Bei Sat 1 war es Robert, im ZDF der kleine Sascha – jetzt hat auch RTL mal wieder ein todsterbenskrankes Kind. Kein Wunder, war doch der bislang größte TV-Movie-Erfolg des Kölner Senders, der in Sachen Eigenproduktionen gegenber Sat 1 und Pro Sieben ein wenig ins Hintertreffen geraten ist, vor genau einem Jahr der Fernsehfilm „Mutter, ich will nicht sterben“ (mit 8,26 Mio. Zuschauer). Damals war es eine junge Frau, heute ist es Leon, ein Würmchen, gerade mal ein paar Tage alt. „Blau wie ein Veilchen“, konstatiert der behandelnde Arzt. „Das Kind verfällt zusehends.“ Die Diagnose lautet: schwerer Herzfehler, die Blutströme laufen verkehrt herum. Es muss so schnell wie möglich operiert werden, sonst wird der Kleine nicht überleben. Doch der zweite Herzspezialist ist im Urlaub; Notfälle verschieben die Operation. Die Eltern sind außer sich: der Vater tobt, die Mutter wird immer apathischer.
Es ist wieder einmal eine Geschichte, die – wie es so gerne heißt – jeden treffen kann. Am unmittelbarsten aber werden junge Eltern mit kleinen Kindern dieses reichlich spekulative Wechselbad der Gefühle nachvollziehen können (junge Familien gehören bekanntlicherweise zur Hauptklientel der werbetreibenden Wirtschaft). Da wird zunächst das junge Familienglück auf Fotos festgehalten („keiner wird uns trennen“). Es herrscht Feiertagsstimmung. Während der unwissende Vater sich noch kindlich freut über seinen Leon, der nicht sein leiblicher Sohn ist, herrscht in parallelen Szenen schon große Aufregung ber das „Blue Baby“. Dann kommt der große Schock für die Eltern. Das Würmchen im Glaskasten, rundherum nur medizinische Apparaturen – ein Schreckensbild. Jede Emotion wird von Regisseur Michael Werlin brutal ausgeleuchtet, jede oftmals unbegründete Angst junger Eltern wird geschürt. Später hört der Vater den Anrufbeantworter ab: Im absoluten Stimmungstief wird er konfrontiert mit der aufgekratzten Euphorie von Freunden und Bekannten. Ein typischer Fall von Reality Fiction.
In diesem medizinischen Drama der Gefühle gibt Alexander Radszun („Der große Bellheim“) als scheinbar unterkühlt-zynischer Klinikarzt noch die beste Rolle ab. Jacques Breuer („Mutter mit 18“) als Vater beweist wieder einmal, dass seine blauen Augen eine sichere Bank für Herz/Schmerz-Geschichten sind, aber nicht ganz ausreichend für ein gutes Drama. Anne Kasprik im Wochenbett war dagegen eine Enttäuschung. Die Absolventin der „Ernst-Busch-Hochschule“ hat scheinbar an der Seite von Bud Spencer und Terence Hill (derzeit im Kino: „Die Troublemaker“) jede mimische Nuancierung verlernt. (Text-Stand: 12.4.1995)