So einfach stirbt man nicht

Gwisdek, May, Karven, Borgmann, Maria von Heland. Eine Familie sortiert sich neu

Foto: ZDF / Marion von der Mehden
Foto Rainer Tittelbach

Eine dem Ehemann auf dem Sterbebett von der Gattin gebeichtete Lebenlüge weckt ihn aus dem Koma und lässt ihn auf Rache sinnen: Der Mann geht schon länger fremd, jetzt will er auch noch einen Jahrhunderte alten Olivenhain auf Mallorca vor der Abholzung retten. Die Aktion kostet viel Geld und seiner Frau und seinen drei Töchtern das Erbe. Der Fernsehfilm „So einfach stirbt man nicht“ (ZDF / Network Movie) ist mehr Komödie als schweres Drama – und so ist das letzte Wort in dieser Ehe noch lange nicht gesprochen. Nach dem Kitten von Beziehungen im „Herzkino“-Schnellverfahren sieht es in dem Film von Maria von Heland allerdings nicht aus. Entsprechend auch der Blick auf ein urwüchsig-wildes Mallorca, passend zum Chaos dieser Familie. Auch der flotte Erzählrhythmus & der Top-Cast lassen einen kleine Ungenauigkeiten der Geschichte und der Psychologie der Charaktere vergessen.

Chaos-Tage: Ein Infarkt, eine Affäre und eine Scheidung kommen selten allein
„Rebecca … sie ist nicht von dir“, beichtet Ehefrau Renate (Michaela May) ihrem komatösen Kurt (Michael Gwisdek) auf dem Sterbebett. Diese kapitale Lüge scheint dessen Lebensgeister wieder zu wecken. Sind die drei Töchter, die älteste, Lotte (Ursula Karven), Steffi (Anja Schiffel) und Rebecca (Sandra Borgmann), die jüngste, umsonst nach Mallorca angereist? „So ein Infarkt kommt selten allein“, weiß allerdings der behandelnde Arzt (René Ifrah). Das gleiche Prinzip gilt für eine Affäre: Auch Kurt geht fremd und hat sich auf der Baleareninsel eine rassige Schönheit (Natalia Wörner) angelacht. Dem Tod von der Schippe gesprungen, will er endlich etwas Sinnvolles in seinem Leben tun, indem er einen Jahrhunderte alten Olivenhain vor der Abholzung rettet. Eine nicht unwesentliche Rolle für Kurts grünes Gewissen spielt dabei seine heimliche Herzdame. Die Aktion kostet ihn 1,5 Millionen Euro – und seiner Familie das Erbe. Ist das die Rache für Renates Lebenslüge? Kurt scheint stärker verletzt zu sein, als er sich zunächst anmerken lässt und dann zieht er eine radikale Bilanz seiner Ehe: Die Zeit mit seiner Frau sei „zu einer grauen Masse zusammengeschmolzen“. Daraufhin zeigt Renate, dass auch sie ihren Stolz hat: Sie will die Scheidung. Jetzt sind alle emotional angefasst. Und auch eine Scheidung kommt selten allein…

So einfach stirbt man nichtFoto: ZDF / Marion von der Mehden
Der von den Toten auferstandene Vater (Michael Gwisdek) mit seinen Grazien (Karven, Schiffel, Borgmann, May, Adrian) und seinem Ersatzenkel (Jude West)

Nach dem Kitten von Beziehungen im Schnellverfahren sieht es hier nicht aus
Der ZDF-Fernsehfilm „So einfach stirbt man nicht“ ist eine Tragikomödie – und so ist das letzte Wort in dieser Ehe noch lange nicht gesprochen. Und auch der Rest der Familie versucht, sich neu zu sortieren. Am Ende verzeichnet das Personal der Lehmanns einen Abgang, einen Neuzugang und es wird ein Kandidat präsentiert für eine zweite Chance. Bis dahin liegt ein Reiz des Films von Maria von Heland („Göttliche Funken“) in Fragen wie: Wer weiß hier eigentlich was? Wie werden die Unwissenden ins Bild gesetzt? Und wie werden sie reagieren? Allen voran Rebecca, die ja irgendwann von der Lebenslüge der Mutter erfahren muss. Auch die Frage, was aus der Mallorquinischen Liebe des Alten wird, bleibt offener als in vergleichbaren Unterhaltungs-TV-Dramödien. Das liegt auch an den namhaften, mit dem nötigen Ernst agierenden Schauspielern Gwisdek, May und Wörner. Nach dem Kitten von Beziehungen im Schnellverfahren sieht es hier jedenfalls nicht aus; eher schon könnte das Thema Vergänglichkeit eine Rolle spielen. Und selten wurde der Illusion von einem Neuanfang im Alter mit ein, zwei Sätzen eine so wunderbare Abfuhr erteilt: „Carla, da ist ein alter Mann im Spiegel, der uns beobachtet … Der verfolgt mich schon seit Jahren, und ich weiß nicht, wer das ist.“ Solche am Ende stets einsichtigen alten Männer haben derzeit Konjunktur im Fernsehen. Nicht ohne Grund wird – neben Hallervorden („Mein Freund, das Ekel) oder Halmer („Wir lieben das Leben“) – Michael Gwisdek („Mein Schwiegervater, der Stinkstiefel“) immer wieder gern besetzt in diesem Rollenfach. Bei von Heland allerdings bietet seine Figur mehr als nur die des fidelen oder sarkastischen Alten.

