Kriminalrat Schladitz bekommt eine ominöse Einladung zum Lucia-Fest nach Schleswig. Eine Feierlichkeit der dänischen Minderheit im nördlichsten Bundesland. Veranstaltungsort ist die dort ansässige dänische Schule. Während der Feier steht der Rektor plötzlich in Flammen, Minuten später ist er tot. Schladitz kannte den Mann, wie er auch die anderen drei kennt, die auf dem Foto der Einladungskarte angebildet sind, Mitte der 60er Jahre, sie waren noch Kinder. Waren sie auch Brandstifter? Kommissar Borowski ist überrascht, seinen Chef am Tatort anzutreffen – und noch mehr darüber, dass Schladitz, seinen Freund und die Kollegin Brandt am liebsten wieder nach Kiel zurückschicken würde. Zur Aufklärung viel beitragen kann der aufgewühlte Kriminalrat nicht mehr, denn nach einem Verkehrsunfall ist er vorläufig nicht ansprechbar. Ist etwa Sarah Brandt gefahren? Borowski ist der Einzige, der von ihrer Epilepsie weiß. Sie bestreitet es vehement. Er bezweifelt das. Gekränkt vom Schweigen des Freundes ist für Borowski die dänische Kollegin der einzige Lichtblick in diesem Fall.
Foto: NDR / Marion von der Mehden
Schuld und Sühne und das schwindende Vertrauen zwischen den Ermittlern sind die Themen von „Borowski und der brennende Mann“. Es geht um ein ungesühntes Verbrechen und um Fremdenfeindlichkeit in einem historisch, aber auch psychologisch ungewöhnlichen Fall. Dabei spielt die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein ebenso eine Rolle wie die Flüchtlinge, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus den ehemaligen Ostgebieten in die Gegend kamen. Ästhetisch orientiert sich der Film von Lars Kraume nach dem gut recherchierten, dichten Drehbuch von Daniel Nocke an den Skandinavien-Krimis. Temperament- und tonlagentechnisch passt das gut – nicht umsonst sind ja auch schon des Öfteren Mankell-Ideen in den Kiel-„Tatort“ eingeflossen. Kaum Stadt, viel platte, karge Landschaft, dazu (gelegentlich) Eis und Schnee – da ist der „bigger-than-life“-Kommissar deutlich in seinem Element. Aber so mordsmäßig nordisch düster kommt dieser – trotz weniger Verdächtiger oder gerade deshalb – sehr abwechslungsreiche Krimi dann doch nicht daher.
Lars Kraume über Borowski, wie (nicht nur!) er ihn mag:
„Wenn man sich meine Lieblings-Borowskis ‚Der stille Gast’ oder ‚Die Frau am Fenster’ anschaut, dann sieht man, dass die Protagonisten sehr ausgeklügelte, aber künstliche Figuren sind. Das mag ich an Borowski – und das steht auch Axel Milberg gut. Die unwirklich wirkende Landschaft tut ihr Übriges dazu. Wir hatten Glück mit dem Schnee, der die Kulisse noch etwas weiter entrückte. Das ergibt einen schönen Ton: das Märchenhafte, ein wenig Exzentrische, Unrealistische.“
Foto: NDR / Marion von der Mehden
Nicht das Spannungsverhältnis zwischen Landschaft und Protagonisten bestimmt die Stimmungen des Films, sondern die vielfältigen unterschwelligen Beziehungen zwischen den Kommissaren. Das liegt auch und vor allem an der dänischen Kollegin, die absolut nicht Schwedenkrimi-like mit ihrer unbeschwerten, lebensfrohen Art für gute Laune und köstlich komische Zwischentöne sorgt. So missversteht „der Meister“ eines Nachts ihr „Hey, Borowski komm rein“, ihr Lächeln und ihre flapsigen Anspielungen auf die Dänen-Klischees Alkohol & Sex im Angesicht ihrer nackten Oberschenkel peinlich falsch – und verkriecht sich anschließend vor Scham in sein eigenes Bett. Eher beiläufig vermittelt sich auch die Spannung zwischen Brandt und Borowski, der seine Kollegin nach dem Unfall vorübergehend beurlauben möchte – doch zwei weitere Morde erlauben den Abzug der Kollegin nicht. Und auch die Aussprache zwischen Borowski und Schladitz kommt erst spät – der Schatten, der auf ihre Beziehung gefallen ist, scheint dennoch von Beginn an auf Borowski zu lasten.
Fazit: interessante Themen, viel Atmosphäre, gute Ermittlerpsychologie, angenehmer Erzählfluss, kein Whodunit-Geplänkel, nur wenig Autoren-Tricks, liebenswerte Charaktere, Schauspieler, zwischen denen die Chemie stimmt, spannender Showdown, ein nachhaltiges Schlussbild… „Borowski und der brennende Mann“ ist ein ganz starker Kiel-„Tatort“!