Ein Zeichen gegen die Verlogenheit setzen?
Ostern im Zeichen der Flüchtlingshilfe. Die spendable Hamburger Society feiert sich selbst mit einer Charity-Gala. Kommissarin Katharina Lorenz verschlägt es mit einem Freund auf diese fragwürdige Veranstaltung, die mehr kosten dürfte, als sie an Spenden einspielen wird. Darauf will die Aktivistengruppe „Bad Easter Bunnies“ aufmerksam machen. In den letzten Jahren protestierten sie mit Farbbeuteln. Dieses Jahr wollen sie es richtig knallen lassen: mit echten MG’s. „Wir zeigen den verlogenen Pennern zwei Stunden lang, was Todesangst wirklich bedeutet und dann sind wir wieder weg“, appelliert Wortführer Frank an seine Jungs, die sich mit der schweren Bewaffnung nicht anfreunden können. „Niemandem passiert was“, verspricht er. Wenig später gibt es aber doch zwei Tote. Läuft die Aktion aus dem Ruder? Oder war alles geplant? Katharina Lorenz muss sich entscheiden, ob sie wirklich die Heldin spielen will. Auf einen Toten mehr oder weniger kommt es diesem Frank jedenfalls nicht an.
Foto: NDR / Christine Schröder
„Ziel war es, einen Genrefilm zu machen, der unterhaltsam ist, aber nicht übertrieben wirkt – sprich: der das Geschehen glaubwürdig in der deutschen Realität verankert.“ (Thomas Stiller, Buch & Regie)
Macht & Ohnmacht, Todesangst & Aktionismus
Der „Tatort – Frohe Ostern, Falke“ nimmt das Thema Flüchtlingshilfe einmal anders ins Visier. Die Bundespolizisten Katharina Lorenz und Thorsten Falke geraten als Privatpersonen in den Fall, der ein situatives Bedrohungsszenario darstellt und der entsprechend vom MEK (Mobiles Einsatzkommando) übernommen wird. Kamen sich die beiden im letzten Fall, „Die Feigheit des Löwen“, körperlich extrem nahe, muss sich diesmal ihr Kontakt die meiste Zeit aufs Simsen beschränken. Lorenz übernimmt die Rolle als „Informantin“, die mit psychologischer Kriegsführung das schwächste Glied in der Kette der Geiselnehmer zu knacken versucht, sich damit allerdings in Lebensgefahr bringt. Und Falke wird in die Beobachterrolle gedrängt, bekommt am Ende aber einen besonders markanten Auftritt. Der Aktionsradius der Kommissare ist damit extrem reduziert. „Katharina Lorenz hat nur ein Abendkleid, Stöckelschuhe und ein Handy – und ihren Verstand“, so Autor-Regisseur Thomas Stiller. Und Kommissar Falke, früher selbst mal in der autonomen linken Szene unterwegs, hat einen alten Kumpel, der ihm zumindest einiges zur aktuellen Zusammensetzung und Gruppendynamik der „Bad Easter Bunnies“ sagen kann. Ein machtloser Kommissar in Sorge und eine Kommissarin, die zwischen Angst und naivem Aktionismus einen gangbaren Weg finden muss, ist eine überaus prickelnde Ausgangssituation für eine Ermittlerkrimi-Reihe.
Foto: NDR / Christine Schröder
„Es war klar, das die Schauspieler zu 90 Prozent hinter Masken versteckt sein würden. Deshalb haben wir darauf geachtet, dass sie markante Stimmen haben. Und auch von der Körperlichkeit, der Statur her unterscheiden sie sich.“ (Stiller)
Ausdifferenzierung der Opfer-Täter-Polizei-Rollen
„Geiler Scheiß!“, befindet einer der „bösen Osterhasen“, nachdem der Oberbösewicht, der offenbar in höherem Auftrag handelt, die Jungs mit lustvollem Auf-Pappkameraden-Geballere geködert hat. Thomas Stiller versucht, dem Zuschauer mit diesem „Tatort“ ein ganz ähnliches Gefühl zu vermitteln. „Frohe Ostern, Falke“ ist ein klassischer Geiselnahmekrimi mit klarer Spannungsstruktur und hohem Thrill-Faktor – die entsprechenden standardisierten Nervenkitzelmomente inklusive. Selbstredend lehnt sich die Heldin mit ihrer blauäugigen Aktion (jeder Experte für Ausnahmesituationen würde ihr davon abraten) weit aus dem Fenster und natürlich hat sie das Glück, dem besagten „schwächsten Glied in der Kette“ zugeteilt zu sein. Aber ein Genrefilm hat seine eigene Logik. Außerdem ergibt sich durch die vielfältige Ausdifferenzierung der Opfer-Täter-Polizei-Rollen, die mit der Instrumentalisierung von Interessen kurzgeschlossen ist, eine dichtere Dramaturgie als bei durchschnittlichen Geiselnehmer-Thrillern; was letztlich auch auf den Spannungseffekt positiv zurückschlägt.
Foto: NDR / Christine Schröder
„Es gibt Szenen, die ein bisschen Tarantino- oder Western-mäßig rüberkommen… Und die Hamburger Pfeffersäcke kriegen ihr Fett weg.“ (Wotan Wilke Möhring)
Fünf Ballermänner mit langen, albernen Ohren
Und selbst ein scheinbar unbedeutendes Detail wie die flauschige Ganzkörperbedeckung der Bunnies (Bärin Nastassja Kinski in „Hotel New Hampshire“ lässt schön grüßen!) spielt dramaturgisch und vor allem wirkungsästhetisch eine nicht zu unterschätzende Rolle. „Eigentlich hat dieses Bild, haben diese Hasenkostüme mit den langen Ohren, ja etwas Albernes, aber die Masken haben zugleich etwas Bedrohliches“, bringt es Thomas Sarbacher, der Darsteller des Frank, auf den Punkt. Darüber hinaus schränkt das Kostüm mit der Gesichtsmaske – da der individuelle Gesichtsausdruck fehlt – den psychologischen Aspekt der Interaktionen und die Nähe zum Alltag ein; was den (Zuschauer-)Blick auf die besondere Körperlichkeit von Darsteller bzw. Figur lenkt. Das schließlich hebt auch wieder den Genrefilm-Aspekt hervor. Und so bleiben neben der Hochspannung vor allem die Bilder von „Frohe Ostern, Falke“ in Erinnerung: Fünf Ballermänner mit langen Ohren, die auf dicke Hose machen. Fünf Osterhasen im Glorreiche-Halunken-Habitus. Echt geiler Scheiß, Mann!