So einfach stirbt man nichtFoto: ZDF / Marion von der Mehden
Die Stunde der Wahrheit? Seine Geliebte Carla (Natalia Wörner) hat Kurt (Michael Gwisdek) bisher etwas Wichtiges verschwiegen. Dieser Mann lässt sich offenbar gern etwas von den Frauen erzählen. Und er ist überzeugt: „Frauen kriegen das alles hin.“

Der Unterhaltungsfaktor obsieht über die Psychologie – und das macht gar nichts
In „So einfach stirbt man nicht“ geht es um die großen Themen Liebe und Tod, doch der Film besitzt – wie es der Titel andeutet – eine vergleichsweise leichte, gelegentlich komödiantische Gangart. Diese Gratwanderung der Tonlagen ist gelungen. Die Töchter versuchen so gut es geht, ihre Probleme für sich zu behalten. Dass Steffi nicht nur das Sandwich- sondern auch das Problemkind der Familie war und sie nun mit ihrer Tochter Jule (Laetitia Adrian) ein ähnliches Schicksal wie ihre Mutter durchlebt, ist unübersehbar. Dass Rebecca offenbar Probleme bei der Wahl ihrer Partner hat und mit dem Sohn eines Freundes (Jude West) anreist, wird angedeutet. Jener Jonas hat vor allem die dramaturgische Funktion, zum Verbündeten des nur von Frauen umgebenen, von den Toten erwachten Vaters zu werden. Er fragt Kurt aus, und so erfahren wir sowohl vom Olivenhain-Deal als auch von der Geliebten. Das kann man clever oder auch etwas simpel finden. Von Lottes unglücklicher Ehe erfährt ebenfalls zunächst allein der Zuschauer etwas. Dieser Informationsvorsprung macht Laune. Schön, wenn es auch in anderen Familien drunter und drüber geht! Schön, wenn es irgendwann knallt! Aber noch schöner, wenn das Kuckuckskind vermeintlich cool mit der Wahrheit umgeht: Sandra Borgmann bringt die Situation charmant – zwischen Verletzung und feiner Ironie – in einem hinreißenden Monolog auf den Punkt. Dabei obsiegt der Unterhaltungsfaktor über die Psychologie der Charaktere. Und so endet der Film auch mit einem versöhnlichen Augenzwinkern: „Frauen kriegen alles hin – ist immer so gewesen und wird immer so sein.“

Mallorca & die Filmsprache kommen dem Zuschauer nicht mit glatter, gefälliger Optik
Es ist ein Satz, den Kurt zuvor einmal gesagt hat, jetzt kommt er aus dem Mund eines naseweisen Zehnjährigen. Mag diese Schlusspointe auf den ersten Blick etwas aufgesetzt wirken, so ist der Satz über die Frauen doch durchaus geeignet, um aus diesem von Frauen bestimmten Ensemblefilm herauszukommen. Und nimmt man dazu noch die emotional wie optisch eindrucksvolle Schlussszene mit dem Blick aufs Meer, so ist dieses Filmende sogar ein richtig gutes. Es ist nicht das einzige Bild, an das man sich erinnern wird. Vor allem Michael Gwisdek und Michaela May schenkt Kameramann Moritz Anton ein paar magisch mediterrane Einstellungen – mal in der Dämmerung, mal im Dunkel des Abends. Und überhaupt: Mallorca kommt dem Zuschauer hier nicht mit glatter Insel-Guide-Optik, sondern des Deutschen beliebteste Insel zeigt sich rau, urwüchsig und individuell, passend zu dieser Familie, in der mitunter das reinste Chaos herrscht. Und auch die Montage verfährt nicht nach den „Herzkino“- und Degeto-Regeln konventioneller Gefälligkeit. Maria von Heland kommt schnell zur Sache: Der „Rebecca ist nicht von dir“-Satz fällt gleich in der zweiten Szene, nach dem Herzinfarkt. Und es geht fortan weiterhin Schlag auf Schlag. Mit fünf Hauptfiguren lässt sich viel erzählen, auch parallel. Und so ist es dann auch der flotte Erzählrhythmus, der einen die kleinen Ungenauigkeiten in der Geschichte vergessen lässt. (Text-Stand: 1.8.2019)

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Michael Gwisdek, Michaela May, Ursula Karven, Sandra Borgmann, Anja Schiffel, Natalia Wörner, Max Hemmersdorfer, René Ifrah, Jude West, Laetitia Adrian

Kamera: Moritz Anton

Szenenbild: Lars Brockmann

Kostüm: Lore Tesch

Schnitt: Verena Herzog, Sanjeev Hathiramani

Musik: Florian Tessloff

Redaktion: Verena von Heereman

Produktionsfirma: Network Movie

Produktion: Jutta Lieck-Klenke, Sabine Jaspers

Drehbuch: Maria von Heland

Regie: Maria von Heland

Quote: 4,74 Mio. Zuschauer (17,9% MA); Wh. (2020): 3,57 Mio. (12,6% MA)

EA: 29.08.2019 20:15 Uhr | ZDF

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