Mordkommission Königswinkel – Liebe bis über den Tod

Lavinia Wilson, Vladimir Burlakov, Jürgen Werner, Nennstiel. Mordsmäßiges Allgäu

Foto: ZDF / Jacqueline Krause-Burberg
Foto Tilmann P. Gangloff

Ein Polizist wird verdächtigt, Kontakt zum organisierten Verbrechen zu haben, weshalb seine neue Kollegin ein Auge auf ihn haben soll: Das erinnert frappierend an die ersten Filme mit dem „Polizeiruf“-Duo aus Rostock oder den Auftakt zum neuen „Tatort“-Team aus Berlin. Tatsächlich hat sich Autor Jürgen Werner für „Mordkommission Königswinkel“ aber durch eine eigene Arbeit „inspirieren“ lassen: Die Geschichte über die Mafia im Allgäu ähnelt auf irritierende Weise seinen ARD-„Bozen-Krimis“. Sehenswert ist der mutmaßliche Pilot einer neuen ZDF-Reihe dennoch, zumal Wilson und Burlakov ein interessantes Team sind.

Das Fernsehen zeigt jedes Jahr Hunderte von (Serien-)Krimis; da lässt es sich kaum vermeiden, dass Freunde des Genres immer wieder mal Parallelen entdecken. Das gilt auch für den Auftakt zur mutmaßlich neuen ZDF-Reihe „Mordkommission Königswinkel“. Schon die Konstellation der Ermittler erinnert an zwei ARD-Sonntagskrimis: Die Kommissarin Julia Bachleitner (Lavinia Wilson) soll ihren Partner überwachen, weil der angeblich Kontakte zum organisierten Verbrechen hat; genauso begannen 2010 der „Polizeiruf“ aus Rostock und 2015 der neue „Tatort“ aus Berlin. Davon abgesehen jedoch ist das Szenario interessant, zumal sich die Handlung im beschaulichen Allgäu abspielt; deshalb beginnt „Liebe bis über den Tod“ auch mit Landschaftsaufnahmen. Die kühlen Bergbilder mit den wie im Heimatdrama über den Himmel treibenden Wolkenfetzen, die Regisseur Thomas Nennstiel auch im weiteren Verlauf des Films immer wieder einstreuen wird, vermitteln jedoch keinerlei Beschaulichkeit, und das aus gutem Grund: Im Fluss treibt eine Leiche. Die Kuh auf der Weise stört das nicht weiter. Knapp 90 Minuten später wird sich allerdings herausstellen, dass sie den Mörder kennt.

Mordkommission Königswinkel – Liebe bis über den TodFoto: ZDF / Jacqueline Krause-Burberg
Kommissarin Bachleitner (Lavinia Wilson) ermittelt in einem brisanten Mordfall und gerät prompt in eine prekäre Situation. Thomas Unger

Zunächst erzählt Autor Jürgen Werner eine ganz andere Geschichte. Während Bachleitner die Leiche begutachtet und man staunend zur Kenntnis nimmt, dass sie gemeinsam mit der Rechtsmedizinerin schon nach wenigen Augenblicken den Zeitpunkt des Todes benennen kann, wird andernorts ein Mann aus dem Gefängnis entlassen: Thomas Stark (Vladimir Burlakov) ist ein verurteilter Mörder, aber bereits nach drei Jahren wieder auf freiem Fuß, weil sein spielsüchtiger Anwalt (Cornelius Obonya) einen Verfahrensfehler entdeckt hat. Stark soll einen verdeckten Ermittler getötet haben; pikanterweise ist er selbst Polizist. Bachleitner, seine Nachfolgerin bei der Kripo Füssen, muss empört akzeptieren, dass Stark ihr neuer Partner wird. Der Tote aus dem Fluss ist ihr erster gemeinsamer Fall. Der Mann war Reporter der örtliche Tageszeitung und hat sich mit Kleintierzüchtern und Kammerkonzerten befasst, aber nebenbei nach Beweisen für eine große Story gesucht – und jetzt dreht Werner am ganz großen Rad: Ein vor 25 Jahren von der Bildfläche verschwundener Mafiaboss soll sich in der Gegend zur Ruhe gesetzt haben. Die Mafia im Allgäu: Das klingt zwar nach typischer Autorenfantasie, ist aber in der Tat regelmäßig Gegenstand von Medienberichten. Lokaler Mafioso ist angeblich Francesco Damesi, Besitzer eines italienischen Restaurants, bester Freund von Stark und Patenonkel seiner Tochter. Ähnlich wie der Polizist ist auch der von Peter Schorn mit dem nötigen Charisma versehen Deutschitaliener eine schillernde Figur: sympathisch, attraktiv, ein wahrer Freund – bis er für einen Moment die Maske fallen lässt. Der verdeckte Ermittler, den Stark getötet haben soll, war auf Danesi angesetzt.

