Die Psychologen-Couch braucht der eigenwillige Mann aus Kiel offensichtlich nicht mehr. Auf ihr hätte aber mal besser dessen Gegenspieler im heutigen „Tatort“ Platz nehmen sollen. Ihm, dem Kaufhausdetektiv Klaus Raven, wuchs sein Leben völlig über den Kopf. Er verlor sein seelisches Gleichgewicht, weil er seiner Tochter und seiner Frau nicht das bieten konnte, was sie sich wünschten. Zu Beginn tötete er eine Klassenkameradin der Tochter, die er beim Diebstahl erwischt und die ihm sexuellen Missbrauch anhängen will. Wirkte das noch wie ein dummer Zufall, so war das Blutbad am Ende die logische Folge der ausweglosen Situation, in die sich der verzweifelte Mann hineinmanövriert hatte.
„Man tötet eine Kreatur und denkt sich nichts dabei“, hieß es in „Borowski und das Mädchen im Moor“. Der Kommissar und der Mörder, zwei Duz-Freunde – der eine tötete überraschend einen Menschen, der andere fuhr einen Wolf an. Autor Sascha Arango gelang es, das Augenmerk vom Krimiplot auf den Verfall einer Familie zu richten, ohne dass das der Spannung Abbruch tat. Andreas Schmidt als tragischer kleiner Mann gab dem Leiden, Maria Schrader als Ravens Frau, die sich zum Wohle ihrer Tochter prostituiert, dem kaputten Lebenswillen ein Gesicht. Entlastung für den Zuschauer boten die telegenen Ausflüge in die Mythologie des Märchens. Gelegentlich, wenn Borowski beispielsweise den Bordcomputer des Wagens seines Chefs austestet, wandelte er auf den Spuren Dr. Martins, der anderen, komischeren Serienfigur Axel Milbergs. Fazit: der 10. Borowski-„Tatort“ war reich an Farben, dicht erzählt, packend – ein richtig guter Krimi. (Text-Stand: 17.2.2008)