Kinderüberraschung

Mandoki, Bartuschek, Ohrt, Kai Meyer-Ricks. Etwas schlicht, aber höchst amüsant

Foto: Sat 1 / Britta Krehl
Foto Tilmann P. Gangloff

Kai Meyer-Ricks gehört zu jenen wenig bekannten Regisseuren, die für ihre Filme keine Preise bekommen, aber regelmäßig professionelle Arbeit abliefern. Nach „Rockstars zähmt man nicht“ oder „Schlimmer geht immer“ ist auch „Kinderüberraschung“ (Producers at Work) ein kurzweiliger Sat-1-Zeitvertreib. Der Film erzählt im Wesentlichen die Geschichte zweier künstlich befruchteter Mütter, deren Eizellen vertauscht worden sind. Das Drehbuch weidet sich zwar an diversen Klischees, weil die Frauen aus gegensätzlichen sozialen Milieus stammen, und mitunter schießt die Inszenierung etwas übers Ziel hinaus, aber Timing und Rhythmus stimmen; und auch darstellerisch hat diese Komödie allerhand zu bieten.

Der liebe Gott, hat Franz Beckenbauer einst die Folgen eines Seitensprungs kommentiert, freut sich über jedes Kind. Dann wird er an diesem Film erst recht seine Freude haben, denn hier geht es um gleich vier zunächst allerdings noch ungeborene Kinder. Der Titel bezieht sich daher auch nicht auf eine Überraschung für die Kleinen, sondern für die werdenden Eltern, denn die Pläne der vier betroffenen Frauen fallen den Launen des Schicksals zum Opfer: Logopädin Liane (Pegah Ferydoni) holt voller Vorfreude ihren Freund vom Flughafen ab, weil das Paar nun endlich Nachwuchs produzieren soll, aber der Mann wird bereits Vater; mit einer anderen. Gynäkologin Kathrin Niebling (Bettina Zimmermann) hat bereits zwei Kinder und ihre Familienplanung längst abgeschlossen, als sie noch mal schwanger wird. Ehemann und Praxispartner Volker (Christoph M. Ohrt) findet’s prima, aber er muss ja auch nicht zwei Jahre auf Alkohol verzichten. Besonders böse treibt es das Schicksal mit Julia (Mira Bartuschek) und Jessi (Lara Mandoki). Beide sind in der Praxis der Nieblings künstlich befruchtet worden, aber Kathrin ist ein fataler Fehler unterlaufen: Sie hat die Eizellen verwechselt. In Julia wächst Jessis Kind heran; und umgekehrt. Dieser Teil der Geschichte ist der zentrale Handlungs-Strang, mit dem die beiden anderen eher lose verbunden sind. Lianes einziger Bezug zu den weiteren Figuren ist die Tatsache, dass Volker ihr Frauenarzt ist. Obwohl der Film also viel Zeit mit Julia und Jessi verbringt, entsprechen die beiden dem üblichen Komödienklischee: Architektin Julia strebt die perfekte Schwangerschaft an, Friseurin Jessi ist eine tätowierte Proletarierin. Ihr Mann Steve (Arnel Taci) schlägt sich als Hundesitter durch, das Paar lebt in einem Wohnwagen; kein Wunder, dass das Szenario (Buch: Dorothee Fesel, Birgit Maiwald) wie eine Variation des RTL-2-Dauerbrenners „Frauentausch“ wirkt. Selbst die Hinterfragung des Klischees bleibt klischeehaft: Kopfmensch Julia ist ziemlich unentspannt, Jessi entpuppt sich als sensibel und großherzig, Steve hat sich die Kosten für die künstliche Befruchtung im Wortsinne vom Munde abgespart. Knut (Marc Ben Puch), sein Pendant an der Seite von Julia, sucht dagegen umgehend nach einer Möglichkeit, den „Proll-Asis“ das Jugendamt auf den Hals zu hetzen, um das Sorgerecht für beide Kinder zu erhalten; und natürlich kommt sein fieses Vorhaben just in jenem Moment heraus, als sich die beiden Mütter angefreundet haben und Julias Wehen einsetzen. Dass „Kinderüberraschung“ trotz der zunächst eher schlichten Figurenentwürfe Spaß macht, liegt nicht zuletzt an den beiden Darstellerinnen.