Die komplexe Geschichte hat nur einen Schönheitsfehler: Werner hat sie zumindest teilweise schon mal erzählt. Nicht nur der Handlungsrahmen, auch die Figuren ähneln seiner Degeto-Reihe „Der Bozen Krimi“; die Produktionsfirma (JoJo Film- & Fernsehproduktion) ist ebenfalls die gleiche. Auch dort galt ein charismatischer Restaurantbetreiber als Repräsentant der Mafia, auch dort konnte sich die Heldin nicht sicher sein, wem sie noch trauen kann, weil ihr eigener Mann unter Mordverdacht geriet, was für einen gemeinen Cliffhanger sorgte. Dieses Prinzip wendet Werner in seinem Allgäu-Krimi ebenfalls an: In der letzten Szene macht Bachleitner eine Entdeckung, die einen schockierenden Verdacht in ihr weckt.

Mordkommission Königswinkel – Liebe bis über den TodFoto: ZDF / Jacqueline Krause-Burberg
Für Füssen ganz schön cool. Stark (Vladimir Burlakov) saß drei Jahre unschuldig wegen Mordes im Gefängnis. Lavinia Wilson und Oliver Stokowski als Kripo-Chef Bichler

Natürlich spielen diese Überschneidungen keinerlei Rolle, wenn man die Filme aus Bozen nicht kennt, zumal „Mordkommission Königswinkel“ ein guter Krimi ist, der nicht zuletzt von der feindseligen Stimmung zwischen den beiden Hauptfiguren lebt. Auch die Kollegen, allen voran der Vorgesetzte (Oliver Stokowski), sind überzeugt, Stark sei zu Recht verurteilt worden. Mit der Leiche im Lech kann er nichts zu tun haben, da war er noch im Gefängnis, aber als kurz darauf die Witwe des Opfers erschlagen wird, ist Bachleitner überzeugt, dass Stark in der Sache drinsteckt, zumal die Aufzeichnungen des Journalisten verschwunden sind. Zwischendurch schaut der Film immer wieder mal auf dem Hof eines alleinerziehenden Landwirts (Thomas Unger) vorbei, was etwas irritiert: Der Mann ist zwar der Schwager des Toten, ansonsten jedoch allem Anschein nach nicht in den Fall involviert. Gegen Ende rückt der vermeintliche Nebenschauplatz sogar ins Zentrum, und das nicht nur, weil der Bauer ein grausiges Geheimnis hütet; hier kommt es schließlich auch zum fesselnden Finale.

Die beste Idee der Verantwortlichen war die Besetzung der beiden Hauptrollen mit Vladimir Burlakov und Lavinia Wilson. Auf den ersten Blick mag die stets perfekt gekleidete Bachleitner viel zu mondän für ein Kleinstadtrevier sein, doch sie ist die Frau des örtlichen Landrats. Das Paar genießt einen großen Glamourfaktor, aber der Polizistin wird auch unterstellt, sie habe ihre Karriere den guten Beziehungen des Gatten zum Polizeidirektor (Hannes Jaenicke) zu verdanken. Burlakov wiederum ist mit seinen jungenhaften Gesichtszügen ein idealer Schurkendarsteller, kommt als Bösewicht aber schon deshalb nicht in Frage, weil er Leonard Cohen hört. Außerdem wird er als tragische Figur inszeniert: Angesichts seiner langen Gefängnisstrafe hat er jeden Kontakt zu Frau und Tochter abgebrochen. Am Ende des Films ziehen die zwei zwar nach Hamburg, aber ansonsten hat Werner diverse Spuren gelegt, die Material für mindestens eine Fortsetzung enthalten. Das gilt nicht nur für den Schluss, als Bachleitner die Rechercheergebnisse des toten Reporters sichtet, sondern auch für Stark, denn der hat nur eine Möglichkeit, sich vom Mordverdacht reinzuwaschen: Er muss den wahren Mörder des toten Kollegen finden. (Text-Stand: 10.6.2017)

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fernsehfilm

ZDF

Mit Lavinia Wilson, Vladimir Burlakov, Frederic Linkemann, Johannes Zirner, Thomas Unger, Hannes Jaenicke, Peter Schorn, Oliver Stokowski

Kamera: Reiner Lauter

Szenenbild: Myriande Heller

Schnitt: Andreas Althoff

Kostüm: Alexander Beck

Musik: Enjott Schneider

Produktionsfirma: JoJo Film- und Fernsehproduktion

Drehbuch: Jürgen Werner

Regie: Thomas Nennstiel

Quote: 5,52 Mio. Zuschauer (18,9% MA)

EA: 10.07.2017 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach