hat sogar eine Kassette mit den größtenteils gruseligen Geschichten, die zwischendurch immer wieder erklingen. Ein weiterer Grund, aufmerksam hinzuhören, ist die Musik (Christoph Zirngibl), die mit ihrer Mischung aus Leutseligkeit und Spannungssteigerung die perfekte Untermalung für die sich nicht nur wegen Oldas Stimmungsschwankungen ständig ändernde Atmosphäre ist. Regie führte Bruno Grass, der auch die letzten beiden „Wendland“-Krimis inszeniert hat und mit Hilfe vieler schwungvoller Kamerafahrten (Bildgestaltung: Tobias Schmidt) geschickt kaschiert, dass der Film ziemlich textlastig ist. Kurz vor Schluss erfreut Grass durch eine detailliert konzipierte Parallelmontage aus Gegenwart und Vergangenheit, als Silke im Wald den gleichen Weg zurücklegt wie vor Jahrzehnten als Kind. Zum allerdings nicht übermäßig spannenden Finale zeigt sich auch, dass die Fledermäuse ihre Mitwirkung keineswegs nur der Nähe zum „Vampirzinnober“ zu verdanken haben.

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Reihe

ZDF

Mit Ulrich Noethen, Bettina Burchard, Judith Rosmair, Helene Grass, Katharina Schüttler, Johann von Bülow, Malte Thomsen

Kamera: Tobias Schmidt

Szenenbild: Frank Godt

Kostüm: Nana Kolbinger

Schnitt: Simone Klier

Musik: Christoph Zirngibl

Redaktion: Daniel Blum

Produktionsfirma: Network Movie

Produktion: Jutta Lieck-Klenke

Drehbuch: Sarah Schnier

Regie: Bruno Grass

EA: 12.03.2025 10:00 Uhr | ZDF-Mediathek

weitere EA: 19.03.2025 20:15 Uhr | ZDF

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