KinderüberraschungFoto: Sat 1 / Britta Krehl
Die Beichte des Herrn Doktor (Christoph M. Ohrt): Die Embryonen der beiden Paare wurden vertauscht. Marc Ben Puch, Mira Bartuschek, Arnel Taci und Lara Mandoki

Die Gegen-Meinung:
„Lieb gemeint, aber schludrig gemacht. Die an allen Haaren herbeigezogene Klischee-Story vermengt Seifendrama und Burleske, als gäbe es einen Preis für Holperdramaturgie. Trotz einiger passabler Gags und einer Prise Nachdenklichkeit will der Funke einfach nicht überspringen.“ (TV Spielfilm)

Dieser Teil des Films hat also zumindest unterschwellig auch dramatische Züge, und die zweite Ebene mit dem Ärztepaar ist ohnehin nicht komisch, denn Kathrin entscheidet sich für einen Schwangerschaftsabbruch. Die Geschichte von Liane dagegen entspricht dem üblichen Schema der romantischen Komödie: Weil sie unbedingt Mutter werden will, lässt sie sich von ihrem Nachbarn Florian (Kai Schumann), einem ungebundenen kinderlosen Spielzeugdesigner mit permanent wechselnden Frauenbekanntschaften, Flirttipps geben. Florians Besucherinnen dürfen nicht älter als 25 sein, weil ihre biologische Uhr dann noch nicht tickt, deshalb passt die 36jährige Nachbarin nicht in sein Beuteschema. Als er jedoch mitbekommt, wie gut seine Ratschläge fruchten, weckt das durchaus gemischte Gefühle in ihm; und natürlich ist auch das alles andere als überraschend. Neben den amüsanten Details sind es auch auf dieser Ebene vor allem die beiden Schauspieler, die dafür sorgen, dass die vorhersehbare Erzählung trotzdem funktioniert. Dank der guten Integration in den Handlungsfluss fällt nicht mal auf, dass sie innerhalb des Films im Grunde ein Fremdkörper ist. Ob das nun ein Verdienst von Drehbuch, Schnitt (Helena Bieniek) oder Regie ist, lässt sich von außen kaum nachvollziehen, aber Kai Meyer-Ricks hat gerade für Sat 1 schon einige Male gezeigt, dass er scheinbar schlichte Geschichten („Rockstars zähmt man nicht“, „Schlimmer geht immer“) sehr amüsant umzusetzen versteht. Preise gibt es für diese Art Fernsehen zwar nicht, Zeitverschwendung wie die Hunde- und Kinderkomödie „Nein! Aus! Pfui!“ sind seine Filme aber nur höchst selten. Das galt sogar auch für seine beiden Beiträge zur ZDF-Tirolreihe „Hanna Hellmann” oder für den Mystery-Thriller „Blutsschwestern“ (Sat 1). Außerdem sorgt Meyer-Ricks stets dafür, dass seine Schauspieler nicht in Routine verfallen, selbst wenn sie, wie die beliebte Sat-1-Beziehungskombi Zimmermann und Ohrt („Die Verführung“, „Nachbarn süß-sauer“, „Zum Teufel mit der Wahrheit“), zum wiederholten Mal als Paar vor der Kamera stehen.

KinderüberraschungFoto: Sat 1 / Britta Krehl
Die Nachbarn Liane (Pegah Ferydoni) & Florian (Kai Schumann) kommen sich näher.

Der Rest ist eine Frage von Timing und Rhythmus. Es wäre zwar entschieden zuviel der Ehre, „Kinderüberraschung“ in die Nähe von Til-Schweiger-Komödien wie „Keinohrhasen“ oder „Kokowääh“ zu rücken, aber das positive Lebensgefühl, das der Film auch dank der diversen Popsongs verbreitet, ist durchaus vergleichbar. Dafür sorgen auch Drehbucheinfälle, die den Figuren zumindest eine gewisse emotionale Tiefe verleihen. In einer der schönsten Szenen besuchen die zu diesem Zeitpunkt noch verfeindeten Jessi und Julia gemeinsam einen Geburtsvorbereitungskurs. Erst bauen sie ihre Berührungsängste buchstäblich bei einer Paarübung ab, und als die werdenden Mütter aufgefordert werden, ihre Babys zu spüren, legen die beiden hochschwangeren Frauen ihre Hände jeweils auf den Bauch der anderen; damit ist das Eis endgültig gebrochen. Solche Momente gibt es öfter, und deshalb ist auch zu verschmerzen, dass Meyer-Ricks an anderer Stelle übers Ziel hinausschießt: Hat Florian Frauenbesuch, fallen bei Liane Gegenstände aus dem Regal, und Jessi und Steve treiben es trotz Baby im Bauch derart heftig, dass der Wohnwagen wackelt. (Text-Stand: 25.8.2018)

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Fernsehfilm

Sat 1

Mit Lara Mandoki, Mira Bartuschek, Christoph M. Ohrt, Bettina Zimmermann, Marc Ben Puch, Arnel Taci, Pegah Ferydoni, Kai Schumann

Drehbuch: Dorothee Fesel, Birgit Maiwald

Regie: Kai Meyer-Ricks

Kamera: Sönke Hansen

Szenenbild: Gabriella Ausonio

Kostüm: Till Fuhrmann

Schnitt: Helena Bieniek

Musik: Chris Bremus

Redaktion: Birgit Brandes

Produktionsfirma: Producers at work

Produktion: Christian Popp

Drehbuch: Dorothee Fesel, Birgit Maiwald

Regie: Kai Meyer-Ricks

EA: 18.09.2018 20:15 Uhr | Sat 1

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