Es ist der 75. Fall für das Kölner Duo. Und der ist so wie die meisten Krimis mit Ballauf und Schenk: Meint man es gut, nennt man ihn solide, meint man es weniger gut, würde man ihn als durchschnittlich bezeichnen. Gerne greift man am Rhein ja brisante Themen auf, das ist ehrenwert. Und man sieht den Geschichte auch an, dass sie gut recherchiert sind. Doch der pfiffige Einfall bei der Umsetzung fehlt dann oftmals. So auch im „Tatort – Bombengeschäft“. Köln wurde im Zweiten Weltkrieg 262 Mal aus der Luft bombardiert, in ganz Nordrhein-Westfalen gingen mehr als 650.000 Tonnen Sprengmaterial nieder. Und manche Bombe ist nicht explodiert, schlummert noch im Boden. So muss, wer in der Domstadt bauen will, einen Nachweis über die Kampfmittelfreiheit im Boden vorlegen. Anhand von Luftaufnahmen aus dem Krieg wird untersucht, ob es Hinweise gibt. Diese Bilder sind in Besitz der Bezirksregierungen, die sie unter Verschluss halten, um Missbrauch vorzubeugen. Rund 20 Mal rücken – laut Kölner Stadt-Anzeiger – Experten der Kampfmittelbeseitigung im Jahr in der Rheinmetropole wegen eines „Bombenalarms“ aus. Um dieses wenig bekannte Thema hat Thomas Stiller (Grimme-Preis für „Unter dem Eis“, Jupiter für „Zwölf Winter“) seinen dritten Köln-“Tatort“ – nach „Schattenlos“ (2003) und „Die Blume des Bösen“ (2007) – gebaut.
„Schätzungsweise 675.000 Tonnen Sprengmaterial sind während des 2. Weltkrieges auf NRW niedergegangen. Eine ganze Menge davon ist nicht hochgegangen und schlummert in unserem Boden – auf dem wir leben, wohnen, schlafen. Diese traurige Gewissheit macht diese Geschichte aus.“ (Klaus J. Behrendt)
Foto: WDR / Martin Valentin Menke
Eine alte Fliegerbombe wird bei Bauarbeiten in Köln entdeckt. Sprengmeister Peter Krämer (Beat Marti) und Kollegin Katharina Vostell (Isabel Thierauch) entschärfen die fünf Zentner schwere M57, eine amerikanische Fliegerbombe. In der Dienststelle angekommen, kümmert er sich allein um den Transportwagen und fährt ihn zu einem nahe gelegenen Bunker. Plötzlich kracht es, das unschädlich gemachte Kampfmittel geht hoch, von Krämer bleibt fast nichts mehr übrig. Sein Boss Maiwald (Ralph Herforth), dessen Sohn Joachim (Adrian Topol) auch zum Team gehört, ist verzweifelt: Wie konnte das einem so erfahrenen Sprengmeister passieren? Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) ermitteln, befragen Krämers Witwe Alena (Alessija Lause) und seinen Freund und Ex-Kollegen Alexander Haug (Sascha Alexander Gersak), der seit einer hochgegangenen Mine im Rollstuhl sitzt. Der hat Krämer am Tag der Detonation in der Arbeit besucht. Warum? Dann macht Rechtsmediziner Roth (Joe Bausch) eine Entdeckung: An einem Stück des Kieferknochens des Opfers finden sich Splitter einer modernen Handgranate. Und so hat man nun einen Tatort: Krämer wurde ermordet. Weitere Ermittlungen ergeben, dass er mit seiner Frau ein Grundstück in dem neuen Kölner Wohnviertel „Flora Quartier“ gekauft hat, aber überraschend vom Kauf zurückgetreten ist. Warum? Eine Spur führt zu dem Unternehmer Gebel (Marco Hofschneider), der das Bauprojekt plant, und zu Spielhallenbetreiber Sascha Feichdinger (Thomas Darchinger), der wie Krämer dort ein Haus kaufen wollte, aber von ihm ausgestochen wurde.
Als klassischen Whodunit-Krimi erzählt Thomas Stiller die Story. Es gibt die üblichen Motive – Eifersucht, Streit, Habgier, Rache – und Verdächtige werden der Reihe nach „abgearbeitet“, bis am Ende nur noch einer übrig bleibt. Das ist nicht sonderlich spannend, große Wendungen oder Überraschungen bleiben aus, die Figuren haben wenig Anschlussfähigkeit. Kaum eine Figur wird genauer ausgeleuchtet: der Mann im Rollstuhl definiert sich über Zynismus, die Frau aus Bosnien, die dort Schlimmes erleiden musste, kann kaum zeigen wie traumatisiert sie ist, vom spielsüchtigen Sohn erfährt man nicht, warum sein Verhältnis zum Vater so zerrüttet ist. Klar, die Zuschauer haben keinen Informationsvorsprung vor den Kommissaren, sie begleiten Ballauf und Schenk bei der Mördersuche, entdecken und rätseln, wer an der Tat beteiligt war. Das sorgt für etwas Spannung. Aber das eher schleppende Tempo und die arg konstruierte Geschichte arbeiten dagegen. Bei der Inszenierung spielt Stiller mit Anleihen an die Stilmittel des Comics, bei den Bildausschnitten sind beispielsweise auch mal Gesichter nur zur Hälfte zu sehen. Nicht nur auf die klassische Perspektive zu setzen, verleiht dem Krimi durchaus Frische, kann die Story aber nicht genügend aufpeppen. In „Bombengeschäft“ explodieren nicht nur Kampfmittel aus der Vergangenheit, auch alte und aktuelle Konflikte der handelnden Personen kommen in diesem Krimi an die Oberfläche und sorgen für Sprengkraft.
Seit 22 Jahren sind Ballauf & Schenk ein Team, große Überraschungen erlebt man mit ihnen kaum noch. Manche Assistenten haben sie schon verschlissen, Norbert Jütte (gespielt von Roland Riebeling) dürfte bald ein ähnliches Schicksal drohen. Zu plan, zu überraschungsarm ist die Figur des die Pausenzeiten streng einhaltenden und für seine langsame Arbeitsweise von Kommissar Schenk gerne gemobbten Assistenten. Vielleicht schickt man ihn einfach mal raus und lässt die „Tatort“-Oldies Freddy und Max zur Abwechslung in der Schreibstube sitzen. Da können sie dann am Schreibtisch ihre Pausenbrote essen wie Jütte; denn die Currywurstbude hat man den beiden Buddys ja schon genommen. (Text-Stand: 8.3.2019)
Foto: WDR / Martin Valentin Menke